Tegla Loroupe will mit 30 wieder Gas geben
Tegla Loroupe, Ende der 90-er Jahre noch die weltweit erfolgreichste Straßenläuferin, hat sich die letzten Monate bei Wettkämpfen rar gemacht und auch keinen Frühjahrsmarathon bestritten. Obwohl sie mittlerweile viele andere Verpflichtungen übernommen hat, unter anderem Botschafterin verschiedener Hilfsorganisationen sowie des Welt-Cricket-Verbandes ist und als ehemalige Frankfurter Olympiabotschafterin nun auch die Bewerbung Leipzig 2012 unterstützen möchte, trainiert die "deutsche Kenianerin" derzeit wieder so hart wie zu ihren Glanzzeiten.
Tegla Loroupe arbeitet an ihrer Leistungsfähigkeit (Foto: Chai)
Die starken Rückenprobleme, die Tegla Loroupe 2001 und 2002 immer wieder sportlich zurück warfen, scheinen überwunden. "Ich trainiere schmerzfrei, will es meinen Kritikern noch einmal zeigen", sagt die sechsfache Weltmeisterin und siebenfache Weltrekordlerin, die am 10. Mai ihren 30. Geburtstag feiert. Pech hatte sie, dass sie sich kurz vor ihrem ersten ernsten Test für 2003, dem Lissabon-Halbmarathon, nach einem mehrwöchigen Trainingscamp an der Algarve Fieber einfing und statt des angepeilten zweiten Platzes hinter 10.000-Meter-Weltmeisterin Derartu Tulu (Äthiopien) körperlich geschwächt nur den sechsten Platz erreichte. Aber die großen Ziele für Tegla Loroupe sind andere. "Ich würde gerne im November nach meinem 10.000-Meter-Start bei der WM in Paris noch einmal den New York-Marathon gewinnen und dann 2004 Olympiasiegerin über die 42,195 Kilometer werden", berichtet sie. Gold bei den Spielen ist der einzige große Titel, der der vierfachen Weltstraßenläuferin noch in ihrer großen Sammlung fehlt, nachdem sie als große Favoritin in Sydney durch eine am Abend vor dem Start in einem China-Restaurant zugezogene Lebensmittelvergiftung scheiterte.
Erfahrung der Schlüssel in Athen?
"Natürlich ist mir klar, dass für Athen derzeit alle auf Paula Radcliffe setzen, und dahinter mit weitem Abstand auf Catherine Ndereba und Naoko Takahahshi", urteilt Tegla Loroupe realistisch: "Aber der Kurs dort ist so schwer, dass man mit Sicherheit keine 2:15 läuft und es viel auf Erfahrung ankommen wird. Es ist mir völlig egal, wer für die Fachleute als Favoritin in dieses Rennen geht. Mir ist nur wichtig, wer am Ende als Erster die Ziellinie überquert. Und ich denke, Gott wird mir die Kraft dafür schenken".
Die tiefgläubige Christin hat es bei ihren großen Plänen auch nicht psychisch aus der Bahn geworfen, dass Paula Radcliffe ausgerechnet mit ihren kenianischen Pacemakern Simon Lopuyet und Christopher Kandie kürzlich in London die neue Fabelweltbestzeit aufstellte.
"Den Weltrekord, den hatte ich schon, große Titel sind mir wichtiger. Irgendwann wird auch eine kommen und Paulas Zeit brechen, so wie ich es mit Ingrid Kristiansens Zeit gemacht hatte, die viele Jahre auch als nicht unterbietbar galt", glaubt Tegla Loroupe.
Schwere Zeiten zu überstehen
Sie, die auf Grund ihrer Schmerzen die letzten zwei Jahre auch mental schwere Zeiten zu überstehen hatte und mehrmals kurz davor stand, die Laufschuhe ganz an den Nagel zu hängen, ist spätestens seit Joyce Chepchumbas New York-Sieg 2002 wieder heiß auf ein Comeback.
"Wir waren im Training davor gleich stark. Wenn sie es noch kann, kann ich es auch", sagt Tegla Loroupe. Sportlich gehen die beiden ehemals besten Freundinnen, die sich nicht nur seit Jahren mit Volker Wagner den selben deutschen Betreuer, sondern auch in Detmold das Zimmer teilten, allerdings seit letztem Herbst getrennte Wege.
Die privaten Spannungen der beiden Marathon-Stars waren auch einer der Hauptgründe, warum Tegla Loroupe ihren deutschen Wohnsitz im Oktober nach Elz/Hessen verlegte. Dort wohnt Teglas Sprecher Robin Klöppel, Ex-Freund von Joyce Chepchumba.
Ärger mit dem Finanzamt Detmold
"Der zweite Grund war, dass sie durch den Ärger mit dem Finanzamt Detmold genervt Deutschland schon komplett den Rücken in Richtung Davos in der Schweiz kehren wollte, aber dann durch ihre sozialpolitische Kooperation mit dem Land Hessen gesehen hat, dass es in Deutschland doch viele Menschen gibt, die sie als willkommenen Freund und nicht als unerwünschte Ausländerin sehen", meint Robin Klöppel, der alleine schon aus sportlicher Sicht auch auf eine schnelle Versöhnung zwischen den beiden Läuferinnen hofft, "auch wenn sie privat zwei Charaktere sind, die außer ihrer Herkunft und ihrer professionellen Trainingseinstellung eigentlich nichts gemeinsam haben".
Obwohl die aktuelle räumliche Veränderung laut ihm "für die hochsensible Sportlerin Tegla Loroupe, die Schwierigkeiten hat, bei persönlichen Problemen ihr komplettes Leistungsvermögen abzurufen", richtig war, um wieder mit freiem Kopf laufen zu können, wird die Kenianerin ("Er ist nicht nur mein Manager, er ist ein väterlicher Freund, dem ich in meinem Leben sehr viel zu verdanken habe") natürlich bis zu ihrem Karriereende bei ihrem Entdecker Volker Wagner unter Vertrag bleiben, der sie bis Athen behutsam aufbauen will und darum auch nicht für London meldete.
Zusätzlich Mentalübungen
Tegla Loroupe hat auch vor, die kommenden Monate zusätzlich zum altbewährten Lauf- und Krafttraining mit Mentalübungen sowie Gesundheits- und Ernährungsberatung für den Erfolg auch völlig neue Wege zu gehen. "Teglas Körper ist nicht ausgebrannt. Sie kann wieder dahin kommen, wo sie einmal war", glaubt Silvester Neidhardt, österreichischer Mental-Trainer und Ernährungsberater, der unter anderem das deutsche Ski-Ass Markus Wasmeier zu zwei Olympia-Siegen führte und zu Tegla Loroupes engsten Freunden zählt.
Und Physiotherapeut Uli Becker, der sie während ihrer Hessen-Aufenthalte betreut und drei Olympia-Teilnahmen mit der deutschen Hockey-Nationalmannschaft, als Höhepunkt Gold 1992 in Barcelona, auf dem Buckel hat, betont: "Was einige Gegner über Tegla sagen, ist großer Quatsch. Sie hat keinen nicht behebbaren körperlichen Schaden und ist mit 30 auch nicht zu alt, um auf der Langstrecke noch einmal an die Spitze zu kommen. Radcliffe ist der selbe Jahrgang, so dass von einem Generationswechsel keine Rede sein kann".