Steffi Nerius – "Was geht jetzt hier ab?"
Der letzte Tag der Weltmeisterschaft in Helsinki ging aus deutscher Sicht mit zwei Medaillen im Frauen-Speerwurf zu Ende. Was die Leverkusenerin Steffi Nerius nach ihrem dritten Platz im Gespräch mit den Journalisten sagte, erfahren Sie im Interview.

Steffi Nerius holte in Helsinki ihre vierte internationale Medaille in Folge (Foto: Kiefner)
Wie würden Sie den Wettkampf und Ihre Eindrücke beschreiben?Steffi Nerius:
Es war sensationell, Wahnsinn. Ich hatte eigentlich vor, im ersten Versuch die Kubanerin zu schocken. Ich dachte, wenn ich vorlege, zeigt sie vielleicht Emotionen und ist ein wenig durcheinander. Der Wurf war nicht perfekt, aber trotzdem knapp unter 66 Meter. Ich wusste danach, dass ich 67 Meter werfen kann. Dann hat die Kubanerin emotionslos ebenso mal Weltrekord geworfen. Danach wollte ich mich auf den zweiten Platz konzentrieren. Es war aber schwierig, nachdem der Weltrekord gefallen war. Der zweite Versuch war etwas im Wind, deshalb habe ich ihn ungültig gemacht. Dann hat Christina Obergföll die 70 Meter geworfen. Dann habe ich gedacht: Hallo? Was geht jetzt hier ab? Danach wusste ich, es geht nur noch um den dritten Platz. Das hat mich schon irgendwie aus dem Konzept gebracht. Die nächsten Versuche waren dann alle um 64 Meter, das war nicht schlecht. Aber ich wusste, ich hätte einen 120-prozentig treffen müssen, um noch eine andere Platzierung zu erreichen. Andererseits war mich auch klar, dass kaum mehr jemand an mir vorbeikommt. Es war eine gute Thermik und man hätte ein bisschen mehr daraus machen können. Ich bin nach den zwei Würfen der Konkurrentinnen leider ein bisschen aus dem Wettkampf gekommen. Aber ich bin trotzdem super glücklich, mit fast Bestleistung Dritte geworden zu sein. Es war meine vierte internationale Medaille hintereinander, das ist schon sehr schön. Es war ein supertoller Wettkampf, auch für die Zuschauer.
Haben Sie irgendwann mal gedacht, Sie sind im falschen Film?
Steffi Nerius:
Irgendwann habe ich mich schon mal gefragt, was hier gerade passiert. Da war schon ein wenig Galgenhumor dabei. Ich hatte es mir etwas anders vorgestellt.
War es ein besonderer Wettkampf, auch weil die Finnen so speerwurfbegeistert sind?
Steffi Nerius:
Ja, auf jeden Fall. Ich hatte auch den Männerwettkampf am Fernseher verfolgt und den Finnen schon eine Medaille gegönnt. Dass Tero Pitkämäki dann Vierter geworden ist, fand ich schon ein wenig traurig. Deshalb hatte ich mir schon gedacht, dass sich die Finnen tierisch auf das Frauenfinale freuen werden. Es war auch bei uns eine super Stimmung.
Was sagen Sie zum neuen Europarekord durch Christina Obergföll?
Steffi Nerius:
Die Leistung von Christina ist einfach Wahnsinn. Ich denke, das kann sie selbst noch nicht ganz realisieren. Im Speerwurf passiert es schon mal, dass man einen Ausrutscher hat. Wobei ich denke, dass sie mit ihrem Potenzial auch 67 Meter werfen kann. Wenn sie aber jetzt im nächsten Wettkampf 72 Meter werfen würde, wäre das schon ein wenig frustrierend für mich. Ein solcher Ausrutscher fehlt mir ein wenig. Ich habe jetzt zwölf Wettkämpfe um 64, 65 Meter gemacht. Wenn ich mal einen Wettkampf mit 68, 69 Metern hätte, das wäre mir auch mal ganz lieb. Früher mit dem alten Speer hatte ich das geschafft, aber mit dem neuen tue ich mich da ein wenig schwer.
Arbeiten Sie auf den perfekten Wurf hin?
Steffi Nerius:
Nicht unbedingt. Ich bin mit vier Medaillen hintereinander total zufrieden. Ich warte eigentlich auf den Moment, wo ich auf dem Treppchen ganz oben stehe. Das versuche ich im nächsten Jahr wieder in Angriff zu nehmen.
Was bedeutet Ihnen diese Schallmauer von 70 Meter?
Steffi Nerius:
Ich finde es schon schön, wenn man sagen kann, ich habe mal über 70 Meter geworfen. Aber das ist jetzt nicht so ein Traum. Eine Medaille finde ich doch noch wichtiger.
Wie bewerten Sie die deutsche WM-Bilanz?
Steffi Nerius:
Franka Dietzsch hat mit ihrer Medaille schon eine ganze Menge rausgerissen. Vielleicht war es jetzt am Schluss mit zwei Medaillen in einer Disziplin das Glanzlicht. Das ist schon toll. Das macht uns auf jeden Fall stolz.
Glauben Sie, dass diese Erfolge für junge Talente Anreiz sein kann, auch diesen Weg einzuschlagen?
Steffi Nerius:
Ich hoffe, dass viele Mädels jetzt sagen Die finden wir toll, wir wollen auch Speerwerfen' und wir so ein bisschen Nachwuchs haben. Wobei ja unser Speerwurf-Nachwuchs nicht schlecht ist. Vielleicht können wir ein bisschen so speerwurfverrückt werden wie die Finnen.
Wie bewerten Sie jetzt die veränderte Konkurrenzsituation in Deutschland?
Steffi Nerius:
Christina Obergföll ist jetzt besser als ich. Ich habe im Mai in Halle gesehen, dass es ein Zweikampf war, wo ich nachlegen musste. Aber man hat schon das ganze Jahr gesehen, dass sich ein Zweikampf entwickelt.
Gibt es beim Werfen einen Unterschied zwischen Ihnen und Christina Obergföll?
Steffi Nerius:
Wenn ich ehrlich bin, dann frage ich mich immer, wenn ich Christina werfen sehe, warum ihr nichts wehtut. Aber ihr Stil scheint irgendwie effektiv zu sein. Ich möchte aber trotzdem nicht so werfen. Ich mache mehr über meine Schnellkraft.
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