Tendai Chimusasa gewinnt die "Nacht der Nächte"
Die Fackeln leuchteten ihm schon von weitem den Weg ins Ziel. Tendai Chimusasa, der Sunnyboy aus Zimbabwe, drückte an der letzten Steigung noch mal energisch aufs Tempo und ließ seine beiden kenianischen Begleiter, George Kiplagat-Sirma und Joel Kiplimp Kemboi, allein zurück.
Tendai Chimusasa liebt die Nacht (Foto: Hörnemann)
Auf der Zielgeraden, wo die Zuschauer in der Dunkelheit Bengalische Feuer angezündet hatten, huschte ihm ein breites Lächeln durchs Gesicht. Da hatte ich bereits einen leichten Vorsprung", erzählte der kecke Bursche wenig später, und ich war mir hundertprozentig sicher, dass mich keiner mehr einfangen würde." Als der Strahlemann mit langen, weit ausholenden Schritten durchs Ziel spurtete, feierte ihn das begeisterte Publikum von Borgholzhausen. Die Atmosphäre war phantastisch", schilderte er hinterher seine Eindrücke, die Zuschauer haben mich immer wieder lautstark angetrieben."Mit Karacho über den Asphalt
Mit Karacho sauste der leichtgewichtige Bursche, der ganze 60 Kilo auf die Waage bringt, über den harten Asphalt und gewann die Nacht der Nächte" über fünf englische Meilen (8.045 m), eine der ältesten und renommiertesten Laufveranstaltungen hier zu Lande, die in großem Stil ihre 27. Auflage feierte.
Tendai Chimusasa, der schnellste Mann im Feld von weit über 2.000 Teilnehmern, schrieb ein weiteres Kapitel in der Erfolgsstory der Afrikanner. Seit 1993", berichtete Cheforganisator Friedhelm Boschulte, beherrschen sie diesen Lauf." Allerdings hatten in der Vergangenheit, noch auf dem alten Kurs über zehn Meilen, stets die Kenianer die Nase vorn, während im Vorjahr, als die traditionelle Distanz erstmals halbiert wurde, der Berliner Michael Gottschalk seit Urzeiten wieder für einen deutschen Erfolg gesorgt hatte.
Hinter Tendai Chimusasa, der die 8.045 Meter in 22:34 Minuten bewältigte und satte 42 Sekunden schneller war Michael Gottschalk zwölf Monate zuvor, lieferten sich gleich acht Kenianer einen heißen Kampf um die weiteren Prämien. George Kiplagat-Sirma (22:37 min) schnappte sich das zweite Preisgeld vor Joel Kiplimo Kemboi (22:38 min), einem jungen, talentierten Hindernisläufer mit einer Bestzeit von 8:22 Minuten.
Carsten Eich bester Deutscher
Carsten Eich, der beste deutsche Starter im Elitefeld, belegte den zehnten Rang in 23:10 Minuten. "Mir fehlt im Moment der letzte Kick", übte er ein wenig Selbstkritik, "aber wir arbeiten daran." Nach seiner schwachen Vorstellung beim Sommernachtslauf in Neuss über zehn Kilometer, wo er klar geschlagen als 22. in 29:46 Minuten durchs Ziel trabte, war der 31-jährige Neu-Braunschweiger diesmal zufrieden: "Nicht mit der Platzierung, wohl aber mit meiner Zeit." Wegen der langen Verletzungspause, hervorgerufen durch eine Operation der lädierten Achillessehne, fehlt ihm das nötige Training. "Ja, ja, ich habe noch Nachholbedarf", klagte er, "das geht nicht von heute auf morgen." Geduld ist angesagt.
Deshalb verzichtet er auch auf die EM-Teilnahme, obwohl ihm Bundestrainer Wolfgang Heinig nach seinem Sieg beim Leipzig-Marathon in 2:13:47 Stunden einen Startplatz zugesichert hatte. "München wäre für mich zu früh gekommen", begründete Eich seine Entscheidung, "es ist jedoch durchaus möglich, dass ich bei entsprechender Form noch einen Herbst-Marathon bestreiten werde." Wo das sein könnte, steht noch nicht fest. "Wenn, dann in Deutschland", fügte er hinzu, "Berlin beispielsweise würde mich reizen, weil da auch die Deutschen Meisterschaften sind." Den Halbmarathon-Titel hat er bereits im März in Schotten gewonnen.
Schwarz vor Augen wurde auch den anderen Deutschen. Michael Gottschalk, dem Titelverteidiger, turnten elf dunkelhäutige Läufer aus Afrika, zwei Europäer und eben Carsten Eich vor der Nase herum. "Die haben von Anfang an ein Wahnsinnstempo vorgelegt", staunte der Berliner, "da konnte ich nicht mithalten." Dafür freute er sich um so mehr über den Sieg seiner Freundin Simone Erdzack (1:05:39 h) im zuvor ausgetragenen Volkslauf über zehn Meilen.
Packende Aufholjagd von Kathrin Wessel
Jane Kiptoo, eine Kenianerin, diktierte zunächst das Geschehen bei den Frauen. Wild entschlossen preschte sie los und legte sofort einen komfortablen Vorsprung zwischen sich und ihre Verfolgerinnen. Kathrin Weßel war reichlich perplex: "Die ist ja abgegangen wie eine Rakete." Aber die Berlinerin blieb in der Hitze des Gefechts ganz kühl und lauerte geduldig auf ihre Chance. "Ich hatte eigentlich nicht mehr dran gedacht, dass ich den Lauf noch gewinnen könnte", berichtete sie, "doch in der vierten und letzten Runde sah ich, wie ich immer näher kam."
Mit Andreas Ewert, ihrem Begleiter, früher selber ein ausgezeichneter Langstreckler und heute erfolgreicher Trainer beim veranstaltenden Verein LC Solbad Ravensberg, inszenierte die zehnmalige deutsche Meisterin über 10.000 Meter eine packende Aufholjagd, "kurz vorm Ziel habe ich sie dann überholt." Maßarbeit! Mit 25:50 Minuten feierte Kathrin Weßel, die mit Ehemann André und dem zweieinhalbjährigen Töchterchen Nele angereist war, einen neuerlichen Erfolg und distanzierte Jane Kiptoo um zwei Sekunden.
Hinter Mary Ptikany (26:34 min), die auch aus Kenia stammt und in Detmold zur Gruppe von Volker Wagner zählt, und der Polin Grazyna Syrek (26:52 min) belegte die Darmstädterin Iris Biba-Pöschl den fünften Platz in 26:57 Minuten.
Die Karawane zieht weiter
Die Karawane der Straßenläufer wird sich keine Pause gönnen. Sie zieht weiter in Richtung Ludwigshafen, wo am Samstag der nächste große Stadtlauf ausgetragen wird. Neben Tendai Chimusasa und Carsten Eich wird auch Kathrin Weßel an den Start gehen, ehe sie am 7. Juli für drei Wochen in den schweizer Wintersportort St. Moritz fliegt: zum Höhentraining. "Dort bereite ich mich auf die EM vor", erklärte die Marathon-Spezialistin (Bestzeit: 2:28:27 h in Berlin 2001), "im Mannschaftscup können wir ganz vorne landen." Sprach's und verabschiedete sich von ihren treuen Fans in Borgholzhausen, allen voran Cheforganisator Friedhelm Boschulte, dem sie versprach, dass er sie im nächsten Jahr wieder einplanen könne. Dann will sie den Hattrick perfekt machen.
Ergebnisse
Borgholzhausen (17.6.), 27. Nacht von Borgholzhausen"
Männer, Fünf Meilen (8.045 m):
1. Tendai Chimusasa (ZIM) 22:34
2. George Kiplagat-Sirma (KEN) 22:37
3. Joel Kiplimo Kemboi (KEN) 22:39
4. Stephen Tapala (KEN) 22:44
5. Wilson Kipkosgei Chemweno (KEN) 22:52
6. Charles Omwoyo (KEN) 23:02
7. Daniel Ketar (KEN) 23:04
8. James Kiplgat Koskei (KEN) 23:06
9. Paul Lokira (KEN) 23:07
10. Carsten Eich (D) 23:10
Frauen, Fünf Meilen (8.045 m):
1. Kathrin Weßel (D) 25:50
2. Jane Kiptoo (KEN) 25:52
3. Mary Ptikany (KEN) 26:34
4. Grazyna Syrek (POL) 26:52
5. Iris Biba-Pöschl (D) 26:57
6. Tabitha Tsatsa (ZIM) 28:17
7. Tatjana Quest-Altrogge (D) 28:53
8. Jutta Rahns (D) 29:58
9. Elisabeth Onyambu (KEN) 31:03
10. Michel James (D) 31:07