| Mein Moment 2016

Thomas Röhler in Ostrava - Die Vorahnung

leichtathletik.de war 2016 wieder bei zahlreichen Wettkämpfen live vor Ort und hat von großen Leistungen und den Geschichten am Rand der Kunststoffbahn berichtet. In der Kategorie "Mein Moment" schreiben unsere Reporter, welcher Augenblick der vergangenen Monate ihnen persönlich besonders in Erinnerung geblieben ist.
Christian Fuchs

Manchmal beobachtet man einen Athleten im Wettkampf und es beschleicht einen ein gewisses Gefühl. Man glaubt einen Fingerzeig in die Zukunft auszumachen, so nach dem Motto „Da geht noch mehr“.

Das Meeting in Ostrava hielt diesen Gedanken im Mai für mich parat. Da war zunächst der beeindruckende Sturmlauf der jungen Leverkusenerin Konstanze Klosterhalfen über 1.500 Meter, die sogar den Tempomacherinnen ihre Arbeit streitig machte.

Und dann war da der Auftritt von Thomas Röhler. In einem richtig packenden Speerwurf-Wettkampf, seinem zweiten der Saison nach einem Sieg in Shanghai, hatte er vor dem letzten Versuch die Führung verloren. Er war auf Platz drei abgerutscht. Der Jenaer packte dann aber Konterqualitäten aus, er zeigte eine echte Siegermentalität!

Thomas Röhler knipst die Feuerfontänen an

Auf 87,37 Meter jagte er seinen Speer im letzten Durchgang hinaus, die Feuerfontänen auf dem Rasen gingen für ihn an und das speerwurfbegeisterte Publikum drehte fast genauso durch wie beim Sprint von Usain Bolt zuvor. Es war der letztlich klare Sieg vor Ihab Abdelrahman (Ägypten; 84,85 m). Ein beeindruckender Sieg, gerade durch die Art und Weise, wie er zustande kam.

Danach begann für mich ein langes Warten auf Thomas Röhler in der Mixed Zone, in der die Interviews mit den Athleten geführt werden. Er durfte nämlich nicht nur zur Siegerehrung für den Speerwurf, sondern wurde auch noch für die Leistung des Abends geehrt und deshalb obendrein in einem Cabrio durchs Stadion gefahren.

Dabei musste er witzigerweise Tennisbälle ins Publikum werfen. Das wiederum hatte den Grund, dass der Mäzen des Meetings auch im Tennis-Business aktiv ist. Zumindest für Unterhaltung war so gesorgt.

„The last man standing“

Während die Minuten verstrichen, verwaiste die Mixed Zone immer mehr - bis ich dort ganz beharrlich der einzig verbliebene Journalist war. Zum Glück hatte ich schon vorher sichergestellt, dass Thomas Röhler tatsächlich noch dorthin eskortiert werden und nicht durch einen anderen Ausgang entwischen würde.

Irgendwann war dann die Zeit reif für das Siegerinterview mit leichtathletik.de. Thomas Röhler begrüßte mich mit einem breiten Grinsen und dem treffenden Kommentar „The last man standing“. Tatsächlich fühlte ich mich wie der letzte Mohikaner unter den Reportern in Ostrava. Es fehlte nur noch, dass irgendwer das Licht ausmachte.

Das Interview und die Frage aller Fragen

Das Interview selbst war umso exklusiver und entspannter. Thomas Röhler meinte schon damals auf die für ihn „komische Frage“ nach Rio und nach möglichen 90 Metern, die für den Olympiasieg notwendig sein könnten: „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort brauche ich den Wurf - wohl oder übel.“

Da drängte sich mir die Anschlussfrage förmlich auf:
„Shanghai gewonnen, Ostrava gewonnen, Erster der Weltjahresbestenliste – könnte das dein Jahr werden?“

Thomas Röhler blieb, so wie es seine Art ist, bescheiden:
„Das war der zweite Wettkampf, da wollen wir den Ball noch flach halten.“

„Ich sagte ja auch: könnte…“

„Ich hab schon vor, dass das ein gutes Jahr wird. Es ist das Olympiajahr. Ich fühle mich gut, ich bin verletzungsfrei und die Teile fangen jetzt auch langsam an zu fliegen.“

Die Teile flogen bis zum Olympiasieg

Und wie die Teile, sprich die Speere, dann noch flogen! 91,28 Meter in Turku als neue Bestleistung, 90,30 Meter in Rio. Olympiasieg! Das Interview, das ich exakt drei Monate zuvor mit dem besten deutschen Speerwerfer in Ostrava geführt hatte, bekam plötzlich fast schon was Wahrsagerisches. 90 Meter bei Olympia und – ja! – es war sein Jahr geworden!

Herzlichen Glückwunsch, Thomas Röhler! Die Zeit war einfach reif!

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