| Interview der Woche

Thomas Röhler: „Im EM-Finale ist alles möglich“

Zurück an der deutschen Spitze: Speerwerfer Thomas Röhler hat am Samstag mit Bestleistung von 86,99 Metern das Diamond League-Meeting in Glasgow gewonnen. Der Deutsche Meister aus Jena holte sich damit Platz eins der deutschen Bestenliste vom Mannheimer Andreas Hofmann zurück. Über sein Verhältnis zum Aufsteiger des Jahres, die Zusammenarbeit mit seinem neuen Trainer und seine Ziele für die EM in Zürich sprach er im Interview.
Silke Morrissey

Guten Morgen Thomas Röhler! Gestern noch der Auftritt in Glasgow, heute schon auf dem Weg zum Meeting in Jena. Wie war die erste Nacht als Sieger eines Diamond League-Meetings?

Thomas Röhler:

Relativ kurz! Ich habe im Hotel noch was zu Essen bekommen und bin dann anschließend gleich nach London gefahren. Dort habe ich übernachtet, und heute Morgen bin ich mit dem ersten Flieger nach Deutschland geflogen. Mein Vater hat mich mit dem Auto in Frankfurt abgeholt, jetzt fahren wir nach Jena – das war eigentlich der einzige Weg, das Meeting dort mitzunehmen.

Erst im letzten Versuch konnten Sie den Spieß umdrehen und sich mit neuer Bestleistung von Platz vier auf eins nach vorne kämpfen. Beschreiben Sie den Wettkampf doch einmal aus Ihrer Perspektive.

Thomas Röhler:

Ich bin schon vom Meeting in Paris [Anm. d. Red.: 5. Juli] abgereist und habe gedacht: Okay, jetzt hast du ungefähr ein Gefühl dafür, wie man weit wirft. Ein paar Dinge aus dem Training haben gut funktioniert und ich habe in Glasgow versucht, gleich daran anzuknüpfen. Das Einwerfen war noch relativ schwierig, für alle, wir haben alle viel zu hoch geworfen. Dann habe ich den Kopf angestellt, mich angestrengt, und ab dem ersten Versuch ging es eigentlich beständig bergauf.

Und wie haben Sie es geschafft, im sechsten Versuch noch mal mehr als drei Meter draufzulegen?

Thomas Röhler:

Dass Tero Pitkämäki mich zwischenzeitlich noch auf Platz vier verwiesen hat, hat mir nicht geschmeckt, das muss ich zugeben. Da bin ich noch größeres Risiko gegangen, habe den Anlauf noch mal um einen Meter verlängert. Es hat zwar geregnet, aber das macht mir nichts aus.

Spüren Sie im Wurf den Unterschied zwischen Weiten von 83 und Weiten über 86 Meter?

Thomas Röhler:

Im Bereich da hinten ab 83 Meter sind die Unterschiede wirklich gering. Wenn ich an den besten Wurf von Paris [84,74 m] denke oder hier an den letzten - die Würfe sind gefühlsmäßig so ähnlich, das sind wirklich nur Nuancen. Naja, so oft habe ich ja auch noch nicht in diese Regionen geworfen, dass sich da im Gefühl schon eine Rückmeldung über die Weite eingestellt hätte (lacht). Klar sieht man, dass der Speer weit fliegt. Aber als ich auf der Anzeigetafel 86,99 Meter gelesen habe, war das auch für mich überraschend.

In Glasgow haben Sie einen Großteil der Weltelite geschlagen. Wie hat die Konkurrenz auf Ihren Sieg reagiert?

Thomas Röhler:

Die Atmosphäre zwischen den Speerwerfern ist auch im Wettkampf wirklich angenehm. Klar ist jeder da, um zu gewinnen, aber es geht allen auch um weite Würfe und um einen guten Wettkampf. Alle haben mir freundlich gratuliert und ich merke, dass Stabilität in der internationalen Szene gut ankommt. Die anderen haben meine Leistungen verfolgt und wissen jetzt: Wenn er dabei ist, kann man immer mit 82 Metern und mehr rechnen.

Einer Ihrer Gegner war der Mannheimer Andreas Hofmann, der sich in diesem Jahr nach langer Verletzungspause eindrucksvoll zurückgemeldet hat. Wie ist Ihr Verhältnis?

Thomas Röhler:

Andi ist ja eigentlich aufgrund seiner Verletzungen in dem Jahr aus dem Wettkampf-Geschehen ausgestiegen, in dem es für mich so richtig losging: 2010. Daher haben wir uns nie wirklich kennengelernt – beziehungsweise kannte ich ihn immer als Zuschauer, der für sein Comeback gekämpft hat. Dann hieß es, er kommt zurück, ich war gespannt darauf – und dann wurde er wieder zurückgeworfen. Hut ab, da drei Jahre lang dranzubleiben! Als er in Braunschweig 86 Meter geworfen hat, habe ich auch extrem aufgehorcht. Ohne eine Wettkampf-Rückmeldung drei Jahre lang zu trainieren und dann so aufzuschlagen – das ist wirklich bemerkenswert!

Ein wenig waren Sie ja in diesem Jahr auch der Leidtragende seines Aufstiegs, denn den einen deutschen Startplatz bei der Team-EM hat Andreas Hofmann sich erkämpft. Wie war das für Sie?

Thomas Röhler:

Unser Bundestrainer Boris Henry hat uns schon am Anfang des Jahres gesagt, wie die Nominierungsrichtlinien für Braunschweig sind. Wir haben darüber gesprochen und wussten alle, was los ist. Jeder hat dann seinen eigenen Weg gewählt, auf unterschiedlichen Wettkämpfen, mit unterschiedlichen Bedingungen. Letztendlich war es relativ klar: Andi hat weiter geworfen, und dann war es auch in Ordnung, dass er bei der Team-EM startet.

Ihren Weg bestreiten Sie seit vergangenem Herbst mit Harro Schwuchow, nachdem sich ihr langjähriger Trainer Burkhard Looks von Jena nach Potsdam verabschiedet hat. Was hat sich verändert?

Thomas Röhler:

Ich hatte ja von Anfang an gesagt, dass ich den Schritt nach Potsdam nicht mitgehe. Ich habe in Jena was das Umfeld und den Standort betrifft das, was ich brauche. In der Zusammenarbeit mit Harro Schwuchow passiert viel auf kooperativer und kommunikativer Ebene. Ich bin sehr in den Trainingsprozess mit einbezogen, wir reden viel über die Dinge, die wir machen, gehen viele Dinge modern an, machen manche Dinge anders – und das scheint zu funktionieren.

Wie geht es nach dem Wochenende mit Doppelbelastung in Glasgow und Jena für Sie weiter?

Thomas Röhler:

Am kommenden Wochenende habe ich frei. Und dann stehen die Deutschen Meisterschaften an, das wird ein interessanter Wettkampf! Ich bin auch mal gespannt, ob Julian Weber sich noch den dritten Platz für die EM in Zürich schnappt.  

Der U20-Europameister hat in diesem Jahr zum ersten Mal die 80-Meter-Marke geknackt, da ist die Norm nicht mehr weit… Sie selbst haben sich inzwischen bei Weiten deutlich jenseits der 80 Meter stabilisiert. Was können wir denn noch von Ihnen erwarten in diesem Jahr?

Thomas Röhler:

Im Speerwerfen ist immer einiges möglich, weil hier relativ viele Faktoren zusammenspielen. Trotzdem bleibe ich meiner Linie treu und werde weiter versuchen stabil zu werfen. Aus dieser Stabilität versuche ich, immer wieder auch Würfe wie den gestern zu realisieren. Aber ich gehe nicht in jeden Wettkampf rein und sage: Es müssen unbedingt wieder 87 Meter werden. Das bringt nichts.

Blicken wir einmal voraus auf den 17. August. Bei der EM in Zürich sollen die Speerwerfer in einem der letzten Finals der Meisterschaften für einen krönenden Abschluss sorgen. Welches Ergebnis würde Sie zufrieden stellen?

Thomas Röhler:

Wir haben zuletzt das Augenmerk auch darauf gelegt, dass vor allem die ersten drei Würfe stabil sind. Damit es nicht wie in den letzten Jahren eng wird in der Qualifikation, das brauche ich nicht noch mal. Im Finale ist dann alles möglich, das haben wir gestern gesehen. Die Jungs sind alle schlagbar. Aber meiner Meinung nach sind die Top Sechs ein Ziel, das ich mir vornehmen kann. In den Top Sechs wäre ich mit jedem Platz zufrieden.

<link news:35433>Thomas Röhler kontert sich zu Sieg und Bestleistung

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