| Speerwurf-Trainingsgruppe Jena

Thomas Röhler und Co. setzen auf Turnübungen

Olympia-Sieger und Europameister Thomas Röhler hat die Vorbereitungen auf die WM-Saison aufgenommen. Wichtiger Bestandteil seines Trainingsprogramms sind Turnübungen. Einmal in der Woche stehen in der Gruppe um Coach Harro Schwuchow Pauschenpferd, Trampolin und Barren im Mittelpunkt.
Sandra Arm

Sportforum Jena, drei Hallen, eine davon nimmt an jenem Dienstagvormittag die Trainingsgruppe von Harro Schwuchow in Beschlag. Beim Blick durch die zwei gläsernen Bullaugen eröffnet sich dem Betrachter das Turnparadies mit Ringen, Barren, Boden, Pauschenpferd, Trampolin und Schnitzelgrube. In Kooperation mit dem Jenaer Turnverein steht ihnen in gegenseitiger Absprache die Turnhalle zur Verfügung. 

"Wir könnten uns die Geräte nicht leisten, müssten sie uns extra anschaffen. So haben wir in den Wintermonaten die Möglichkeit, einmal in der Woche die Geräte zu nutzen. Dafür sind wir sehr dankbar", sagt Thomas Röhler.

Maurice Voigt, einer der Speerwurf-Youngster, springt sich auf dem Trampolin warm, imitiert vor den Augen seines Trainers die Haltung eines Speerwerfers vor dem Abwurf. Immer wieder katapultiert er sich in die Höhe, immer wieder fällt dabei das Wort Körperspannung. "Bei dieser Übung geht es darum, in die richtige Körperposition reinzuspringen und sie zu halten. So wie auf dem Boden. Nur macht das Trampolin die Sache extrem schwierig", erklärt der 18-Jährige, der vor einem Jahr ans Sportgymnasium nach Jena wechselte.

Willkommene Abwechslung

Vor gut drei Monaten fiel der Startschuss, seitdem läuft bei den jüngeren Athleten wie Maurice Voigt und Tom Pabst die Vorbereitung auf die kommende Saison. Zwei Einheiten früh, fünf nachmittags stehen in der Woche auf dem Plan. "Momentan befinden wir uns in der Aufbauphase. Das Training ist straff, wir machen viel Kraft und koordinative Sachen", erzählt Maurice Voigt, der die willkommene Abwechslung in der Turnhalle genießt.

"Das ist ein schöner Ausgleich. Hier haben wir einfach mehr Platz als in der Laufhalle. Und die Verletzungsgefahr ist auf den weicheren Böden nicht so hoch." Was er damit meint, zeigt sich nur wenige Minuten später. Aus einer Schaumstoffmatte und Schaumstoffbalken baut er sich ein über zwei Meter großes Hindernis. Der spezielle Schwingboden gibt ihm den nötigen Auftrieb für den waghalsigen Salto. Matte fixieren, kurze, schnelle Schritte und schon liegt Maurice Voigt in der Luft, überschlägt sich und rollt sich abschließend auf dem Boden ab. Geschafft. 

Kurz erholt, schon wartet die nächste Herausforderung: Für den Rückwärtssalto auf dem Trampolin braucht er mehrere Anläufe, so dass er ihn zunächst auf Anweisung seines Trainers im Trocknen rücklings in die Schnitzelgrube probiert. Irgendwann hat er den Dreh auch auf dem Trampolin raus. Auch weil ihn Harro Schwuchow ein wenig anstachelt und antreibt. 

Tom Pabst möchte 2019 angreifen

Maurice Voigt holte bei der U20-WM im finnischen Tampere Bronze. Boras heißt das Ziel im nächsten Jahr. In der südschwedischen Provinzstadt findet die U20-EM statt. Dort möchte auch Tom Pabst teilnehmen, der vor seinem ersten U20-Jahr steht. "Wir wollen beide erfolgreich im Speerwurf sein und haben uns vorgenommen, zu Zweit zum internationalen Wettkampf zu fahren. Das ist unser gemeinsamer Traum", erklärt Tom Pabst, der vor zweieinhalb Jahren nach Jena kam. 

Der vielseitige Athlet aus Gotha hatte stets den Wurf als beste Disziplin. "Ich war beim Ballwerfen einer der Besten. Mein ehemaliger Trainer Stefan Schreyer führte mich ans Speerwerfen ran." Es folgte der Wechsel ans Sportgymnasium nach Erfurt, wo der Fokus noch auf allen Disziplinen lag. Der Wurf stach immer deutlicher heraus. "Glücklicherweise bin ich dann zu Harro und Thomas nach Jena gekommen." 

Optimismus nach frühem Saison-Aus

In diesem Sommer konnte Tom Pabst sein Potenzial nicht abrufen. Eine angerissene Sehne im Ellbogen bedeutete für ihn das frühzeitige Saison-Aus. Zuversichtlich blickt er aber nach vorn: "2019 werfe ich erstmals mit dem 800-Gramm-Männerspeer. Es hat sich bereits im Training angedeutet, dass der neue Speer besser geflogen ist als das leichtere Gerät." 

Das Turntraining freut Tom Pabst. Als ehemaliger Turner ist er in diesen Stunden ganz in seinem Element. "Die Ideen für Übungen hole ich mir aus dem Internet und baue mir dann aus einzelnen Elementen eine neue zusammen. Zum Coach sage ich, dass ich sie gern mal ausprobieren würde." Harro Schwuchow hat stets ein offenes Ohr für seine Athleten, lässt ihnen viele Freiräume, um sich zu entfalten.

Pauschenpferd als körperliche Herausforderung

Etwas verspätet stößt Thomas Röhler hinzu. Sogleich geht er aufs Trampolin, wenig später an den Handstand-Barren, den Barren, an die Ringe und letztlich zum Pauschenpferd. Vor wenigen Tagen legte Thomas Röhler seine Hände erstmals um die Pauschen. "Wir suchen jedes Mal die schwierige Situation. Unser Turntraining ist so ausgelegt, spätestens nach drei Wochen brauchen wir eine neue körperliche Herausforderung", betont der 27-Jährige. 

An jenem Vormittag steigt der Speerwurf-Olympiasieger einige Male auf das Pauschenpferd, immer und immer wieder. Kraftvoll drückt er sich an den Griffen in die Höhe, die Beine sind gespreizt, wobei eins vor und eins hinter dem Pferd bewegt wird. Die Beine lässt er wie ein Pendel schwingen. "Wenn ich irgendwie anfangen soll, dann so", lautete die Ansage vom Coach mit dem er seit fünf Jahren konstruktiv zusammenarbeitet.

Viel Kraft und Geduld sind gefragt. "Du brauchst eine extreme Hüftbeweglichkeit, um die Höhe des Schwungs zu bekommen, um dann wieder umzugreifen. Es gehört auch ein bisschen Rhythmusgefühl dazu", erklärt er das auftretende Problem. Irgendwie kommt er nicht weiter, das Internet muss helfen. Gemeinsam mit seinem Coach sucht er nach Videos, um die Bewegungsabläufe zu optimieren.

Thomas Röhler denkt über Doha hinaus

Herausfordernd wird das Sportjahr 2019, die WM in Doha (Katar; 28. September bis 6. Oktober) markiert wohl den Saison-Schlusspunkt. "Wir nehmen die Herausforderung an. In diesem Jahr hatten wir mit dem Continental Cup eine ebenso lange Saison. Das nimmt sich nicht viel. Es ist nur so, dass das Highlight erst spät in der Saison folgt", betont Thomas Röhler, dessen Blick schon ins Olympiajahr 2020 gerichtet ist. Tokio (Japan) ist dann wiederum früh in der Saison. "Wenn wir alles auf die Karte Doha setzen würden, dann zerschießen wir uns ins Richtung Tokio. Das ist unclever. Die Olympischen Spiele haben einen ganz anderen Stellenwert als eine WM."

Schließlich möchte er nochmals Olympia-Gold gewinnen. Ihm ist aber auch bewusst, dass ein Goldstück in seiner Sammlung noch fehlt: der WM-Titel. "Natürlich ist da noch eine Rechnung offen, wir werden auch alles dafür tun, aber wir haben in Doha sehr viele Unbekannte wie ein klimatisiertes Stadion. Im Stadion sind es 24 Grad, oben sind es 40 Grad. Was passiert mit dem Speer? Keiner weiß es", gibt Thomas Röhler zu bedenken.

Die Gedanken kreisen. Harro Schwuchow bleibt ruhig: "Jetzt darüber zu philosophieren macht keinen Sinn. Man muss sich darauf einstellen, seine Schlussfolgerungen ziehen und sich ganz konzentriert darauf vorbereiten." Mit ganz viel Spaß, gegenseitigem Austausch, vielen neuen Inspirationen und einer Trainingsgruppe, die sich gegenseitig fordert und fördert.

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