Thomas Goller auf der Suche nach Worten
Da stand er. Fassungslos, überwältigt und befreit durch seinen Triumph brüllte er ein „Ja“ hinaus, das durch die gesamte Arena drang, dann noch eins hinterher. Thomas Goller, eigentlich Hürdenläufer, eigentlich ein Typ ganz gerade heraus, war am Sonntag in Leipzig gerade Deutscher Hallenmeister über 400 Meter geworden und plötzlich auf der Suche nach Worten.
Und nach einer Erklärung. Er unkte, vielleicht wäre es der Respekt vor dem Alter gewesen, vielleicht hätte ihn die Jugend einfach vorgelassen. Aber die rechte Antwort war es wohl nicht. Der 31-Jährige hatte einfach seine Chance beim Schopf gepackt, seine ganze Routine ausgespielt und den am Anfang des Rennens nach vorne gestürmten Saarbrücker Simon Kirch so in 47,19 Sekunden noch niedergerungen.Dass da tatsächlich die Eins neben seinem Namen stand, war für den Wattenscheider trotz einer bereits „sensationell guten“ Hallensaison schwerlich zu begreifen. „Deutscher Meister in der Halle? Das ist für mich so weit weg. Das muss erst einmal noch ein bisschen ins Köpfchen reinsacken.“
Mehr als „nur Rennen machen“
Denn er hatte in diesem Winter prinzipiell eines vorgehabt: Laufen. „Ich wollte nur Rennen machen und gesund bleiben.“ Er wollte Schwung und er wollte sich die Wettkampfhärte holen, die er für den Sommer, wo er unbedingt bei der Weltmeisterschaft in Berlin über 400 Meter Hürden dabei sein will, einfach braucht.
Die Rechnung geht gerade wunderbar auf. Oder „sensationell“, wie Thomas Goller meint. Er meint auch, dass dieses „Alles sensationell“ sein Ausdruck des Jahres werden könnte.
Dass er nun bei der Hallen-EM in Turin (Italien; 6. bis 8. März) dabei sein kann, wenn auch nicht in einem Einzelrennen, sondern mit der Staffel, ist für ihn „wie der Titel auch eine kleine Sensation“. Er sagt: „Das ist phänomenal.“ Obendrein räumt er dem deutschen Quartett durchaus auch Chancen ein: „Wenn alle gesund bleiben und das Niveau kompensieren können, ist mit der Staffel vielleicht eine Medaille möglich.“
Kleine Bestätigung
Irgendwie scheint dieser ganze Erfolg eine Belohnung zu sein, auch wenn Thomas Goller selbst solche Worte nicht in den Mund nehmen will. Er redet von „einer kleinen Bestätigung nach der harten Arbeit“. Bei Fragen nach seiner in den letzten Jahren andauernden Pechsträhne voller Verletzungen spricht er lieber über die Zukunft oder zumindest über die Gegenwart.
Dort hat er gerade viele überrascht, wie er weiß: „Seit dem 17. Januar habe ich jetzt wieder Wettkämpfe bestritten. Jeder ist da gesessen, hat sich die Hände gerieben und gemeint: Irgendwann muss der Goller doch einbrechen. Dabei geht es immer weiter voran.“
Dieses Voran gibt dem früheren U23-Europameister nun ungemein Auftrieb. Sein sportliches Ziel liegt an der Spree, im August will er dort ankommen. „Ich weiß, wenn ich gesund bleibe, kann es bei den für mich entscheidenden Sachen akut nach vorne gehen. Ich weiß, dass ich auf dem richtigen Weg bin, das fühlt sich auch wieder gut an. Wir sind noch nicht am Ende.“
Zwei Goldmedaillen im Arm
So präsent wie am Wochenende in Leipzig war Thomas Goller schon lange nicht mehr. Wahrscheinlich auch nicht so lebendig und glücklich. Sein Glück ist auch privat. Wenn er davon spricht, dass er sich danach sehnt, zuhause seine „zwei Goldmedaillen in den Arm nehmen“ zu können, dann ist seine Lebenspartnerin, die Sprinterin Sina Schielke, samt der jungen Tochter Jaime gemeint.
Thomas Goller freut sich über die starken Gefühle, die nicht nur privat, sondern auch im Moment des sportlichen Erfolgs zum Greifen nah sind. Erleichtert sagt er: „Endlich mal positive Emotionen. Die waren doch sehr in den Hintergrund gerückt. Vielleicht fällt es mir deshalb so schwer, jetzt das alles zu beschreiben.“