Svetlana Akulenko - Ukrainerin zwischen den Welten
Svetlana Akulenko ist gern in Deutschland. Es ist ihr Lieblingsland. "Ich war vor vier Jahren schon zum ersten Mal dort", erzählt sie, "aber nicht als Athletin, sondern, um Freunde zu besuchen. Das Land beeindruckt mich. Ich mag Deutschland, ehrlich!" Die 19-jährige Hochspringerin ist auch ein Fan von Tim Lobinger. Seit ihrem Start im vergangenen Juni bei der Bauhaus DLV-Junioren-Gala in Mannheim hat sie ein Autogramm von ihm auf ihrem Rucksack und ein Foto mit ihm gemeinsam zuhause in der Schublade.
Svetlana Akulenko freut sich auf ihre Starts in Dessau und Cottbus (Foto: Gantenberg)
"Ich verfolge seine Wettkämpfe schon ein paar Jahre lang", sagt die hübsche Svetlana Akulenko, die sich im letzten Jahr immerhin auf 1,92 Meter gesteigert hat und damit genauso hoch entflogen ist wie die Deutsche Meisterin Ariane Friedrich. "Ich mag es, wie er springt und er ist ein cooler Typ, sieht gut aus." Dabei könnten die Welten, in der beide leben, kaum unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite der junge, bescheidene "Sprungfloh" aus der Ukraine, der sich bald als solcher in der Szene einen Namen machen könnte, aber bislang noch ganz kleine Brötchen backen, um jede bezahlte Auslandsreise froh sein muss und von ihrer Managerin Ludmilla Olijar statt von einer Sportartikelfirma mit der nötigen Ausrüstung unterstützt wird.
Auf der anderen Seite der gestandene und auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Athen vom TV-Sender "Eurosport" verfolgte Höhenjäger aus Deutschland, in den letzten Jahren EM-Dritter, Hallen-Europameister und Hallen-Weltmeister geworden, der schon gerne mal verbal oder mit nackten Tatsachen aus der Rolle fällt. Sponsoren- und Ausrüsterverträge in beiden Taschen, bei den Meetings national wie international durchaus gern gesehener Gast. Ein Selbstläufer, wenn es um Schlagzeilen geht.
Dem Sport dankbar
Svetlana Akulenko, die Klavier spielt, Finanzwirtschaft studiert, um mal in einer Bank zu arbeiten, und zuvor drei Jahre lang fleißig an einer Schule Englisch und auch Deutsch gelernt hat, spricht gern über ihre große Begeisterung, den Sport. Sie ist aufgeschlossen und hat bereits in die große weite Leichtathletik-Welt hinaus geschnuppert.
"Ich bin dem Sport dankbar dafür, dass ich reisen und neue Länder kennenlernen kann. Ich bin gern im Ausland und mag es, wenn ich die Möglichkeit habe, Englisch zu sprechen. Vor vier Jahren war ich in Ungarn, 2002 in Paris und im letzten Sommer in Mannheim und in Grosseto", sagt sie und grübelt damit auch schon ein bisschen über die nicht gerade idealen Bedingungen in ihrer Heimat.
"Ich hab' kaum eine Möglichkeit gut zu trainieren", berichtet sie, "das einzige richtige Stadion mit westeuropäischem Standard ist in Kiew. Ich will mich nicht immer darüber beschweren, dass wir schlechtere Bedingungen haben als in Deutschland oder anderen westeuropäischen Ländern, aber es stimmt halt. Ich muss aber auch klarstellen, dass ich mich nicht bemitleide deshalb oder mit meinem Leben hadere."
Sie wohnt in Dnepropetrovsk, 400 Kilometer südlich von Kiew und weicht im Frühjahr und Herbst gerne auf die Halbinsel Krim aus, weil sich dort besseres Klima findet. "Dort gibt es auch eine gute Anlage. Wir tun alles, was wir können und wie man sieht, machen wir es gar nicht so schlecht."
"Lebe vom Enthusiasmus"
Auf die finanzielle Unterstützung, die sie bekommt, angesprochen, schweigt sie lieber. "Ich fürchte, dass sich Leute im Westen eher darüber lustig machen würden, wenn sie die Summe hören, die ich im Monat bekomme. Leute, die nie in der Ukraine waren, verstehen das nicht."
"Ich lebe vom Enthusiasmus", sagt die Fünfte der Junioren-WM vielmehr. Auch wenn sie aus einem Land kommt, in dem der Preis eines Handys das Monatsgehalt normaler Arbeiter und Angestellter bereits übersteigt, will sie den wirtschaftlichen Anreiz der Leichtathletik für sich noch nicht gelten lassen. Dafür ist sie noch zu jung, noch nicht gut genug. Die Meetings, bei denen sie Tim Lobinger wieder live erleben könnte, erscheinen manchmal noch weit weg. Umso mehr freut sie sich darüber, dass sie jetzt Einladungen zu den Springer-Meetings in Dessau und Cottbus bekommen hat und sich dort die Wege der beiden wieder kreuzen.
"Villi", wie sie von vielen Freunden genannt wird, ist mit der Leichtathletik groß geworden. Ihr Vater war ein Hürdensprinter und ist meistens bei ihren Wettkämpfen mit dabei. Ihre Schwester Yulia ist Siebenkämpferin, sie hat es im letzten Jahr sogar bis zu den Olympischen Spielen nach Athen geschafft.
Nur 1,71 Meter groß
Svetlana Akulenko, die am liebsten ganz alleine trainiert, hat mit dreizehn Jahren mit der Leichtathletik angefangen. Vorher versuchte sie es auch mit Turnen und Eiskunstlaufen. Über den Weitsprung (Bestleistung: 5,70 m) kam sie zum Hochsprung, auch wenn sie mit ihren nur 1,71 Metern Körpergröße nicht gerade wie eine gestandene Höhenjägerin aussieht. "Viele Leute sagen, ich sei zu klein. Aber mir ist das egal. Ich glaube an mich und meinen Trainer Vladimir Kravchenko (Anm. früherer Olympia-Teilnehmer im Dreisprung). Wir sind ein gutes Duo."
Iryna Mikhalchenko, die sie gut kennt, ist ihr als "Sprungfloh" ein großes Vorbild. Sie hat es mit 1,74 Metern Körpergröße über 2,01 Meter geschafft und ist in Athen Olympia-Fünfte geworden. Auch über Vita Styopina, die Olympia-Dritte, und all die anderen starken Hochspringerinnen aus der Ukraine spricht sie stolz: "Es hat sicher mit großem Talent, vielen Jahren an Training und dem echten Willen zu tun." Svetlana Akulenko kennt aber bereits die Schattenseiten, die sie wohl auch mal erwarten: "Man kann nicht immer an der Spitze sein. Als Sportlerin muss man auch durch harte Zeiten gehen, nur die Starken kommen weiter."
Und dorthin, wo die Starken hinkommen, will sie auch. Als "Sprungfloh" gut abspringen, um hoch hinauszufliegen. Gut abspringen, um reisen zu dürfen. Gut abspringen, um Englisch sprechen zu können. Gut abspringen, um mal wieder Tim Lobinger zu treffen. Gut abspringen, um - wie jetzt - wieder Deutschland sehen zu können. Und wenn sie mal soweit ist, dass sie über das Geld, das sie bekommt, auch ganz ohne Scham - so wie es eigentlich ihre Art ist - reden mag, dann hat es wohl geklappt mit dem Absprung der kleinen Ukrainerin, die sich so bald wie möglich von ihrem eigenen Geld einen Toyota kaufen will. Aber wirklich träumen tut sie von einem BMW, made in Germany. Im Geiste pendelt sie bereits zwischen den Welten...