Tatyana Lebedeva - „Vorbild Heike Drechsler“
Tatyana Lebedeva, Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Weitsprung sowie Europameisterin im Dreisprung, will nach einer Achillessehnen-Operation zurück in die absolute Weltspitze. In der letzten Woche hatte sich die Sprungkönigin das Anhalt-Meeting in Dessau für ihr Saisondebüt im Dreisprung ausgesucht. leichtathletik.de konnte sich exklusiv mit der aufgeschlossenen Russin ausführlich unterhalten.
Tatyana Lebedeva, mit 14,59 Metern haben Sie sich am letzten Freitag in Dessau noch mit Steigerungspotenzial präsentiert. Wie zufrieden waren Sie dennoch mit dem Wettkampf?Tatyana Lebedeva:
Ich kann nicht sagen, dass ich unzufrieden war. Trotzdem habe ich gehofft, dass ich weiter springen kann. Das war mein erster Dreisprung-Start nach der Achillessehnen-Operation im Winter. Für Dessau hatte ich mir drei Ziele gesetzt. Das erste Ziel war den Meetingrekord zu schlagen, das zweite eine gute Saisonbestleistung zu springen und das dritte die 15 Meter. Leider konnte ich nur zwei Ziele erreichen.
Was hat zu den 15 Metern gefehlt?
Tatyana Lebedeva:
Es hat nicht geklappt, obwohl die Zuschauer mich sehr anfeuerten und motivierten. Mein großer Wunsch war eigentlich, mehr für die Zuschauer die 15 Meter zu springen, als für mich selbst. Es waren sehr gute Bedingungen, das Wetter, die Sprunganlage. Nächstes Jahr möchte ich unbedingt wieder zurückkommen und meinen aufgestellten Meetingrekord auch selbst knacken. Und noch eins: im nächsten Jahr ist ja die Weltmeisterschaft in Berlin, da brauche ich doch die Zuschauer an meiner Seite.
Es scheint, dass Ihnen die Zuschauer und das auch in Deutschland besonders wichtig sind…
Tatyana Lebedeva:
Ich wollte schon immer vor allem für die Zuschauer springen. Sie kommen, damit gewinnt die Leichtathletik an Popularität. Ich weiß, dass die Leichtathletik in Deutschland früher sehr entwickelt war. Ich würde mir wünschen, dass es ihr gelingt, den verlorenen Stellenwert wieder herzustellen. Nicht nur in den Wurfdisziplinen, sondern auch im Lauf und in den technischen Wettkämpfen sowohl im Weitsprung als auch im Dreisprung. Mein Wunsch wäre, dass die Leichtathletik nicht nur in der Welt, sondern auch in Europa an Beliebtheit gewinnt und besonders in Deutschland wieder ihr hohes Niveau erreicht.
Warum sind Sie ausgerechnet in Dessau im Dreisprung gestartet?
Tatyana Lebedeva:
Ehrlich gesagt, für den Dreisprung war ich nicht so vorbereitet. Ich wollte die Saison mit Weitsprung-Wettkämpfen beginnen. Aber die Veranstalter in Dessau wollten mich im Dreisprung sehen, obwohl mein Manager auch mitteilte, ich springe erst mit einem kurzen Anlauf aus acht Schritten ab, ich habe noch nicht die Sicherheit, um zu starten. Dazu sagten die Veranstalter, ich solle mir keine Sorgen machen, im Stadion werde ich explodieren und es werde schon alles klappen. Ich wollte weit springen, die Zuschauer feuerten mich an, leider fehlt mir die Stabilität in der Technik. Der Wunsch war am Ende größer als das Ergebnis.
Wussten Sie eigentlich, wo Dessau liegt?
Tatyana Lebedeva:
Ja, ja. Ich habe mir vorher die Landkarte ganz genau angeschaut. Ich schaue mir vor jeder Reise die Karte an. Wir sind in Dessau angekommen, da dachte ich mir, Häuser wie aus der sowjetischen Zeit, das sei bestimmt die ehemalige DDR. Ich habe dann einfach jemanden gefragt, ob es wohl so sei. Überhaupt in Deutschland habe ich für mich immer wieder neue Städte entdeckt. In Dessau war ich noch nicht. Jetzt kann ich ein Fähnchen aufstellen, als Zeichen, dass ich wieder eine neue Stadt entdeckt habe.
Welche Erkenntnisse konnten Sie nun für die nächsten Wochen gewinnen?
Tatyana Lebedeva:
Jetzt bin ich einfach froh, wieder gesund zu sein und wieder springen zu können. Da ich ja die ganze Wintersaison pausieren musste, habe ich vieles an meiner bisherigen Sicherheit verloren. Ich weiß jetzt, ich musste einiges einbüßen, der Absprung stimmt noch nicht. Für mich heißt es, mehr Wettkämpfe zu machen. Ich brauche wieder das Gefühl, den Rhythmus, den Anlauf und das alles fehlt mir noch. Ich werde weiter viel starten. Das Wichtigste dabei ist, ich kann schmerzlos springen.
Wie schwer ist Ihnen die Pause nach der Verletzung und der Operation gefallen?
Tatyana Lebedeva:
Es war mehr mental schwierig. Ich wollte einfach mehr trainieren. Aber der Arzt meinte, ich soll doch noch warten. Jetzt aber habe ich keine Probleme mit der Achillessehne, die mir doch zwei Jahre Sorgen machte, mehr. Ich bin dem Schicksal dankbar, dass ich die Möglichkeit habe zu springen und hoffe, dass es bis Olympia noch besser wird. Ich bin da guter Dinge, die Saison hat erst begonnen und ich hoffe, es wird schon zu einem guten Ergebnis kommen.
Vor Dessau hatten sie bereits zwei Weitsprung-Starts auf ebenfalls kleiner Bühne. Verstecken Sie sich noch ein wenig?
Tatyana Lebedeva:
Nein, es liegt nur daran, dass der Veranstaltungskalender kaum Wettkämpfe im Rahmen der Golden League oder des Grand Prix’ vorsieht. Da ich aber an den Start gehen möchte, nehme ich, was mir vorgeschlagen wird. Klar möchte ich lieber ein größeres Meeting bestreiten: mehr Adrenalin, mehr Emotionen, dementsprechend bessere Ergebnisse. Vielleicht hat es einen Vorteil für mich. Das Ziel ist für mich Olympia. Bis dahin kann ich in aller Ruhe und verletzungsfrei meine beste Form erreichen. Dadurch sind die kleineren Meetings vielleicht auch gar nicht so schlecht. Ich kann mich schonen, ich bin doch keine Zwanzig mehr. Nach Olympia werde ich noch die Möglichkeit bekommen, auch größere Events zu bestreiten, wie zum Beispiel das Weltfinale in Stuttgart.
Wie steht es nach den russischen Richtlinien um Ihre Olympia-Qualifikationen? Haben Sie einen Bonus?
Tatyana Lebedeva:
Für den Weitsprung wurde ich bereits gesetzt. Alle russischen Weltmeister aus dem letzten Jahr brauchen sich nicht mehr qualifizieren. Aber die Qualifikation für den Dreisprung zu schaffen, steht bei mir noch an. Die Ausscheidung wird bei den Russischen Meisterschaften im Juli sein. Ich denke, dass ich keine großen Schwierigkeiten haben werde, zumindest Dritte müsste ich werden. Es gibt zurzeit drei oder vier Athletinnen, die die Qualifikation für sich beanspruchen wollen. Irgendwie raffe ich mich schon zusammen und bis dahin kann ich noch Erfahrungen sammeln, um an meine alte Form zu kommen.
Liegt Ihr Schwerpunkt in der Zukunft auf dem Weitsprung oder Dreisprung? Stimmt es, dass Sie zu den 100 Metern wechseln möchten?
Tatyana Lebedeva:
Es wird davon abhängen, welche Wettkämpfe in den jeweiligen Meetings zu bestreiten sind. Ich schließe nicht aus, dass ich sowohl im Dreisprung als auch im Weitsprung starten werde. Die 100 Meter möchte ich auch mal probieren, aber mein Trainer erlaubt es mir nicht. Er meinte, nach Olympia kann ich laufen, was ich will. Ich möchte schon gerne die Laufbahn ausprobieren. Wenn es im Dreisprung nicht mehr so gut läuft, werde ich zum Weitsprung und Sprint wechseln. Jetzt gilt die Vorbereitung nur für die beiden Sprung-Disziplinen.
Sie sind jetzt 31 Jahre alt. Wie lange wollen Sie noch weitermachen?
Tatyana Lebedeva:
In der nahen Zukunft habe ich nicht vor, meine Karriere zu beenden. Ich möchte noch 2012 in London springen und wie Heike Drechsler mit 36 Jahren Olympiasiegerin werden. Sie ist ein großes Vorbild für mich, also warum nicht? Ich bin mir sicher, es ist zu schaffen, auch wenn der Dreisprung dann wahrscheinlich für mich nicht mehr in Frage kommt. Aufgeben gibt es bei mir nicht. Ich schaue einfach nur nach vorne. Ich kann aber jetzt nichts vorausplanen, es wird sich mit der Zeit ergeben.