Tim Lobinger - Motiviert wie ein Junger
Im Jahr 1980 machte Tim Lobinger (LG Stadtwerke München) seinen ersten Stabhochsprung-Wettkampf. Jetzt, 29 Jahre später, hat der 36-Jährige noch nichts von seinem Willen verloren. "Ich freue mich noch genauso, fluche noch genauso und bin noch genauso motiviert wie zu Beginn meiner Karriere", sagt der Routinier, für den dieses Jahr nur eines zählt: Die Weltmeisterschaft in Berlin (15. bis 23. August).
Tim Lobinger ist braun gebrannt. Der frühere Hallen-Weltmeister kehrte erst vor wenigen Tagen aus dem Trainingslager in Stellenbosch (Südafrika) zurück. Dort hat er mehr als vier Wochen lang unter der Sonne Südafrikas trainiert. Fast zwei Wochen länger als sonst.Der Grund für das längere Trainingslager ist ein einfacher. Tim Lobinger will zur WM nach Berlin. "Ich habe 1993 in Stuttgart schon einmal eine Weltmeisterschaft im eigenen Land erlebt. Das war ein Kern-Ereignis in meiner Karriere, das ich unbedingt noch einmal erleben will", sagt der zweimalige Hallen-Europameister.
Damit er auch tatsächlich dabei ist, wenn es im Berliner Olympiastadion um die Vergabe der Medaillen geht, verzichtet Tim Lobinger auf vieles. So wird der Vielspringer in dieser Hallensaison entgegen seinem Naturell nur wenige Wettkämpfe bestreiten. Im Sommer will er erst im Juni in das Geschehen eingreifen.
Wintertraining mit Anlauframpe
Um sein Training zu optimieren und auch im Oktober, November, Dezember, dann wenn die Trainingsbelastung extrem hoch ist, vernünftige Sprünge mit dem Stab machen zu können, baute sich Tim Lobinger zusammen mit seinem Trainer Chauncey Johnson eine Anlauframpe. Nach zwei Tagen Arbeit, war die 30 Meter lange Anlage mit einem Gefälle von acht Prozent dann fertig.
"Die Trainingsbelastung ist im Winter einfach so hoch, dass wenn ich normal springe, nicht viel auf die Reihe bekomme. Durch die Anlauframpe erreiche ich automatisch eine hohe Anlaufgeschwindigkeit und kann so Höhen von 5,40 bis 5,80 Meter springen", erklärt Tim Lobinger.
So viele Sprünge im Winter wie noch nie
Dank der Anlauframpe brachte er es im Winter auf 300 Sprünge. So viele wie nie zuvor. "So eine Anlauframpe kann ich jedem nur empfehlen", sagt Tim Lobinger, der sich das Material für die Rampe aus dem Baumarkt besorgt hatte.
Vor Tim Lobinger hat sich eine solche bereits die Stabhochsprung-Weltrekordlerin Yelena Isinbayeva (Russland) zu Nutzen gemacht. Sie sprang so zum ersten Mal im Training über 5,00 Meter.
Misslungener Start in die Hallensaison
Trotz der guten Trainingsergebnisse ist Tim Lobinger sehr bescheiden in die Hallensaison gestartet. Am 29. Januar scheiterte er beim Meeting in Göteborg (Schweden) dreimal an seiner Anfangshöhe von 5,35 Metern und auch drei Tage später in Leipzig verlief mit 5,40 Metern noch nicht alles nach Wunsch.
Doch der 1,93 Meter große Athlet sieht keinen Grund zur Besorgnis. "Göteborg war einfach zu kurz nach dem Trainingslager. Ich hatte noch die ganzen Reisestrapazen in den Knochen, aber ich wollte unbedingt in Schweden springen", sagt der 36-Jährige, der nach seiner Leisten-Operation im Jahr 2007 wieder gesund und schmerzfrei ist.
99 Mal über 5,80 Meter Ein großes Ziel für die Hallensaison hat Tim Lobinger dann aber doch noch. 99 Mal sprang er bislang in einem Wettkampf 5,80 Meter oder höher. In den nächsten Tagen soll der 100. Sprung folgen. Wenn es nach dem 36-Jährigen geht, am liebsten bei den Meetings in Stuttgart (7. Februar), Düsseldorf (13. Februar) oder in Karlsruhe (15. Februar). "Die Stimmung ist dort einfach immer am besten", sagt der deutsche Rekordhalter (6,00 m).
Der 100. Sprung über 5,80 Meter ist Tim Lobinger sogar wichtiger als der Deutsche Meistertitel in der Halle. Dementsprechend würde er diesen Höhenflug auch feiern. "Ich sage mal soviel. Ich würde danach nicht gerade auf die Meeting-Feier gehen, sondern lieber in die Stadt."
5,90 Meter als Empfehlung für Berlin
Einen genauen Plan, wie er sich für die WM in Berlin qualifizieren will, hat Tim Lobinger auch schon. "Ich möchte so früh wie möglich 5,80 Meter überspringen und dann bald 5,90 Meter nachlegen. Dann sollte ich dabei sein", meint der sechsmalige Deutsche Freiluftmeister.
Auch für ein mögliches Scheitern hat sich Tim Lobinger schon seine Gedanken gemacht. "Ich werde mir den Wettkampf auf jeden Fall vor Ort anschauen, wenngleich es sicherlich sehr weh tun würde, aber ich kann mittlerweile recht gut mit Misserfolgen umgehen", sagt Tim Lobinger, der aber hinzufügt: "Ich möchte lieber aus dem Innenraum des Berliner Olympiastadions winken als in den Innenraum."
Seine Karriere will der Stabhochsprung-Haudegen auf jeden Fall bis zu den Olympischen Spielen 2012 in London (Großbritannien) fortsetzen. Was dann folgt, ist noch unsicher. "Vom Trainer bis zum Fernsehkommentator kann ich mir alles vorstellen", sagt Tim Lobinger.
Athleten in die "Bild"
Auch wenn die Vorfreude auf die Heim-WM bei Tim Lobinger bereits groß ist, so ist er doch auch ein wenig zwiespältig. "Ich weiß nicht, ob ich es besser finden würde, wenn die WM ein Erfolg werden würde oder wenn sie ein Misserfolg werden würde. Wird die WM ein Misserfolg, würde sich in der deutschen Leichtathletik vielleicht etwas Entscheidendes ändern", sagt Tim Lobinger.
Eine Idee, wie man diese in der Öffentlichkeit präsenter machen kann, hat der 36-Jährige auch schon. "Man muss auch mal was riskieren. Zum Beispiel eine Seite in der Bild-Zeitung kaufen und dort einen Athleten oder eine Athletin präsentieren. Dann würden etwa elf Millionen Menschen diese Athletin oder diesen Athleten kennen und sich vielleicht mehr für die Leichtathletik interessieren", meint Tim Lobinger.