Tamsyn Lewis wie in einem Traum
Die Australierin Tamsyn Lewis sorgte am Sonntag bei der Hallen-WM in Valencia (Spanien) für eine faustdicke Überraschung. Die Blondine blickte nach der Überquerung der Ziellinie mit weit aufgerissenen Augen auf die Leinwand im Palau Lluis Puig – hatte sie tatsächlich gerade über 800 Meter die große Maria Mutola (Mozambique) bezwungen? Ja, das hatte sie.

Der Titel ist der erste große internationale Erfolg der 29-Jährigen, die im Anschluss an das Rennen ihr Glück kaum fassen konnte. „Ich habe die Ziellinie überquert und gedacht, das muss ein Traum sein. Ich bin absolut geschockt.“
Die frischgebackene Hallen-Weltmeisterin hatte für die Ehrenrunde nicht einmal eine australische Fahne. „Ich habe meinen Teammanager angeschaut und wusste nicht, was ich machen soll. Eigentlich wollte ich nur runter von der Bahn - es war mir fast peinlich.“
Für Maria Mutola, die bei ihrem neunten Auftritt bei Hallen-Weltmeisterschaften erst ihre zweite Niederlage hinnehmen musste, fand die Australierin nach dem Wettbewerb nur Worte der Bewunderung: „Sie ist die beeindruckendste Sportlerin, gegen die ich je gelaufen bin. Es ist eine große Ehre für mich, sie jetzt besiegt zu haben.“ An die Möglichkeit eines Sieges habe sie nie geglaubt: „Mein Coach hat mir gesagt, dass ich es schaffen kann, aber ich selbst habe auf eine Bronzemedaille gehofft.“
Athletin, die für Schlagzeilen sorgte
Das Talent wurde Tamsyn Lewis bereits in die Wiege gelegt: Vater Greg erreichte 1968 das 200 Meter-Halbfinale bei den Olympischen Spielen in Mexiko, Mutter Carolyn war mehrfache australische Meisterin im Hochsprung. Schon im Jugendalter machte Tamsyn Lewis mit nationalen Titeln über 100, 200 und 400 Meter auf sich aufmerksam. 1994 war sie im Alter von 16 Jahren die jüngste australische Teilnehmerin bei den Commonwealth Games.
Trotz des Gewinns von insgesamt 13 australischen Titeln über 400 und 800 Meter sowie drei Staffel-Goldmedaillen bei Commonwealth Games gelang der Läuferin nie ganz der internationale Durchbruch. 2004 machte sie zunächst mit Bikinifotos Schlagzeilen, später verpasste sie bei den Olympischen Spielen in Athen (Griechenland) knapp den Einzug ins Finale und lieferte ihren Kritikern damit weiteren Gesprächsstoff. Auch eine verbale Auseinandersetzung mit Landsfrau Jana Pittman sorgte zeitweise für mehr Medieninteresse als ihre sportliche Leistung.
Trainiert vom Bruder, beraten von Sebastian Coe
Seit den Weltmeisterschaften in Edmonton (Kanada) 2001 hat Tamsyn Lewis in dem Briten Sebastian Coe einen prominenten Berater, bei dem sie auch wohnt, wenn sie in Europa unterwegs ist. „Ich habe ihn damals einfach nach seinem Rat gefragt. Warum sollte ich nicht? Er ist Sebastian Coe! Ich kann ihn immer anrufen, er ist wahnsinnig freundlich und hilfsbereit.“
In Melbourne wird sie seit einigen Jahren von ihrem Bruder Justin trainiert. „Ich kann es nicht erwarten, ihn anzurufen. Zu Hause ist es jetzt drei Uhr morgens, sicher schlafen alle noch. Aber ich werde sie einfach aufwecken“, meinte sie unmittelbar nach ihrem Streich in Spanien. Bei den guten Neuigkeiten, die sie verbreiten wollte, hat ihr das sicher niemand übel genommen.