| Interview der Woche

Thomas Röhler: „Irgendwann musste der Tag kommen“

Speerwerfer Thomas Röhler (LC Jena) hat am Samstag in Kuortane (Finnland) für einen Paukenschlag gesorgt. Mit 89,27 Metern – dem weitesten Wurf eines Deutschen seit 1997 – brachte er sich gegen starke Konkurrenz als Nummer drei der Welt in Position für die WM in Peking (China). Im Interview spricht er über den Traum von 90 Metern, das Vertrauen in den richtigen Saison-Aufbau, starke nationale Konkurrenz und seine Ziele für die Weltmeisterschaften.
Silke Morrissey

Thomas Röhler, wann haben Sie das erste Mal von einem 90-Meter-Wurf geträumt?

Thomas Röhler:

Prinzipiell habe ich es seit letztem Jahr für möglich gehalten, dass es eines Tages so weit ist. Aber das erste Mal von 90 Metern geträumt… Habe ich glaube ich schon als kleines Kind, als ich das erste Mal im Fernsehen einen Wettkampf gesehen habe. Realistisch wurde dieser Traum dann erst im letzten Jahr.

„Sieben 90-Meter-Wettkämpfe“ – mit dieser Info haben Sie auf Facebook Ihren Start in Kuortane angekündigt. Fast hätten Sie für den achten gesorgt. Hatten Sie mit einem Wurf in diese Regionen geliebäugelt?

Thomas Röhler:

Unser Aufbau in diesem Jahr scheint zu funktionieren. Irgendwann musste der Tag kommen, an dem alle Einzelfaktoren – Anlauf, Rhythmus, Abwurf – zusammenpassen. Wenn nicht zwei Wochen vor der WM, wann dann? In Kuortane wurde ein Mondo-Belag verlegt. Den habe ich mir zusammen mit Antti Ruuskaanen angeschaut, da haben wir auch über solche Dinge gesprochen –was hier möglich ist, was hier schon erreicht wurde. Aber ich gehe jetzt nicht los und plane einen 90-Meter-Wurf…

Hat denn bei Ihrem sechsten Versuch, als der Speer auf 89,27 Meter flog, alles gepasst?

Thomas Röhler:

Ich habe schon im fünften Versuch gemerkt: Wenn du jetzt das letzte Puzzle-Teil korrigierst, kann es richtig weit gehen. Dass ich dann in der letzten Runde noch von zwei Athleten überholt wurde, hat sein Übriges dazu beigetragen. Auch wenn es eine schwierige Situation war. Erst geht der eine vorbei, mit einem super Wurf, dann der andere. Aber ich wusste ab Runde fünf, was ich vorhabe, und das habe ich dann gemacht. Klar, es kamen viele gute Faktoren zusammen. Aber einen Speerwerfer wird man nie zu der Äußerung bringen, dass ihm ein perfekter Wurf gelungen ist.

Wie haben Ihre Konkurrenten auf den Wurf reagiert?

Thomas Röhler:

Die Speerwerfer sind eine super faire Gemeinschaft von Wettkämpfern. Insbesondere in Finnland, da habe ich mittlerweile auch ein ganz gutes Standing. Es geht um den Wettkampf, es geht um den Wurf. Logisch will jeder gewinnen. Aber trotzdem kam nach dem Wurf sofort die Anerkennung.

Was war Ihnen am Samstag wichtiger: Die Weite oder der Sieg gegen starke Konkurrenz?

Thomas Röhler:

Auf alle Fälle die Weite. Der Wettkampf war ja als Standort-Bestimmung geplant. Da ging es vor allem darum, dass viele Sachen zusammenkommen. Selbst wenn der Speer dann nur auf 84, 85 Meter geflogen wäre, wäre ich zufrieden gewesen. Allerdings braucht man aktuell einfach eine Weite um die 89 Meter, um international vorne mitzuhalten.

Sie haben in dieser Saison seit dem Winterwurf-Europacup im März insgesamt zwölf Wettkämpfe bestritten. Brauchten Sie die vielen Würfe, damit jetzt alles zusammenpasst?

Thomas Röhler:

Zwölf klingt jetzt fast ein bisschen wenig für meinen Geschmack (lacht). Aber es war so geplant in diesem Jahr: Wettkampf ist das beste Training. Nur mein Trainer [Anm. d. Redaktion: Harro Schwuchow] und ich können verstehen, dass auch 82 Meter ein Top-Resultat sind. Das ist etwas, das ich in dieser Saison gelernt habe. Das sind Etappen, die man machen muss, um irgendwann weiter zu werfen. Ich hätte auf dem Niveau vom letzten Jahr weiterwerfen können, keine Frage. Aber irgendwann wird einem ja auch langweilig dabei, sich immer auf einem Niveau zu bewegen. Und dann muss man sich was Neues ausdenken.

Und was war das Neue?

Thomas Röhler:

Grundsätzlich sind wir unserem Stil im Training schon treu geblieben. Aber wir haben mit verschiedenen Ansätzen rumgespielt. Wir haben den Prozess vorangetrieben, individuell die beste Technik zu finden, um weit zu werfen.

Ihr Saison-Aufbau hat auch dazu geführt, dass Sie bis Samstag in der deutschen Bestenliste „nur“ die Nummer zwei hinter Aufsteiger Johannes Vetter waren. Gab es da Momente des  Zweifels und der Ungeduld angesichts der starken nationalen Konkurrenz?

Thomas Röhler:

Ich habe unserem Plan vertraut. Trotzdem: Wir sind Leichtathleten, wir leben von Zahlen, Listen und Ergebnissen. Und da will man am liebsten ganz oben auf der Liste stehen. In unserer Disziplin hat sich in Deutschland extrem viel getan, wir fahren mit vier Leuten zur WM, da ist komplett Feuer drin im Speerwurf, diese Konkurrenzsituation im eigenen Land ist für den einzelnen Sportler wichtig.

Sie sind mit Ihrem Wurf nun die Nummer drei der Welt. Sie sind der Sieger des Diamond Race 2014 und haben damit eine Wild Card für die WM. Als Außenseiter können Sie spätestens jetzt wohl nicht mehr nach Peking fahren…

Thomas Röhler:

Nein, das geht jetzt nicht mehr. Auch wenn ich mich in dieser Saison darum bemüht habe, im Hintergrund zu bleiben, um dann später zuzuschlagen. Jetzt prasseln da schon ziemlich viele Zahlen auf einen ein. Platz drei in der Welt, Platz drei der ewigen deutschen Bestenliste – aber in Peking helfen dir diese Zahlen überhaupt nichts. Da geht es nur um den Wettkampf, und da muss man auch gucken, was der Rest macht.

Was haben Sie sich denn vorgenommen? Gibt es Anlass, Ihre Ziele nach dem jüngsten Wettkampf noch einmal anzupassen?

Thomas Röhler:

Die Zielsetzung bleibt gleich. Ich bin der Auffassung, dass der Speerwurf in Peking einer der spannendsten Wettbewerbe wird und einer der Wettbewerbe mit dem offensten Ausgang. Da ganz genaue Ziele abzustecken ist schwierig. Ich will in den Top Fünf landen. Aber es ist eine Meisterschaft, zuerst geht es um die Qualifikation. Im Finale werden wir sehen, was passiert.

Mehr:

<link news:42711>Thomas Röhler haut 89,27 Meter raus

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