Diana Rach erkämpft sich tapfer U18-WM-Bronze
Nicht Lisa Ryzih, die einzige noch startberechtigte Titelverteidigerin und Junioren-Weltmeisterin 2004 dazu, sondern die erst seit einer Woche 16 Jahre alte Erfurterin Diana Rach erkämpfte im wahrsten Sinne des Wortes die zweite deutsche Medaille bei den für Europas Talente so schweren U18-Weltmeisterschaften in Marrakesch (Marokko).
Diana Rach sicherte sich in Marrakesch Platz drei (Foto: Möldner)
Während die in Sibirien geborene Pfälzerin beim Versuch, als Erste einen U18-Meistertitel mit Erfolg zu verteidigen, im Stabhochsprung mit 4,05 Metern nur Fünfte wurde, hielt die blonde Thüringerin, die vor dem abschließenden 800-Meter-Lauf sogar an zweiter Stelle gelegen hatte, im Siebenkampf wenigstens die Bronzemedaille (5.481 Punkte) hinter den beiden Russinnen Tatjana Tschernowa (5.875) und Jana Pantelejewa (5.611) mit einer großen Willensleistung fest.Wie sehr sie sich an diesem schwülsten Tag der 180-Nationen-Titelkämpfe ausgegeben hatte, zeigte sich etwa zwanzig Sekunden nach dem 800-Meter-Lauf. Mit einem ungewöhnlich hohen Puls klappte sie auf der Kunststoffbahn zusammen. Die umsichtigen marokkanischen Kampfrichter halfen sofort mit kühlendem Eis.
Die strengen Ordner am Tor zum Innenraum ließen den herbeigeeilten Physiotherapeuten Frank Leutze sofort in den Innenraum. Auf seinen starken Armen schleppte er Diana Rach in die Mixed Zone, in der sich normalerweise Athleten und Journalisten zum Gespräch treffen. Bei seiner wichtigsten Arbeit in Marrakesch half der beruflich an einer Rehaklinik im württembergischen Ebersbach tätige Samariter unter den Augen fast der gesamten Mannschaft und mit dem Erfurter Trainer Konrad Ackermann an seiner Seite Diana Rach nach einigen Minuten des Bangens wieder auf die Beine.
Total nervös
"Ich habe solche Angst gehabt vor diesem Lauf, vor allem, nachdem ich die gute Bestzeit der hinter mit platzierten Russin erfahren hatte. Ich werde mich nie mehr für die Bestzeit einer Gegnerin interessieren, das hat mich total nervös gemacht", blickte die Schülerin der zehnten Klasse auf den Lauf zurück.
"Die Hitze hat Diana sehr zugesetzt, sie hatte Durchfall und wahrscheinlich auch zu wenig getrunken. Da kam vieles zusammen", erläuterte der Physiotherapeut, während die Erfurterin schon wieder mit strahlendem Lächeln auf das Podium für die drei Medaillengewinnerinnen im Siebenkampf sprang.
Romy Gürbig, die in einem Riesenfeld von 35 Teilnehmerinnen, die allesamt eine wahre Hitzeschlacht von zwei Tagen durchgestanden hatten mit 5406 Punkten Fünfte wurde, und Diana Rach besuchen beide das Pierre-de-Coubertin-Sportgymnasium in der Thüringer Landeshauptstadt. Konrad Ackermann, der Heimtrainer von Romy Gürbig, ist dort ihr Sportlehrer. Diana Rach dagegen wird zu Hause von Michael Weber, einem Freizeitberater der Stadt Erfurt, trainiert.
Diesmal verpokert
2003 bei der U18-WM in Sherbrooke (2,05 m) und 2004 bei der U20-WM in Grosseto (4,30 m) hatte Lisa Ryzih die Meistertitel auch mit perfektem Pokern gewonnen. Diesmal half der 16-Jährigen nicht, dass sie nach einem Fehlversuch bei 4,10 Metern die beiden weiteren Versuche für 4,15 Meter aufhob. Sie scheiterte und musste sich daher zwei Ränge vor der Mainzerin Christina Michel (3,90 m) mit einem für sie gewiss enttäuschenden fünften Platz zufrieden geben. Eine längere Trainingspause im Winter konnte sie nicht mehr wettmachen.
Die 1990 geborene Griechin Ekaterina Stefanidi, die wie Keisa Monterola, Venezuelas erste Klasseathletin, 4,30 Meter meisterte, bewies mit fehlerfreiem Springen bis zur Goldmedaillenhöhe, dass ihr im Februar in der Athener Halle gesprungener U18-Weltrekord (4,37 m) das Zeichen für ungewöhnliches Talent ist. Die ehemalige Turnerin Keisa Monterola, die 53 Jahre nach der Bronzemedaille des Dreispringers Arnoldo Devonish bei den Olympischen Spielen in Helsinki die zweite Medaille für Venezuela bei einem weltweiten Wettbewerb errang, hat mit Alexander Radchich einen aus Russland stammenden Trainer.
Gut schlug sich der pfiffige Dresdner Hochspringer Raul Spank, der bis zu seiner persönlichen Bestleistung (2,11 m) alle Höhen im ersten Versuch gemeistert hatte, bevor er an 2,14 Metern scheiterte und sich den siebten Platz gut schreiben lassen konnte. Nicht schlecht für einen Athleten, dessen Bestleistung vor dieser Saison nur 2,02 Meter betragen hatte. Der junge Athlet des ruhmreichen Dresdner SC verbesserte sich in zwei Jahren um 23 Zentimeter.
Julia Sutschet verbessert
Stichwort Verbesserungen: In dieser Beziehung unterbot die stets lustige Sprinterin Julia Sutschet in drei ihrer vier Rennen von Marrakesch ihre heimatlichen Bestzeiten. Der zukünftige Verwaltungslehrling, der wegen der Nähe des Nürburgrings in der Sportwelt bekannten Stadt Adenau (Eifel) war mit ihrer 200-Meter-Steigerung auf 24,07 Sekunden in den Vorläufen sogar die Schnellste hinter den Flitzerinnen aus den USA und der Karibik.
Im Zwischenlauf (24,11 Sekunden) wirkte sie etwas verkrampft, war aber trotz des Ausscheidens immerhin die zweitbeste Europäerin hinter der polnischen Finalistin Marika Popowicz (23,94 sec). "Ich bin zufrieden", sagte sie über beide Backen strahlend und zog ein T-Shirt an, auf dem ihre Klassekameradinnen bei der Abschlussfeier der Realschulzeit ihr in lustigen Worten viel Glück wünschten. Der Erfurter Julian Reiss (nur 21,94 sec) hatte dagegen nie eine Chance, wenigstens das 200-Meter-Halbfinale zu erreichen.
Ins Finale zog dagegen die 16-jährige Sabrina Buchrucker (ASV Köln) mit ihrem vierten Platz im langsameren der beiden 800-Meter-Halbfinals. Natürlich strahlte sie mit ihrem ebenfalls aus dem Bergischen Land stammenden Trainer Benno Eicker um die Wette. Dieser hatte vor einigen Jahren Tim Goebel schon als Jugendlichen zum deutschen Meistertitel und in den Endlauf der Hallenweltmeisterschaften geführt.
Weitspringerinnen im Finale
Trainer Hardy Gnewuch, die Stimmungskanone in der Mannschaft, hatte einen Riesenspaß als die von ihm betreuten Weitspringerinnen Carina Nastvogel aus dem bayerischen Lichtenfels (6,15 m) und Alexandra Ophey aus der 4x400-Meter-Jugenmeisterstaffel des LAV Bayer Uerdingen/Dormagen (6,14 m mit 2,8 m/Sekunden Rückenwind) im Gegensatz zu fast allen anderen Springerinnen die als Qualifikation verlangten 6,10 Meter auf Anhieb schafften. Wer die Favoritinnen sind, zeigten allerdings im zweiten Versuch Manuela Caltier (6,43w m) und Eloyse Lesueur (6,40 m) aus der bislang enttäuschenden französischen Mannschaft.
Läuferisch hätte Christof Kaesmacher (Grün-Weiß Durwiß) das Zeug zur Finalteilnahme im 400-Meter-Hürdenlauf "dicke" gehabt. Doch mit mehrmaligem "Trippeln" vor den Hürden zeigte er, dass er technisch noch sehr viel lernen muss. Bei seiner Fehlerquote war es fast ein Wunder, dass er mit 53,17 Sekunden nur um eine Zehntelsekunde langsamer war als der nächstschnellste Europäer.
Von den beiden 100-Meter-Siegern scheint die US-Amerikanerin Bianca Knight (23,37 sec im Halbfinale) größere Chancen als der farbige Brite Harry Aiknies-Aryeetey (21,09 sec wie der Kubaner Jörge Valcarel) zu haben, auch den 200-Meter-Lauf zu gewinnen.
Nur wenig Gold für Europa
Obwohl die Rumänin Bianca Perie im fünften Versuch (62,27 m) der vorher führenden Bulgarin Anna Bulkatowa (62,05 m) noch den Hammerwurfsieg entriss, ging das Waterloo der europäischen Wurftalente weiter. Im Diskuswurf siegte der Iraner Al Shakori mit der schon im ersten Versuch erzielten Weite (61,07 m) vor dem Kubaner Osmet Charlot (60,17 m) und im Kugelstoß der Mädchen, in dem die vierschrötige Simone du Toit (16,33 m) bereits den dritten Wurfsieg für Südafrika erzielte, kam die Britin Francis Eden mit 14,20 Metern als Fünfte als einzige Europäerin unter die ersten Sechs. Ohne Tageserfolg blieb Kenia, da der wie eine junge Kopie des Moskau-Doppelolympiasiegers Miruts Yfter ausschauende Abraham Cherkos Feleke (8:00,90 min) und Ibrahim Jellan Geishu (8:04,21 min) einen Doppelsieg für Äthiopien feierten.
Wie bunt die Welt in Marrakech sich darstellt, zeigt ein Blick auf die Medaillenbilanz: 28 Länder trugen sich dort bisher ein, darunter lediglich zehn aus "der Alten Welt". Abgesehen von Russland, dass vom Gewinn der beiden Geher-Wettbewerbe profitierte und auch dank der Mehrkämpferinnen drei Goldmedaillen vorzeigen kann, gibt es für Europa nur noch je einmal Gold für Großbritannien, Rumänien, Ungarn und Griechenland.
Sollte die Jugend der Welt von 2005 der Maßstab für die Zukunft in der Leichtathletik werden, dann droht Europa zu einem "Entwicklungs-Kontinent" zu werden. Und Deutschland, das gerne drittstärkste Leichtathletik-Nation wäre, steht vor dem Schlusstag auf der Medaillentabelle auf Platz 18 und in der Wertung der Finalränge auf Platz neun. Besserung ist am Sonntag kaum zu erwarten. Kein Wunder, dass die zweite Medaille am Samstag von der DLV-Mannschaft bejubelt wurde und es viele Umarmungen für die tapfere Diana Rach gab.