| Interview

Thomas Röhler: „Ich will immer um den Sieg mitkämpfen"

Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler (LC Jena) geht bei der EM in Berlin als einer der Top-Favoriten an den Start. Am Herzen liegt dem 26-Jährigen aber auch das Thema Duale Karriere. Röhler, aktuell im Masterstudiengang „Strategy, Management and Marketing“ eingeschrieben, hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf internationaler Ebene für die Kombination aus Leistungssport und Ausbildung zu werben. Von der Deutschen Sporthilfe wurde er als einer von fünf studierenden Topathleten für die Auszeichnung "Sport-Stipendiat des Jahres" nominiert.
pm/sb

Thomas Röhler, 2008 sind Sie im Berliner Olympiastadion noch als Dreispringer um die deutsche U18-Meisterschaft gesprungen. Nun kehren Sie als Speerwurf-Olympiasieger von Rio 2016 in die Hauptstadt zurück. Hätten Sie sich das vor zehn Jahren träumen lassen?

Thomas Röhler:

Ganz ehrlich: Vor zehn Jahren habe ich nicht so weit gedacht. Der Sport hat mir damals in erster Linie Freude bereitet und war ein Stück weit auch Mittel zum Zweck, um das sehr gute Sportgymnasium in Jena besuchen zu können. Dreisprung war nie meine Leidenschaft – ich habe es zwar gerne gemacht, aber gebrannt habe ich immer fürs Werfen. Das hat sich dann extrem positiv entwickelt, aber planbar ist der Leistungssport in diesem Sinne nicht.

Extrem positiv trifft es ganz gut: Als Dritter der ewigen Weltbestenliste sind Sie einer der Mitfavoriten bei der Heim-EM im August. Mit welchem Ziel fahren Sie nach Berlin?

Thomas Röhler:

Das Ziel ist definitiv eine Medaille. Ich sage auch bewusst, dass ich in Berlin Gold gewinnen möchte, denn das ist meine sportliche Herangehensweise an jeden Wettkampf. Ich will immer um den Sieg mitkämpfen – auch, weil ich bislang verletzungsfrei durch die Saison gekommen bin.

Nicht wenige erwarten sogar einen deutschen Dreifachsieg, weil die nationale Elite mit Ihnen, Johannes Vetter und Andreas Hofmann die Weltspitze dominiert. Wieso sind die deutschen Speerwerfer so stark?

Thomas Röhler:

Wir verstehen, wie individuell unsere Sportart ist – die Athleten, aber auch die Trainer. Es war ein mittlerweile fast vierjähriger Prozess, in denen sich das Coaching-Team strukturell verändert und untereinander ausgetauscht hat. Wir trainieren ja nicht an einem Standort, sondern individuell mit unseren Heimtrainern, können über den Bundestrainer als Koordinator gewissermaßen auf das „Cloudwissen“ zugreifen. Hinzu kommt die Wettkampfsituation: Wir können gut miteinander, sind in einem ähnlichen Alter und kommen im Training und bei Wettkämpfen nicht aneinander vorbei. Die ständige Konfrontation mit den Besten der Welt ist natürlich für alle sehr positiv.

Die Aufmerksamkeit durch die Medien und die Öffentlichkeit ist immens – gerade bei einer Heim-EM. Wie gehen Sie mit dieser speziellen Situation um, in Berlin abliefern zu müssen?

Thomas Röhler:

Diesen Druck negiert man als Sportler lange, aber im Nachhinein betrachtet spürt ihn jeder. Natürlich ist diese Erwartungshaltung von außen da – und die eigene, die meistens noch viel höher ist. Inzwischen habe ich einen Weg gefunden, daraus sogar meine Motivation zu ziehen. Ich rede mir nicht ein, dass es keinen Druck gibt. Mein Geheimrezept ist es, immer so simpel und ehrlich wie möglich zu denken.

Das hat Sie nicht nur zu einem der besten Speerwerfer der Welt gemacht, Sie sind auch Athletensprecher im Leichtathletik-Weltverband, Mit-Organisator eines Leichtathletik-Meetings und trainieren Nachwuchs-Athleten. Wie bleibt Ihnen da noch Zeit für das Studium?

Thomas Röhler:

Manchmal ist mir das selbst ein Rätsel. Wer den Tag mit mir lebt, wird feststellen, dass alles gut machbar ist – sofern man einen Plan hat und einen Trainer, der das Gesamtkonstrukt unterstützt. Ebenso wichtig ist der Support des Umfelds und der Familie. Nur so macht diese Herausforderung Spaß. Aber klar, natürlich macht man auch Abstriche bei der Freizeit.

Wie wichtig ist für Sie der mentale Ausgleich durch das Studium?

Thomas Röhler:

Er wird immer wichtiger. Anfangs diente das Studium vor allem zur Karrieresicherung. Ich wollte mir damit ein Sicherheitsnetz schaffen, das es mir ermöglicht, im Sport höhere Risiken einzugehen. Speerwerfen ist eine ­risikoreiche Sportart, bei der jeden Tag Feierabend sein kann. Deswegen war es mir immer so wichtig, die viel zitierte Duale Karriere zu leben. Mittlerweile habe ich aber verstanden – und mein Trainer ist da auch bei den jungen Athleten ebenfalls hinterher – dass man nicht 24 Stunden, sieben Tage die Woche ans Speerwerfen denken soll. Es ist wichtig, dass sich der Kopf auch in andere Richtungen bewegt.

Nach dem Bachelor folgt nun der Master. Wieso haben Sie sich entschieden, weiterhin den schwierigen Spagat zwischen Uni und Leistungssport zu betreiben?

Thomas Röhler:

Ähnlich wie im Sport war mein Gedanke: Das kann noch nicht alles gewesen sein. Ab dem vierten Semester habe ich das Studium stark zum persönlichen Wissenserwerb gelebt und bin weniger dem Pflichtmusterstudienplan gefolgt. Damit wollte ich noch nicht aufhören.

Inwieweit hilft Ihnen dabei das Deutsche Bank Sport-Stipendium?

Es gibt mir Sicherheit. Der Sport lebt von Unsicherheiten, viele Sportler finanzieren sich über Wettkampfeinnahmen, die natürlich direkt mit den Leistungen zusammenhängen. Aber wenn sich ein Leistungssportler weiterentwickeln will, dann basiert das immer auf Langfristigkeit. Das Stipendium hilft mir, weil es eine nachhaltige und wiederkehrende Unterstützung ist, die nicht einhundertprozentig von meiner sportlichen Leistung in diesem einen Moment abhängt.

Haben Sie den Eindruck, die Leistung und Anstrengung der Athleten, die eine Duale Karriere verfolgen, werden in der Öffentlichkeit ausreichend gewürdigt?

Thomas Röhler:

Viele haben einen verzerrten Eindruck von der finanziellen Situation der Athleten in unserem Land. Häufig höre ich den Satz: „Du bist doch Sportler, Du müsstest doch überhaupt nicht studieren.“ Wenn ich dann erwidere, dass ich später ja von irgendetwas leben muss, bekommen viele Leute einen Riesenschreck. Vor allem in meiner ostdeutschen Heimat, wo herausragende Sportler zu DDR-Zeiten finanziell gut abgesichert waren, muss man viel erklären und sich fast schon dafür entschuldigen.

Sehen Sie sich hier als eine Art „Role Model“ oder verfolgen Sie gar eine Mission?

Thomas Röhler:

Es sind zwei völlig unterschiedliche Missionen: Die jungen Sportler muss man schützen, ihnen erklären, dass sie die Notwendigkeit einer Dualen Karriere möglichst früh verstehen. Spricht man mit Unternehmen und Persönlichkeiten, sollte man vielleicht das gemeinsame Ziel haben, dass es wirklich genügt, „nur“ Sportler zu sein. Jeder weiß um die finanzielle Schere zwischen Olympischem Sport und manchen exponierten Sportarten. Das ist eher ein gesellschaftlicher Kampf, den Wirtschaftskreislauf ein wenig umzuverteilen.

Nun waren Sie 2008 als Dreispringer in Berlin, 2018 als Speerwerfer – was macht Thomas Röhler 2028?

Thomas Röhler:

Da müssen wir mal gucken, was dann im Berliner Olympiastadion stattfindet (lacht). Mein sportlicher Planungshorizont geht nicht bis zum Jahr 2028, auch wenn Speerwerfer nicht selten noch mit grauen Haaren aktiv sind. Auf jeden Fall werde ich dem Sport erhalten bleiben und auch das Wissen, das ich aktuell erlange, nicht an den Nagel hängen. Ich glaube, es gibt viel Gutes zu tun in unserem Sportsystem und da würde ich gerne helfen.

Quelle: Deutsche Sporthilfe

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Im Video: <link video:19165>Thomas Röhler: "100% Präzision für den perfekten Wurf"
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