Tim Lobinger - "2009 ist eine Riesenchance"
Mit Brüchen in beiden Leisten absolvierte Stabhochspringer Tim Lobinger die abgelaufene Freiluft-Saison. Im Interview mit DLV-Mediendirektor Peter Schmitt erzählt der Kölner, wie es ihm nach der Operation geht und warum die WM 2009 in Berlin eine Riesenchance für die Leichtathletik ist.

Tim Lobinger:
Die ganze Saison 2007 stand bei mir unter dem Zeichen der Gesundheit. Hier hatte ich erstmals in meiner Karriere massive Probleme. Ich habe im März Leistenprobleme bekommen. Im April hat sich herausgestellt, dass ich beide Leisten gebrochen hatte. Dann begann der Kampf, weil ich mich dagegen entschieden hatte, die Saison abzubrechen und mich operieren zu lassen.
Inzwischen sind Sie an der Leiste operiert worden. Wie ist die OP verlaufen?
Tim Lobinger:
In den ersten zwei Wochen nach der OP, die ich am 1. Oktober hatte, dachte ich, es wäre doch möglich gewesen, mich in der Saison operieren zu lassen. Operiert wurde ich bei Dr. Hoffmann in München in der Maria Theresienklinik. Man könnte auch sagen hinter dem Fünferlooping während dem Oktoberfest. Und das hat super geklappt: Tag vier raus aus der Klinik, Tag fünf Krafttraining, Tag 14 Tempoläufe. Das Trainingslager in Monte Gordo kann ich extrem gut nutzen, da ich im kommenden Jahr eine volle Hallensaison plane. Nach dem vergangenen Jahr als drittbester Deutscher habe ich genug Motivation, zu zeigen, dass ich besser bin als Drittbester in Deutschland.
Was waren aus Ihrer Sicht 2007 die Höhepunkte?
Tim Lobinger:
Für mich gab es vor allem zwei Höhepunkte. Zum einen den Europacup vor heimischem Publikum in München, den ich zuletzt in Bremen verpasst hatte, und dann die WM in Osaka. Ich habe den Europacup gewonnen. Die Atmosphäre in München war schön. In Osaka bin ich genauso hoch gesprungen wie der Medaillengewinner Danny Ecker. Auch da ist nicht viel schief gegangen. Ich habe gut geplant, habe mich gut vorbereitet. Am Ende lag es an Fehlversuchen. Es geht immer darum, so hoch zu springen wie kein anderer. Das habe ich in diesem Jahr gut hinbekommen, da nur zwei höher gesprungen sind. Am Ende hat das Kleingedruckte meine Rechnung durcheinander gebracht. Ich bin zum wiederholten Mal ohne Medaille nach Hause gegangen, trotzdem habe ich innerlich Osaka sehr positiv gespeichert und damit die ganze Saison.
Wird Tim Lobinger auch im Olympiajahr wieder so viele Wettkämpfe wie möglich bestreiten?
Tim Lobinger:
Für mich und meinen Trainer ist es ein Thema, das Konzept zu überdenken. Nächstes Jahr bietet es sich an, anders zu planen, da wir durch die Fußball-EM ohnehin eine kleine Wettkampfpause haben. Ich denke wir werden die Pause nutzen, aber wir werden im Bereich von 25 Wettkämpfen arbeiten. Die Vielzahl meiner Wettkampfeinsätze liegt daran, dass ich den Stabhochsprung lebe. Keine Trainingseinheit ist so schön wie ein Wettkampf. Das ist Teil meiner Philosophie und deshalb werde ich keinerlei Experimente machen.
Was muss sich im Hinblick auf die WM 2009 ändern, um die Leichtathletik noch interessanter zu machen?
Tim Lobinger:
Entscheidend ist der Spruch: Die Leichtathletik muss nicht neu erfunden werden. Ich denke, man hat in den letzten Jahren einiges probiert. Teilweise waren die Versuche sehr, sehr sinnvoll. Die Präsentationsform muss teilweise geändert und verbessert werden. Man muss auch überdenken, an welchen Tagen und in welchen Monaten die Leichtathletik präsentiert wird. Ich finde es sinnvoller, wenn wir eine Hallensaison von Dezember bis Februar hätten und eine Sommersaison, die kompletter ist und nicht so zerrissen mit festen Leichtathletik-Tagen. Erfreulich ist, dass die EAA auf einem guten Weg ist. Die IAAF blockiert noch, was schade ist. Da ziehen nicht alle an einem Strang. Ich denke, der DLV probiert eher auf Linie der EAA viel aus, was ein guter Weg ist. Ich sehe aber auch manche Dinge, die sich nicht gut entwickeln. Die German Meetings werden national eher überbewertet, international dagegen unterbewertet. Da muss mehr passieren. Da müssen mehr Meetings in eine Serie zusammengefasst werden und Dinge wie den DKB-Cup sollte man ein bisschen in der Form abändern. Der ist schön, geht aber irgendwie unter. Die Meetings müssen qualitativ hochwertiger werden, da sage ich: weniger Disziplinen und bessere Felder. Und man muss sehen, dass die Deutsche Meisterschaft nicht an Qualität verliert, aber da ist man auf einem guten Weg.
Wie siehst Du die Entwicklung der Leichtathletik insgesamt?
Tim Lobinger:
Man merkt schon, dass was passiert und uns Olympia mal wieder hilft. Das ist normal. Das ist alle vier Jahre so, da haben wir mehr Aufmerksamkeit. Berlin ist ein ganz entscheidender Schritt. Da merke ich auch, dass jetzt ein Ruck durch verschiedene Sponsorenkreise geht, von denen man hoffentlich wieder profitiert. Ich denke in diesem Aufwind könnte es sein, dass wir verdienstmäßig nicht ganz so unterbelichtet sind, sondern dass sich da etwas tut. Das wäre wichtig, weil die Jugend die Leichtathletik dann ganz anders wahrnimmt. Momentan ist es so: ein Fußballer fährt einen Porsche, ein Leichtathlet kommt mit dem Fahrrad. Das sind die Widersprüche, die uns nicht gut tun. Und manchmal habe ich das Gefühl die Jugendlichen denken dann noch das Fahrrad ist geleast. Es ist schon so, dass man als Motivationsfaktor gerade im jungen Alter was haben muss, wo man sich vorstellen kann, da kann ich mir später etwas leisten. Sich jeden Tag zu quälen ist halt schwer, vor allem wenn man nicht das Ziel vor Augen hat, dass man sich irgendwann mal ausruhen kann. Die Leichtathletik ist momentan qualitativ wesentlich besser als vor fünf Jahren. Da hatten wir ein großes Tief. Ich hoffe, dass Olympia nicht noch mal ein Tief auslöst, denn bei Olympia eine Medaille zu holen ist wirklich sehr, sehr schwer.
Die WM 2009 ist eine Riesenchance für die Leichtathletik – wie sieht Ihre Einschätzung aus?
Tim Lobinger:
Den Knick vor fünf Jahren hatten wir noch in den Nachwehen der Olympiade von 2000 in Sydney. Die war zwar erfolgreich, aber es sind mehr als 50 Prozent der Sponsoren abgesprungen. Wir hatten die erste Krise in den Kleinvereinen und Großvereinen. Das ist jetzt noch schlimmer geworden. Es wird so langsam abgepuffert durch den Verband, der sich individuell mehr engagiert, mehr Verantwortung übernimmt und zukunftsorientierter arbeitet über das Karriereende hinaus. Das ist ganz, ganz wichtig, dass wir hier Chancen haben. Ich denke 2009 ist eine Riesenchance für die Leichtathletik. Ich habe 1993 als junger Athlet miterlebt und gemerkt, was eine WM für ein Land bedeutet. 2009 ist eine Chance, die Leichtathletik so zu präsentieren, dass wir junge Athleten bekommen und alte euphorisch behalten, die dann auch mehr Verantwortung in einem Verband übernehmen, der natürlich auch irgendwann immer mal kleinere Generationswechsel hat. Das ist enorm wichtig. Ich bin froh, dass wir so eine tolle Meisterschaft, immerhin die drittgrößte, die es gibt nach Olympischen Spielen und der Fußball-WM, nach Deutschland geholt haben.