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Tatjana Pinto behutsam auf dem Weg nach oben

Die Deutschen Meisterschaften in Ulm haben eine Reihe von Titelträgern hervorgebracht, die noch nie zuvor in der Aktivenklasse ganz oben auf dem Treppchen nationaler Meisterschaften gestanden haben. Wir stellen neue Gesichter, Aufsteiger und alte Bekannte vor. Heute: Tatjana Pinto (LG Brillux Münster).
Jan-Henner Reitze

Tatjana Pinto
LG Brillux Münster

*02. Juli 1992
Größe: 1,70 Meter
Gewicht: 56 kg

100 Meter
Bestleistung: 11,19 sec (2012)
8. EM 2012
6. U20-WM 2010
Bronze U23-EM 2013
Bronze U20-EM 2011
Deutsche Meisterin 2014

Staffel:
Olympia-Fünfte 2012
WM-Vierte 2013
Europameisterin 2012
U23-Europameisterin 2013
U20-Europameisterin 2011
U20-Vizeweltmeisterin 2010

Im zarten Alter von 22 Jahren ist die Liste der Erfolge von Tatjana Pinto schon lang. Seit 2010 war sie immer bei mindestens einer internationalen Meisterschaft dabei, hat dabei über 100 Meter bei europäischen Nachwuchsmeisterschaften schon zweimal Bronze gewonnen und mit der Staffel bei Europameisterschaften von der U20 über die U23 bis hin zu den Aktiven sogar schon jeweils einmal den Titel.

Im Vergleich mit anderen DLV-Sprint-Talenten, die häufig mit Verletzungen zu kämpfen haben, fällt diese Konstanz bei Tatjana Pinto besonders auf. Was ist ihr Erfolgsgeheimnis? Von langwierigeren Verletzungen ist die Dritte der U23-EM bisher verschont geblieben und konnte sich auch deshalb kontinuierlich steigern. "Ich versuche, auf meinen Körper zu hören, die Signale rechtzeitig zu erkennen und zu reagieren. Zudem habe ich seit Jahren eine sehr gute medizinische Betreuung", erzählt Tatjana Pinto, die auf ihren Arzt Carsten Radas und die Physiotherapeuten Peter Müller und Christian Schmitter verweist.

In diesem Sommer gelang mit dem ersten deutschen Meistertitel bei den "Großen" der nächste Schritt der Karriere - obwohl es sicherlich verfrüht wäre, eine nationale Wachablösung im Sprint der Frauen zu wittern. Verena Sailer (MTG Mannheim) hat im Gesamtbild noch einen kleinen Vorsprung auf Tatjana Pinto. Fällt der Startschuss in einem einzelnen Rennen, ist das aber nur einer von mehreren Einflussfaktoren. Zuerst im Ziel ist derjenige, der in den folgenden elf Sekunden alle Faktoren am besten auf die Bahn bringt. Obwohl auch sie kein perfektes Rennen ablieferte, war das an diesem Sommertag in Ulm Tatjana Pinto (11,20 sec), die Verena Sailer um drei Hundertstel hinter sich ließ.

EM nicht nach Plan

Leider kein perfektes Rennen erwischte Tatjana Pinto auch im Halbfinale der EM - so fehlten gut zwei Zehntel zum Endlauf. Die Athletin der LG Brillux Münster fiel wieder zu sehr nach vorne - und damit in ihr altes Laufmuster zurück. Hüfte strecken und groß bleiben. Das ist die eigentliche Vorgabe, an der im Training gearbeitet wird. "Wir versuchen durch verschiedene koordinative Übungen möglichst vor dem Körper zu arbeiten", berichtet die Sprinterin.

Das körperliche Training ist aber eben auch nur ein Faktor der angesprochenen vielen Faktoren, mit dem sich ein erfolgreiches Rennen begünstigen lässt. Dies dann in den entscheidenden Rennen wie dem DM-Finale oder EM-Halbfinale auch umzusetzen, ist die hohe Kunst des Sprints. Und genau das ist es auch, was Tatjana Pinto erreichen möchte und sie antreibt - die beste Leistung beim Saisonhöhepunkt abrufen. Diesem eigenen Anspruch ist die Studentin in diesem Jahr nicht ganz gerecht geworden. Ein Grund für sie, weiter an sich zu arbeiten.

Das macht Tatjana Pinto, die erst mit 14 mit der Leichtathletik angefangen und vorher Ballett, Schwimmen und Volleyball ausprobiert hatte, seit diesem Sommer unter der Anleitung von Thomas Prange, der in Paderborn unter anderem auch Inna Weit (LC Paderborn) betreut. Der Trainerwechsel kurz vor Beginn der Saison brachte nicht nur ein wenig Unruhe ins Sportlerleben, sondern auch neue Übungen und Trainingsmethoden, die im anstehenden Wintertraining vermehrt zum Einsatz kommen sollen. Wegen der Umstellungen wird die Hallensaison ausfallen, um einen langfristigen und behutsamen Aufbau zu ermöglichen. Wie schon im Sommer wird Tatjana Pinto regelmäßig zum Training nach Paderborn fahren, ihren Wohnsitz aber in Münster behalten, wo sie auch studiert.

Rückschlag in EM-Staffel verdaut

Die EM brachte leider noch einen Moment mit sich, der alles andere als perfekt verlief. Im Staffelvorlauf klappte die Übergabe von Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge) auf Tatjana Pinto nicht und der Traum von der Titelverteidigung war geplatzt, die Enttäuschung groß. "Nachdem Wettkampf gab es ein Gespräch mit unserem Bundestrainer Ronald Stein. Er hat uns gut aufgefangen", erinnert sich Tatjana Pinto, die genau weiß, welches Hochgefühl eine Staffel mit sich bringen kann. Diesmal musste sie lernen, dass auch Rückschläge zum Staffellauf gehören. Der Faktor Erfahrung ist in der zurückliegenden Saison auf alle Fälle gewachsen und der Blick geht nach vorn.

Das gilt auch für die Einzelstrecke. Wenn Tatjana Pinto von ihren Zielen spricht, kann man das als Fingerzeig auf Erfolgsrezepte deuten - das auf kontinuierlicher Entwicklung und wenigen Verletzungen basiert. Nicht die WM in Peking (China) erklärt sie zum Ziel, obwohl diese Meisterschaft die logische Fortschreibung der sportlichen Biographie wäre. Sie sagt: "Mein Ziel für 2015: Gesund bleiben, an diesjährige Leistungen anknüpfen und mich weiter steigern."

Das sagt Bundestrainer Ronald Stein:

Bei den Juniorenmeisterschaften und den Deutschen Meisterschaften in Ulm hat Tatjana mit zwei deutschen Meistertiteln eine gute Vorstellung abgeliefert. Bei der EM in Zürich war sie leicht angeschlagen, so dass sie ihr Niveau von den Deutschen nicht zeigen konnte. Tatjana hat hohes Potential, um noch wesentlich schneller laufen zu können. Ich erwarte von ihr auf dem Weg nach Rio eine deutliche Leistungssteigerung. Reserven sind noch in der Start- und Beschleunigungsphase sowie in der speziellen Sprintkraft vorhanden. Diese Reserven auszuschöpfen, daran wird sie in der kommenden Saison mit ihrem Heimtrainer Thomas Prange verstärkt arbeiten.

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