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Steffi Nerius: Von der Weltmeisterin zur Medaillen-Macherin

Steffi Nerius war früher eine Weltklasse-Athletin, jetzt ist sie als Trainerin sogar noch erfolgreicher. Sie trainiert bei den Paralympics in Rio die beiden erfolgreichsten deutschen Leichtathleten.
dpa/alex

Ihr altes Leben als Speerwurf-Weltmeisterin holt Steffi Nerius manchmal immer noch ein. Erst in dieser Woche wurde ihre langjährige Rivalin Maryia Abakumova aus Russland des Dopings überführt, Nerius rückte nachträglich vom fünften auf den vierten Platz der Olympischen Spiele 2008 vor. Doch die 44-Jährige zuckt darüber nur mit den Schultern. Sie ist aktuell als Trainerin bei den Paralympics in Rio de Janeiro (Brasilien) aktiv – und dabei sogar noch erfolgreicher, als sie es schon in ihrer Karriere als Athletin war.

Nerius‘ Schützlinge sind Markus Rehm und Franziska Liebhardt (beide TSV Bayer 04 Leverkusen), die beiden Gesichter der deutschen Leichtathletik bei diesen Weltspielen des Behindertensports. Liebhardt gewann bereits Gold im Kugelstoßen und Silber beim Weitsprung. Und Rehm, der deutsche Paralympics-Star schlechthin, will an diesem Samstag (17. September) ebenfalls im Weitsprung seine zweite Goldmedaille in Rio holen. „Mehr kann man nicht erreichen“, sagt Nerius im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist für jeden Trainer toll, wenn man merkt, dass das Training anschlägt.“

Liebhardt leidet an einer unheilbaren Autoimmunkrankheit. Eine Lungen- und eine Nierentransplantation hat sie bereits hinter sich. Nach den Paralympics wird sie ihre Karriere beenden. Bei Rehm dagegen soll es nach Rio erst richtig losgehen. Der 28-Jährige ist längst über den Behindertensport hinausgewachsen. Er kämpft dafür, auch einmal bei großen Meisterschaften der Nicht-Behinderten mitzuspringen.

Professionell, ehrgeizig, zielstrebig

Unterschiedlicher können zwei Athleten kaum sein. Aber glaubt man Nerius, stehen beide für genau das, was die Paralympics in den vergangenen Jahren immer größer, leistungsstärker und attraktiver gemacht hat. „Beide sind sehr professionell, sehr ehrgeizig, sehr zielstrebig“, sagt sie. „Auch im Behindertensport ist mittlerweile bekannt: Man muss hart arbeiten, um Erfolg zu haben.“

Über Liebhardt erzählt sie die Geschichte, wie die 2014 zu ihr kam und entgegen der Prognose und der Warnung aller Ärzte Leistungssport betreiben wollte. „Bei Franzi bin auch ich zunächst so an die Arbeit herangegangen, dass ich bei jedem schweren Atmen dachte: Geht es dir gut? Ist alles okay?“, beschreibt Nerius. „Als sie zu mir kam, konnte sie eine 20-Kilogramm-Stange beim Bankdrücken vielleicht sieben Mal hochdrücken. Jetzt schafft sie eine Zehnerserie mit 75 Kilogramm.“

Bei Rehm die Mittlerin zwischen zwei Seiten

Bei Rehm geht ihre Aufgabe über die der Trainerin hinaus. Er ist der Star des Deutschen Behindertensportverbandes, würde aber auch gern für den Deutschen Leichtathletik-Verband starten. Nerius kennt beide Seiten. Das macht sie zur Mittlerin in einem komplizierten Fall.

2014 nahm Rehm zum ersten Mal an den Deutschen Meisterschaften der Nicht-Behinderten teil. Er gewann. Diesen Start hatte ihm auch seine Trainerin vermittelt. Erst danach führte der Weltverband IAAF eine Regel ein, nach der Athleten mit Handicap selbst den Nachweis erbringen müssen, dass ihnen eine Prothese keinen Vorteil verschafft.

Leistung nicht vergleichbar

Anders als Rehm meint Nerius nicht, dass behinderte Athleten zusammen mit nicht-behinderten Athleten starten sollten. Sie sagt: Man könne beides nicht miteinander vergleichen. Gleichwohl unterstützt sie ihn in seinem Kampf, wenn auch nicht unter dem Schlagwort der Inklusion.

„Es wäre gut für ihn, regelmäßig gefordert zu werden“, sagt Nerius. „Denn jeder Leistungssportler weiß doch, dass man nur dann das Letzte aus sich herausholen kann, wenn auch eine gewisse Konkurrenz da ist. Das war meine Motivation, zum Deutschen Leichtathletik-Verband zu gehen und zu sagen: Ich habe hier einen tollen Springer.“

Um weiter mit Rehm zu arbeiten, nimmt die frühere Weltklasse-Athletin vieles auf sich. Bereits seit zwei Jahren arbeitet sie im Hauptberuf nicht mehr als Trainerin für Bayer Leverkusen, sondern als Leiterin des Nachwuchs-Internats. Das Training mit Rehm macht sie in ihrer Freizeit. Mit ihm noch einmal zu einer WM zu fahren, das wäre auch für Nerius ein Traum. Es wäre die Krönung ihrer zweiten Karriere.

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)


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