Svetlana Shkolina springt aus dem Schatten
Hochspringerin Svetlana Shkolina ist in diesem Sommer dem Schatten der Olympiasiegerin Anna Chicherova entflogen. Bei der Heim-WM in Moskau feierte die blonde Russin mit dem Titel endlich ihren größten Erfolg. Doch nicht nur das: Sie blieb in der vergangenen Saison auch ungeschlagen und bestimmte das Geschehen in der Diamond League.
Diese Form war kein Zufall. Unter der Regie des Sydney-Olympiasiegers Sergey Klyugin, der sie seit drei Jahren trainiert, galt der Fokus von Anfang an dem Saisonhöhepunkt im heimischen Luschniki-Stadion.Nachdem es 2012 in London (Großbritannien) bereits zu Olympia-Bronze gereicht hatte, wollte das Erfolgsduo jetzt mehr. Nach ein paar Verletzungsproblemen fiel die Hallensaison für Svetlana Shkolina aus, doch der Vorbereitung auf den Sommer tat das keinen Abbruch.
Uneinig war sich die 1,87 Meter große Athletin mit dem Trainer nur, als es um die Saisongestaltung ging. Sie wollte in der Diamond League springen. Sergey Klyugin war dagegen, doch am Ende gab er nach. So stieg sein Schützling mit 1,98 Metern und einem Sieg in Rom (Italien) ein.
Ihre Zeit, ihr Ort
Es sollte der Anfang einer bemerkenswerten Erfolgsserie sein, die dann bei der WM ihren Höhepunkt fand. "Ich wusste, ich war bereit und in der Form, um Gold zu gewinnen", erinnerte sich Svetlana Shkolina. Der Trainer hatte ihr die richtige Parole mit auf den Weg gegeben: "Das ist deine Zeit, das ist dein Ort."
Mit ihren Eltern und ihrem Freund unter den Zuschauern auf der Tribüne kämpfte sie gegen ihre große Nervosität an. Ein Fehlversuch über 1,93 Meter, der sich nur als Schönheitsfehler herausstellte, nahm ihr dann erstaunlicherweise ein Stück weit die Aufregung. 1,97, 2,00 und 2,03 Meter meisterte sie, angetrieben vom Publikum, nervenstark im ersten Versuch. Das war der WM-Titel.
Am nächsten Tag, an dem die Siegerehrung stattfand, sollte Svetlana Shkolina dann ihre neue Popularität gleich zu spüren bekommen. Eineinhalb Stunden brauchte sie vom Parkplatz zum Stadion, weil die Leute alle ihr Autogramm wollten: "So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich freute mich für mich, aber auch darüber, dass die Leichtathletik in Russland so populär geworden ist."
Emotionen gepaart mit Bescheidenheit
Dabei ist die 27-Jährige keine, die die große Show, wie sie etwa Stabhochspringerin Yelena Isinbayeva zeigt, liebt. "Ich zeige meine Emotionen auf bescheidene Weise", sagte sie selbst über sich, "so bin ich einfach. Es ist auch nicht so, dass ich das unterdrücke."
Gemeinsam mit Olympiasiegerin Anna Chicherova, die in Moskau Dritte geworden war, hat sie dem Frauen-Hochsprung in den letzten beiden Jahren den Stempel aufgedrückt. Die beiden sind keine Freundinnen, respektieren sich aber.
Respekt für Anna Chicherova
"Wir haben eine normale, aber professionelle Beziehung zueinander", sagte Svetlana Shkolina über ihre stärkste Gegnerin im eigenen Land, "ich kenne sie seit fünf Jahren. Und ich schätze, wie sie nach ihrer Babypause zurückgekommen ist. Dafür würde ich ihr eine Medaille geben."
Wer von den beiden 2014 den Ton angibt - oder ob eine andere internationale Springerin ins Rampenlicht fliegt, ist eine spannende Frage. Svetlana Shkolina plant jedenfalls den Verzicht auf die Hallensaison, um sich dann auf den EM-Sommer zu konzentrieren. "Nach so einem erfolgreichen Jahr habe ich mich leer gefühlt. Ich glaube auch, dass die neue Saison etwas ruhiger ablaufen wird."
Mit neun Jahren zur Leichtathletik
Sie gehört übrigens nicht zu den Athletinnen, denen das Talent in die Wiege gelegt wurde. Ihr Vater ist Fahrer, ihre Mutter Köchin. Beide leben immer noch in ihrer Heimatstadt Yartsevo. Obwohl auch ihr älterer Bruder keinen Bezug zum Sport hatte, fand sie schon mit neun Jahren zur Leichtathletik, als sie einem Lehrer mit ihrer Größe aufgefallen war.
Sie probierte verschiedene Disziplinen aus, zeigte auch im Weitsprung ihr Talent. An eine große Karriere glaubte sie aber nicht. "Ich bin nur aus Spaß zum Training gegangen. Es hätte auch nichts anderes gegeben, was ich nach der Schule hätte machen können."
Wendepunkt Sherbrooke
2003 wendete sich das Blatt. Svetlana Shkolina wurde plötzlich russische Jugendmeisterin und deshalb für die U18-WM nominiert. In Sherbrooke (Kanada) holte sie dann Silber und der erste Schritt hin zur internationalen Laufbahn war gemacht.
Es sollten viele weitere folgen. Doch bei den Frauen schrammte sie immer wieder an einer internationalen Medaille und damit dem großen Durchbruch vorbei. 2010 stieg sie zur Zwei-Meter-Springerin auf, im selben Jahr wechselte sie noch in die Trainingsgruppe von Sergey Klyugin.
Diese Veränderung zahlte sich 2012 und 2013 mit Olympia-Bronze und dem Sprung zu WM-Gold aus. Das Ergebnis: Svetlana Shkolina ist als Weltmeisterin und Diamond Trophy-Gewinnerin zur herausragenden Hochspringerin des vergangenen Jahres aufgestiegen.