
Thomas Röhler nach lehrreichem Jahr bereit für mehr
Erfolgreich und lehrreich: Speerwerfer Thomas Röhler hat viel für sich mitgenommen aus dem EM-Jahr 2014, das für ihn eine riesige Enttäuschung und einen großen Triumph bereithielt. Am kommenden Wochenende nimmt der Athlet vom LC Jena wieder Anlauf, beim Winterwurf-Europacup in Leiria (Portugal; 14./15. März).
Dass es für ihn in seiner Disziplin fast keine Wettkämpfe in den Wintermonaten gibt, stört den mehrfachen Deutschen Meister Thomas Röhler eher weniger: „Die lange Pause ist absolut in Ordnung und angebracht, weil ich im Sommer doch an zahlreichen Wettkämpfen teilnehme. Ich kann mich in den fünf Monaten gezielt auf den Sommer vorbereiten. Es ist auch eine Zeit, in der ich auch mal den Kopf frei bekomme und nicht an Speerwurf denke.“
Aber irgendwann kommt er doch wieder – dieser Moment, in dem das Speerwerfen wieder in den Fokus rückt. In Leiria zum Beispiel. In den Wurf-Wettbewerben der Männer misst sich Thomas Röhler am Sonntag mit der europäischen Wurfspitze.
In Leiria Einzelkämpfer
Er ist der einzige DLV-Athlet, der in der Männerkonkurrenz vertreten ist. Für ihn eine unbefriedigende Situation: „Über die Mannschaftsbesetzung habe ich bereits mit Wurf-Bundestrainer Jürgen Schult und Speerwurf-Bundestrainer Boris Obergföll gesprochen. Ich finde es schade, dass ich allein für Deutschland im Männerfeld vertreten bin. Es ist traurig, wenn man es nicht schafft, eine komplette Mannschaft für alle Disziplinen zu stellen. Der Wettkampf lebt vom Teamgedanken, wenn Mannschaften gegeneinander antreten.“
Jürgen Schult erklärt, dass es den weiteren deutschen Kandidaten für die Startplätze in Leiria freigestellt gewesen wart, dort anzutreten - sie hätten aber auf den Start verzichtet, weil ihnen der Wettkampf nicht in die Saisonplanung gepasst habe.
Dass „jeder Sportler eine andere Jahresplanung verfolgt“ erkennt auch Thomas Röhler an - der Saisonhöhepunkt wartet schließlich erst im August mit den Weltmeisterschaften in Peking (China). Ein mehr als erstrebenswertes Ziel, auch für den jungen Jenaer. Mit Blick auf die kommende Saison erwartet Röhler „einen heißen Tanz“. Der weltweit viertbeste Speerwerfer des Jahres 2014 peilt die 88-Meter-Marke an und setzt zudem erneut auf die gewohnte Stabilität in den Würfen.
Technik steht im Vordergrund
Wie bereits in den vergangenen beiden Jahren bietet der Winterwurf-Europacup für Thomas Röhler eine gute Möglichkeit, seine Frühform zu testen. So ganz locker und ohne Druck: „Wir haben im Vorfeld gesagt, dass wir den Wettkampf mitnehmen. Ich kann mich mit der europäischen Wurfelite messen, ohne eine Anspannung zu spüren.“
Die Weite ist für ihn da eher nebensächlich: „Ich hatte jetzt lange keinen Speer mehr in der Hand. Für mich ist es ein reiner Wettkampf Mann-gegen-Mann, in dem für mich persönlich die technische Seite im Vordergrund steht. Von der Weite lasse ich mich einfach überraschen.“ Vielleicht segelt das Wurfgerät des Fünften der ewigen deutschen Bestenliste erneut über die 81-Meter-Marke wie in den vergangenen beiden Jahren oder sogar noch darüber hinaus.
Aus Negativ-Erlebnis gelernt
Richtig weit hinaus ging es für ihn am 28. August beim Diamond-League-Meeting im Letzigrund-Stadion in Zürich, als er seine Bestleistung auf 87,63 Meter steigerte. Der Ausflug in die Schweiz wurde ihm noch weiter versüßt: mit einem Tagessieg, einem Diamant-Pokal für den Gesamtsieg im Diamond-Race und einer Prämie von 50.000 Dollar. Thomas Röhler schloss mit dieser grandiosen Leistung auch ein wenig Frieden mit dem Stadion, in dem er nur wenige Tage zuvor eine große Enttäuschung erlebt hatte.
Mit großen Hoffnungen war Thomas Röhler zu den Europameisterschaften gereist. Aufgrund seiner Vorleistungen zählte er sogar zu den Mitfavoriten auf eine Medaille. Dann kam das Finale, das für ihn wie ein Albtraum verlief. Mit 70,31 Meter kam er nicht über einen zwölften Platz hinaus. Er haderte mit sich und mit der harten Anlaufbahn im Stadion, auf der er stark ins Rutschen geriet.
„Der Wettkampf war für mich der Negativpunkt in der Freiluftsaison“, blickte der Student für Sport- und Wirtschaftswissenschaften auf den Saisonhöhepunkt zurück. Das Negativ-Erlebnis brachte auch etwas Positives. „Man muss sich immer wieder explizit auf die Bahnbedingungen einstellen und darf sich nicht auf die Angaben auf dem Papier verlassen“, zogen Thomas Röhler und sein Trainer Harro Schwuchow entsprechende Lehren.
In Paris platzte der Knoten
Beim Blick zurück nennt er auch ein Ereignis, dass ihm persönlich viel bedeutet. Nennt es sogar „sportlichen Meilenstein“. Datiert ist es auf den 5. Juli – achte Station der Diamond-League-Serie. Im gigantischen Stade de France glänzte Röhler mit 84,74 Meter.
„Mein Wettkampf in Paris war für mich der erste große Lichtblick in dem Jahr. In dem Moment habe ich gespürt, dass ich 85 Meter werfen kann - und wie es funktioniert.“ Der Sommer war also ein sehr lehr- und erfolgreicher für den Aufsteiger des Jahres. Und daran will er jetzt anknüpfen.
Mit Norwegern im Trainingslager
Für die Fortführung der letzten Erfolge legt Thomas Röhler seit September die Grundlagen. Ob an der Kletterwand, auf der Slackline oder mit Läufen durch die Natur, das Training ist vielseitig gestaltet und bietet neben den Einheiten mit dem Speer genügend Abwechslung. Das erste Trainingslager liegt ebenfalls schon hinter dem sympathischen Athleten. Gemeinsam mit dem Speerwurfteam der Osloer Elite-Sportschule „Wang“ verbrachte er zu Beginn des Jahres zwölf Tage auf Lanzarote.
Eigentlich lassen sich andere Nationen in der Vorbereitung nur ungern in die Karten schauen. Aus einer Tribünensituation, in der die Trainer locker ins Gespräch kamen und sich unter anderem über Trainingslager unterhielten, wurde nun eine gute Zusammenarbeit. „In den Gesprächen wurde deutlich, dass die Norweger und wir eine ähnliche Philosophie verfolgen“, sagt Thomas Röhler und schiebt mit einem verschmitzten Lächeln hinterher, dass „wir aber nicht alle Tricks verraten haben.“
Im Studium auf der Zielgeraden
Innerhalb der zwölf Tage lag der Fokus auf unterschiedlichen kleinen Übungen mit viel Spielcharakter. Ebenso wurde im technischen Bereich gearbeitet. „Meistens am Abend, wenn der Wind etwas ruhiger wurde, habe ich locker ein paar Würfe gemacht.“ Bis Ende März läuft die Vorbereitung auf den Sommer. Zum Auftakt in die Freiluftsaison geht es wohl nach Doha (Katar). Dort startet am 15. Mai die Diamond-League-Serie. Das ganz große Ziel heißt aber WM in Peking.
Seine beruflichen Ziele formuliert Thomas Röhler ebenso klar wie seine sportlichen. Im Studium geht es für ihn auf die Zielgerade zu. „Ich stehe kurz vor dem Abschluss. Ich schreibe in den kommenden Wochen die letzten Prüfungen, ein Praktikum steht noch aus und dann folgt die Bachelorarbeit.“ Sport und Studium lassen sich für ihn gut miteinander vereinbaren. Spaß bereitet ihm beides. So wie sicherlich auch sein erster Wettkampf am Wochenende in Leiria.