Thomas Kurschilgen - „Stehe für Kontinuität“
Als Nachfolger von Jürgen Mallow beginnt Thomas Kurschilgen am 1. November seine Arbeit als Sportdirektor beim Deutschen Leichtathletik-Verband. Im Interview erklärt der ehemalige Chef der LG Olympia Dortmund, wie er die deutsche Leichtathletik nach den neun WM-Medaillen von Berlin auf Erfolgskurs halten will.
Thomas Kurschilgen wird der neue Sportdirektor im DLV Herr Kurschilgen, wie wird man DLV-Sportdirektor? Thomas Kurschilgen:Zunächst bewirbt man sich auf die Stellenausschreibung des DLV. Dazu bewogen hat mich, dass ich seit meiner Jugendzeit durch und durch Leichtathlet bin. Das Engagement für diese Sportart ist mir eine Herzensangelegenheit. Außerdem bin ich überzeugt davon, aufgrund meiner beruflichen Laufbahn Fähigkeiten mitzubringen, die ich in meine neue Tätigkeit gewinnbringend einfließen lassen kann. Schließlich übernehme ich als Sportdirektor eine Position, die zu einem großen Teil als Management-Aufgabe zu verstehen ist.
Können Sie in drei Sätzen sagen, warum Sie die Idealbesetzung für die Nachfolge von Jürgen Mallow sind?Thomas Kurschilgen:
Auf der einen Seite bringe ich tiefe Kenntnisse im Leistungssport Leichtathletik mit, auf der anderen Seite sehe ich bei mir Führungs- und Kommunikationskompetenz, verbunden mit Geradlinigkeit, Offenheit und Transparenz. Hinzu kommt betriebswirtschaftliches Know-how, das ich in meiner bisherigen beruflichen Karriere erworben habe. Dies ist sicherlich kein Nachteil, weil auch viele Finanzfragen zum Aufgabenfeld des Sportdirektors gehören.Ist Ihnen der Schritt aus der überschaubaren Sparkasse Kamen zum DLV leichtgefallen? Immerhin müssen Sie künftig die ganze deutsche Leichtathletik und ihren Erfolg oder Misserfolg öffentlich erklären…
Thomas Kurschilgen: … das ist für mich nicht ungewohnt, weil ich durch meine Ehrenämter in Dortmund und als Marketing-Verantwortlicher in verschiedenen Stationen in der Sparkassen-Organisation sowie der Creditreform-Gruppe in der Öffentlichkeit präsent war.Mit Brigitte Kurschilgen verantwortet Ihre Frau als DLV-Trainerin den Hochsprung, Ihre Tochter Lisa zählt zu den besten jugendlichen Weitspringerinnen Deutschlands. Wie ist Ihre Entscheidung bei Ihrer Familie angekommen?Thomas Kurschilgen:
Wir haben uns den Schritt gemeinsam überlegt. Meine Familie steht dahinter. Ihr ist bewusst, dass im nächsten Jahr die Leichtathletik ganz weit vorne stehen wird, und die Familie zurückstecken muss.Ab dem 1. November sind Sie auch der Vorgesetzte Ihrer Frau…Thomas Kurschilgen: …diese Situation ist nicht ganz neu für uns. Wir haben vor etlichen Jahren schon einmal beim TV Wattenscheid 01 zusammengearbeitet. Im DLV trage ich zwar die sportfachliche Personalverantwortung für alle Bundestrainer, aber in der bestehenden Trainerstruktur sind Uli Knapp, als Team-Manager Sprung, und insbesondere Herbert Czingon als der für die technischen Disziplinen zuständiger Cheftrainer zentrale Ansprechpartner für sie.Nach Ihrer erfolgreichen Arbeit bei der LG Olympia Dortmund und für das dortige Hallenmeeting hat man in jüngster Vergangenheit in der Leichtathletik nicht sehr viel von Ihnen gehört. Woran lag das?
Thomas Kurschilgen:
Nach fast fünfzehn Jahren haupt-und ehrenamtlicher Arbeit für die LG Olympia Dortmund habe ich dieses Sportkapitel bewusst erfolgreich abschließen wollen. Kaum hatte ich bei der LG Olympia Dortmund aufgehört, kam von der Dortmunder Politik und dem Oberbürgermeister die Anfrage, ob ich bereit sei, den finanziell angeschlagenen Stadtsportbund zu leiten. Ich habe diese Aufgabe übernommen und es ist mir recht gut gelungen, diese große Organisation mit 600 Vereinen und zirka 130.000 Mitgliedern wirtschaftlich zu stabilisieren und sportpolitisch neu auszurichten.
Sie übernehmen das Amt unmittelbar nach dem größten DLV-Erfolg der vergangenen zehn Jahre. Sind die neun WM-Medaillen von Berlin eine Bürde oder erleichtern sie Ihnen den Einstieg?Thomas Kurschilgen: Ich empfinde sie keinesfalls als Belastung, vielmehr sind diese Medaillen ein Beleg dafür, dass ich von Jürgen Mallow ein sehr gut geführtes Haus übernehme. Trotz der personellen Zäsur, die mit seinem Ausscheiden und dem Rückzug des für den Leistungssport zuständigen Vizepräsidenten Professor Eike Emrich entstanden ist, will ich für inhaltliche Kontinuität sorgen. An der bestehenden Leistungssport-Philosophie der deutschen Leichtathletik werde ich weitgehend festhalten. Ich stehe mit Überzeugung zu den Reformen und Strukturen, die die beiden seit ihrer Amtsübernahme nach Olympia 2004 im DLV verankert haben.Worin sehen Sie den Schwerpunkt Ihrer Arbeit in der Zeit bis zu den Europameisterschaften 2010 in Barcelona?Thomas Kurschilgen: Zunächst geht es darum, gegenseitiges Vertrauen zu entwickeln. Das gilt für die Mitarbeiter, Trainer, Athleten und Partner. Vertrauen und gegenseitige Wertschätzung sind unerlässliche Grundpfeiler für eine erfolgreiche Arbeit. Das wichtigste dabei ist für mich: Zuhören und intensiv kommunizieren. Erst danach werde ich gegebenenfalls über Veränderungen diskutieren, wobei die grundsätzliche Ausrichtung des Leistungssports – die dezentrale Förderung in den Vereinen und Leistungszentren – im DLV erhalten bleibt. Die Athleten, ihre Heimtrainer und Vereine werden weiterhin im Mittelpunkt stehen. Damit verbunden ist die Entwicklung von Verantwortungs- und Leistungseliten im Top-Team 2012 und im Junior-Elite-Team 2012. Dazu benötigen wir eine hohe Fach- und Sozialkompetenz bei unseren Bundestrainern, ergänzt durch einen internationalen Erfahrungsaustausch mit anderen Trainerexperten und einer wissenschaftliche Begleitung und Unterstützung, beispielsweise durch das IAT in Leipzig, die Deutsche Sporthochschule in Köln und weitere Universitäten.Für die Umsetzung welcher Ziele geben Sie sich mehr Zeit?Thomas Kurschilgen: Für die Zukunft müssen wir verstärkt Konzeptionen entwickeln und Rahmenbedingungen schaffen, um die schwächeren Disziplinen in der deutschen Leichtathletik an die internationale Leistungsspitze heranzuführen. Meine Grundposition ist, dass die Identität der Leichtathletik von allen Disziplinen gleichermaßen geprägt wird. Deshalb wird es keine Konzentration auf einige wenige Disziplinen geben. Wir werden versuchen, die komplette Leichtathletik weiter zu entwickeln.
Sie waren früher Stabhochspringer… Thomas Kurschilgen:
… auf bescheidenem Niveau.Wie hoch sind Sie denn gesprungen?Thomas Kurschilgen:
In der Halle bin ich einmal 5,00 Meter hoch, im Freien 4,85 Meter gesprungen, das reichte in den 80er-Jahren zumindest für die deutsche Bestenliste. Ich hatte damals das Glück, beim ASV St. Augustin mit Uli Schmedemann einen Trainer zu haben, der ein erfolgreicher Zehnkämpfer war und eine ganze Menge vom Stabhochsprung verstand und mich intensiv auf meinem Weg begleitet hat.Wie wichtig war die sportliche Karriere für Ihren späteren Lebensweg?
Thomas Kurschilgen:
Für den Leistungssport begeistert haben mich die Olympischen Spiele 1972 in München. Damals war ich zwölf Jahre alt und habe die Wettkämpfe im Fernsehen verfolgt. Seitdem hat mich der Leistungssport und speziell die Leichtathletik nie mehr losgelassen. Ich habe schon mit 16 Jahren begonnen, neben dem eigenen Training als Übungsleiter zu arbeiten. Mit dem Ziel, Sport zu studieren, an die Trainer-Akademie zu gehen und in einem deutschen Leichtathletik-Spitzensportverein als Trainer zu arbeiten.