Steffi Nerius – "In Athen soll es Gold sein"
Im vergangenen Jahr gab es EM-Silber, am Sonnabend in Paris WM-Bronze. Steffi Nerius ist Deutschlands Top-Speerwerferin. Bei der Weltmeisterschaft ging für sie eine Serie von elf Siegen in Folge zu Ende. Weltmeisterin wurde die Griechin Mirela Manjani vor Tatjana Schikolenko aus Russland. Was Nerius über den Wettkampf und ihre Gegnerinnen zu sagen hat, können Sie hier nachlesen.
Steffi Nerius will bei Olympia ganz nach vorne. (Foto: Klaue)
Frage:Steffi, Glückwunsch erstmal. Wie war die Feier gestern?
Steffi Nerius:
"Also so ausgiebig wie nach München habe ich nicht gefeiert, weil irgendwie – ich weiß auch nicht – kam mir das vor wie ein schlechter Wettkampf. Ich habe mich zwar tierisch gefreut über die Medaille, aber der Wettkampf selbst ist merkwürdig gewesen. Das Niveau war – bis auf die Mirela mit ihren 66,52 Metern – schlecht. Keine Ahnung warum. Vielleicht liegt es an der Thermik im Stadion. Ich hoffe, die Männer werfen heute nicht so weit, dass ich mich revidieren und sagen muss, man hätte auch weit werfen können. Ich wollte eigentlich viel weiter kommen. Das ist mir nicht gelungen. Aber letztlich fragt keiner danach. Wenn es im Stabhochsprung regnet und der Titel mit 5,60 Metern weggeht, interessiert das zwei Wochen später auch niemanden mehr."
Frage:
Jetzt gab es im vergangenen Jahr EM-Silber, dieses Mal WM-Bronze. Was wiegt da mehr?
Steffi Nerius:
"Also letztes Jahr – ich habe ja gerade schon die Feier danach angesprochen – war das sehr emotional. Vor eigenem Publikum, das erste Mal eine internationale Medaille, dann auch noch eine entsprechende Weite dazu – das hat mich schon sehr gefreut. Natürlich wiegt so eine WM-Bronzemedaille mehr als eine Silbermedaille bei den Europameisterschaften. Aber ich möchte wirklich zufrieden sein, weil ich nach dem gestrigen Wettkampfverlauf genauso gut Fünfte hätte werden können und vor fünf Jahren wäre mir das sicher auch noch passiert. Dieses Mal war das Glück auf meiner Seite. Auch wenn ich bedenke, wie die letzten beiden Wochen verlaufen sind, kann ich mit dem Abschneiden sehr zufrieden sein. Nach dem Wettkampf in Helsinki tat mir plötzlich die Schulter weh, zwei Tage später dann die Sache mit dem Rücken, dann noch ein bisschen Erkältung und hier und da ein bisschen was – also es war keine optimale WM-Vorbereitung und insofern bin ich nur glücklich mit der Bronzemedaille."
Frage:
Wie hoch ist der Anteil Ihres Trainers Helge Zöllkau an dem Erfolg hier in Paris?
Steffi Nerius:
"Sehr hoch. Vom Trainingsaufbau war das Jahr perfekt."
Frage:
Haben Sie Druck gespürt, weil die deutsche Mannschaft bislang so schlecht abgeschnitten hat? Sind sie dadurch beeinflusst worden?
Steffi Nerius:
"Für mich war klar, ich komme hierher, um eine Medaille zu holen. Und daran hat sich im Vorfeld nichts geändert gehabt. Es war nur schwieriger vom Kopf her, sich nicht unter Druck setzen zu lassen, sondern einfach an seinem Ziel festzuhalten und konzentriert daraufhin zu arbeiten."
Frage:
Wie viel haben Sie von den anderen mitbekommen und wie haben Sie vermieden, dass der Druck auf Ihnen lastete?
Steffi Nerius:
"Man hat das schon wahrgenommen, wenn die Athleten enttäuscht von ihren Wettkämpfen zurückkamen. Astrid Kumbernuss beispielsweise kam völlig verweint ins Dorf. Das tat mir irgendwie Leid und ich habe sie in den Arm genommen und getröstet, aber dann gesagt Schluss, abhaken, du musst dich jetzt auf deinen Wettkampf konzentrieren.' Man entwickelt den Tunnelblick. Man registriert die Dinge, nimmt sie auf, lässt sie aber nicht an sich heran."
Frage:
Haben Sie bewusst Gespräche über das Thema vermieden und nicht in die Zeitungen geschaut?
Steffi Nerius:
"Solange wir noch in Kienbaum waren und das Fernsehen hatten, war das schwierig. Doch hier im Dorf gibt es glücklicherweise kein Eurosport. Ich bin gestern beispielsweise vor dem Wettkampf noch ins DLV-Büro. Dort lagen ein paar Artikel herum. Da fragte ich Cheftrainer Dr. Schubert, ob ich hier was lesen sollte und er meinte nur, nee, nee, du brauchst nichts lesen'. Daraufhin bin ich umgedreht und gleich wieder raus. Ich habe schon versucht, dass alles von mir wegzuschieben."
Frage:
Jetzt haben Sie voriges Jahr eine Medaille gewonnen, in diesem Jahr wieder. Da bleibt ja auch für Athen kein anderes Ziel?
Steffi Nerius:
"Doch. Das Ziel sieht anders aus. Es soll eine Goldmedaille werden."
Frage:
Wie werden Sie die vorbereiten? In welche Richtung soll es gehen?
Steffi Nerius:
"Auf jeden Fall muss es weit gehen. Ich habe gemerkt, dass ich auf die Form vom April im Sommer nur noch zwei Meter drauflegen kann. Also muss es im April 2004 zu 65, 66 Metern reichen. Ich sage es immer ganz flapsig. Wenn ich im Training 70 Meter werfe, bin ich auf der sicheren Seite. In Athen muss man sehr weit werfen, um Gold zu gewinnen. Realistisch wahrscheinlich 68, 69 Meter."
Frage:
Ist die Griechin Mirela Manjani denn zu schlagen. Sie war 1999 Weltmeisterin, 2002 Europameisterin und hat jetzt erneut gewonnen.
Steffi Nerius:
"Wenn ich 68 oder 69 Meter werfe ja."
Frage:
Die Griechen werden bei ihrem Heimspiel sicher sehr stark sein sein. Es gibt immer wieder Gerüchte um sie. Franka Dietzsch hat von einer "extrem guten Vorbereitung" der Hellas-Werfer gesprochen.
Steffi Nerius:
"Deswegen sage ich ja, man muss eine sichere 70 werfen."
Frage:
Aber wie soll das gehen, wenn man sich nicht "extrem gut" vorbereitet?
Steffi Nerius:
"Ja, das ist die Frage. Grundsätzlich traue ich mir eine 67 zu. Deswegen würde ich auch nicht jeder, die 67 Meter wirft, vorwerfen, sie ist voll bis unter die Hutkante. Da würde ich mir ja selbst ein Grab schaufeln."
Frage:
Wie schafft man es denn, sich angesichts der Dopingspekulationen um die Griechen zu motivieren.
Steffi Nerius:
"Es ist schon schwierig. Man unterstellt denen was, kann es aber nicht beweisen. Was mich an der Sache ärgert, ist, dass die irgendwo die Quali werfen und dann nie mehr gesehen werden. Eine Entwicklung ist bei denen nicht zu erkennen. Man weiß nicht, was einen beim Saisonhöhepunkt erwartet. Grundsätzlich weiß man es zwar schon. Es ist klar, dass sie weit werfen werden. Aber wenn man sie vorher sehen würde, könnte man sich besser drauf einstellen."
Dann drücken wir die Daumen für 2004 und sagen vielen Dank für das Gespräch!