Tatort-Dreh – Logistischer Wahnwitz
"Das ist logistischer Wahnwitz, was wir hier treiben", fasste Regisseur Edward Berger das Unternehmen "Tatort-Dreh beim Frankfurt-Marathon" zusammen. Im Rahmen des Marathons wurden einzelne Szenen für den neuen Frankfurter Tatort gedreht – für jede Einstellung blieb dabei nur eine einzige Chance zum Dreh. Eine Wiederholung ausgeschlossen.
Die erste Klappe zum neuen Frankfurter Tatort fiel am Sonntag (Foto: Herrlitz)
Der Frankfurter Tatort "Das große Rennen" wird im nächsten Jahr am 29. Oktober, dann wenn der älteste deutsche Stadtmarathon in der Börsenmetropole sein 25-jähriges Jubiläum feiert, ausgestrahlt. Genau ein Jahr zuvor, am 30. Oktober 2005 wurden die ersten Sequenzen gedreht. Neun Kamerateams waren an der Strecke postiert. Da der Ablauf des Marathons nicht gestört werden durfte, die Schauspieler also nicht gegen den Läuferstrom zurücklaufen und eine Szene erneut drehen konnten, stand fest: Es besteht nur eine Möglichkeit, den laufenden Kommissar und seine Gruppe abzubilden. Ein gewagtes Unterfangen.
Tod beim Frankfurt-Marathon
In ihrem achten Fall werden die Frankfurter Kommissare nicht nur kriminalistisch, sondern auch sportlich gefordert. Kommissar Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf) nimmt am Frankfurt-Marathon mit dem Ziel, unter vier Stunden zu laufen, teil. In der Nacht vor dem Großereignis wird er darüber informiert, dass der Schwerverbrecher Petar Gricic, den er einst ins Gefängnis brachte und welcher daraufhin Rache schwor, aus dem Gefängnis entkommen ist.
Trotz der Warnungen seiner Kollegen steht Fritz Dellwo am nächsten Morgen am Start, wo auch gleich ein junger Schwede, der in seiner Nähe startete, erschossen wird. Die Kugel galt dem Läufer mit der Startnummer 1.892: Fritz Dellwo, eine fieberhafte Suche nach dem Schwerverbrecher beginnt, während gleichzeitig versucht wird, den Kommissar aus dem Rennen zu nehmen. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt…
Idee abgekauft
Die Idee für diesen Tatort besteht schon lange. Ursprünglich wollte der Süd-West-Rundfunk (SWR) das Projekt beim Mainz-Marathon realisieren, was allerdings nie geschah. Der Hessische Rundfunk (HR) kaufte das Exposé ab und arbeitete an einem Drehbuch, obwohl schon da viele von der Idee abraten. Zu groß sei der Aufwand und auch die Gefahr, dass etwas schief gehen könnte.
Angst, dass etwas nicht klappen könnte, hat wohl jeder an dem Projekt Beteiligte. "Wenn es nicht klappt, muss der Autor das Buch umschreiben", sagte Regisseur Edward Berger bei einem Pressetermin am Freitag schmunzelnd. Am Rennsonntag wurden vor allem Totalszenen mit dem großen Läuferfeld gedreht. Während normalerweise an einem Drehtag etwa drei Minuten eines Filmes gefilmt werden, waren am Sonntag ungefähr 20 Minuten fertiges Material "im Kasten".
"Die Schwierigkeit besteht nun darin", so Produktionsleiter Arno Maass, "dass wir nicht wie sonst die Realität nachstellen, sondern das Live-Event das Gerüst vorgibt, in das wir die Dreharbeiten einklinken." Gewollt sei ein "dokumentarischer Look", der den Anschein von "Reality-Fernsehen" gebe.
Gutes Wetter ist Problem
Einstellungen, die näher an den handelnden Personen dran sind, werden an mehreren Drehtagen bis zum 9. Dezember nachgedreht. Dafür wurden über 500, manche sprechen gar von 1.000, Komparsen gesucht. Die gesamte Handlung, außer einem kleinen Prolog, spielt komplett während dem Lauf. Ein Problem könnte das Wetter sein. "Wir befürchten, dass das Wetter am Rennsonntag zu gut ist. Wenn da die Sonne scheint und an den anderen Drehtagen nicht, dann wird der Film unglaubwürdig", sagte Edward Berger.
Ein spannendes Unternehmen war der Dreh sicherlich auch für Schauspieler Jörg Schüttauf. Dieser lief nicht den ganzen Marathon mit, sondern wurde mit seiner Gruppe von einem Guide zu Fuß jeweils zum nächsten Drehort gebracht. "Ich bin gespannt, ob das alles klappt. Da kann ja so viel passieren. Eine Kamera funktioniert nicht, wir haben Nebel oder eine Stromausfall in ganz Frankfurt", witzelte er am Freitag vor dem Dreh.
Angst vor dem Hungerast
Froh ist er hingegen, dass er insgesamt nur etwa einen bis drei Kilometer der Strecke mitlaufen musste. "Ich laufe zwar schon ab und zu, aber privat würde ich einen ganzen Marathon nie durchstehen. Vor langer Zeit bin ich mal zehn Kilometer gelaufen und jetzt vor ein paar Jahren noch einmal fünf. Mehr nicht." Entsprechend war auch seine Vorbereitung. "Ich habe vor eine halben Jahr angefangen zu essen, weil ich unheimlich große Angst vor einem Hungerast habe!"
Aber auch er sagt, dass dies etwas ganz anderes als ein normaler Tatort-Dreh ist. "Ich bin viel aufgeregter als sonst und versuche die ganze Zeit schon, mir Ruhe einzureden", berichtete er. Dabei hat er diesmal bedeutend weniger Textstellen, die kommen eher seiner ermittelnden Kollegin Andrea Sawatzki alias Kommissarin Charlotte Sänger zu.
Preview auf der Nudelparty?
"Das ist das Tolle! Einmal nicht Hände hoch - wo waren Sie denn am Donnerstag?', sondern einfach nur rennen", beschrieb Jörg Schüttauf seine Aufgaben. "Die Leute dürfen sich freuen, dieses Mal ermittelt nur Andrea Sawatzki, ich renne immer nur durchs Bild. Also sind alle Voraussetzungen für einen guten Tatort gegeben!", beweist er Humor.
Gesendet wird er Tatort am 29. Oktober 2006, doch ein erlesenes Feld wird ihn eventuell schon früher sehen. "Vielleicht gibt es im nächsten Jahr bei der Nudelparty am Samstagabend eine Preview, aber das ist bisher nur eine Idee", sagte Edward Berger. Aber nur wenn das "Unternehmen Wahnwitz" ein Erfolg war!