Steffi Nerius krönt Karriere mit WM-Gold
Besser hätte der letzte Auftritt von Steffi Nerius bei einer internationalen Meisterschaft nicht enden können. Gleich im ersten Versuch schleuderte die Leverkusenerin am Dienstagabend bei den Weltmeisterschaften in Berlin ihren Speer auf 67,30 Meter und schockte damit die Konkurrenz so sehr, dass keine Athletin mehr kontern konnte. Als erste Deutsche gewann sie WM-Gold im Speerwerfen. Christina Obergföll (LG Offenburg; 64,34 m) und Linda Stahl (TSV Bayer 04 Leverkusen; 63,23 m) wurden Fünfte und Sechste.
Erst einmal hat die 37 Jahre alte Europameisterin Steffi Nerius in ihrer Karriere weiter geworfen – bei ihrer Bestleistung im vergangenen Jahr in Elstal, als ihr Speer erst nach 68,34 Metern den Boden berührte. In Berlin holte sie gleich im ersten Versuch die Keule raus, ballte nach dem Wurf die Fäuste und jubelte ausgelassen. „Natürlich war es mein Plan, im ersten Versuch gleich einen rauszuhauen, aber das ist alles Theorie“, sagte Steffi Nerius.„Vor allem hätte ich nicht gedacht, dass der Wurf zu Gold reicht. Eine Medaille schon, aber Gold? Ich hatte fest damit gerechnet, dass Barbora Spotakova oder Mariya Abakumova noch weiter werfen.“ Der Wurf habe sich einfach nur super abgefühlt, „Wahnsinn, gigantisch“, beschrieb sie.
Einfach nur geil
„Danach war es einfach nur geil“, sagte sie. Auch die vielen Unterbrechungen, kamen ihr dabei gelegen. „Dadurch kamen die anderen etwas aus dem Rhythmus.“ Erst im Laufe des Wettkampfs habe sie langsam realisiert, dass sie kurz vor der Erfüllung eines unwirklichen Traums stand. „Nach fünf Versuchen habe ich gedacht, oh oh. Und dann bin ich doch ganz schön nervös geworden.“
„Berlin macht Rabatz“ stand auf dem Stirnband von Steffi Nerius – und das war nun wirklich wahr. Lautstark wurde jeder Versuch von Steffi Nerius, Christina Obergföll und Linda Stahl unterstützt. Ungeahnte Ausmaße nahm die Lautstärke an, als Steffi Nerius als Weltmeisterin feststand und mit Freudentränen in den Augen ihren letzten Versuch in Angriff nahm. Zu diesem Zeitpunkte hatte sie aber schon das Stirnband getauscht. „Danke für Eure Treue“ prangte auf ihrer Stirn.
Älteste Siegerin in einem WM-Speerwurf
Die Zuschauer hingegen antworteten auf ihre Weise: „Steffi Du bist die Größte“ und „Steffi lass es krachen“ ließen die Fans ihrerseits die Leverkusenerin auf Stirnbändern wissen. Mit ihrem Sieg bei ihrer achten WM-Teilnahme löste sie auch Trine Hattestad ab, die bislang die älteste Speerwurf-Weltmeisterin gewesen war. Die 31 Jahre und 113 Tage der Norwegerin übertraf Steffi Nerius mit 37 Jahren 47 Tagen deutlich.
Ihren Plan, die aktive Sportkarriere nach dieser Saison zu beenden, wird dieser Erfolg aber nicht umstoßen. „Ich hatte die beste Saison meiner Karriere. Ich bin Deutsche Meisterin geworden, habe daheim beim Meeting in Leverkusen super geworfen und bin Weltmeisterin geworden“, resümierte sie. „Das ist definitiv der beste Moment, um aufzuhören.“
Barbora Spotakova wird Favoritenrolle nicht gerecht
Während Steffi Nerius noch rund eine Stunde nach Ende des Wettkampfs ununterbrochen strahlte, saßen Barbora Spotakova und Mariya Abakumova bei der Pressekonferenz deutlich reservierter neben ihr. Die tschechische Olympiasiegerin und russische Olympia-Zweite waren die Top-Favoritinnen gewesen, kamen aber auf Rang zwei und drei nicht über 66,42 und 66,06 Meter hinaus.
„Ich hatte mich schon in der Qualifikation nicht besonders gut gefühlt“, sagte Barbora Spotakova. „Vielleicht habe ich im Training zu viel gemacht, denn ich war hier definitiv nicht in Topform.“ Auch mit dem Belag der Anlaufbahn sei sie nicht so gut zurecht gekommen, da sie normalerweise auf schnelleren Mondo-Belägen werfe.
Mit größeren Erwartungen als Bronze war auch die Russin Mariya Abakumova in den Wettkampf gegangen, nachdem sie in der Qualifikation mit 68,92 Metern so weit geworfen hatte, wie keine andere Athletin in dieser Saison. „Ich hatte schon gedacht, dass ich Gold gewinnen könnte“, sagte sie. Sie habe sich vor allem zugetraut, 70 Meter zu werfen. „Aber vielleicht wollte ich einfach zu viel.“
Bei Christina Obergföll passte es nicht
Mit Tränen in den Augen verlies die Olympia-Dritte Christina Obergföll das Stadion. „Ich habe während des Wettkampfs gemerkt, dass alles einfach nicht so passt“, sagte sie. Jeder Wurf sei anders gewesen, von einstudierter Routine keine Spur. „Ich habe mir zwar immer eingeredet, dass es passt, aber das hat es nicht.“
So lange habe sie auf diesen Wettkampf hingearbeitet und hingefiebert, „klar ist man dann enttäuscht. Vor allem wenn mit 67,30 Metern gewonnen wird, die man selbst schon oft genug geworfen hat.“ Auch wenn es nach Problemen in den vergangenen Wettkämpfen im Training zuletzt wieder deutlich besser gelaufen sei, „war die Unsicherheit trotzdem da. Ich habe zwar an mich geglaubt, aber die Selbstsicherheit hat gefehlt“, sagte sie.
Nicht unzufrieden war Linda Stahl nach ihrem Wettkampf. „Für 64 Meter hätte schon alles passen müssen und auch mit meiner Qualifikationsweite hätte ich keinen besseren Platz belegt“, sagte sie. Noch mittags hatten die Zeichen gar nicht gut gestanden. Schon nicht ganz gesund war die Medizin-Studentin nach Berlin angereist „und nach dem Mittagsschlaf bin ich mit starken Rückenschmerzen aufgewacht“. Vor allem ein positives Fazit gelang ihr: „Deutsche Speerwerferinnen haben wahrscheinlich in der Summe noch nie so ein gutes Ergebnis erzielt.“
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