Tim Montgomery prescht ins Rampenlicht
Zuerst nahm ihn Trainer Trevor Graham vor Freude auf die Schultern, dann gab es von Freundin Marion Jones ein Küsschen zur Belohnung. Tim Montgomery wurde am Samstag beim Grand-Prix-Finale in Paris nach seinem Fabel-Weltrekord über 100 Meter in 9,78 Sekunden doch sehr verwöhnt.
Tim Montgomery ist jetzt die Nummer eins im Sprint (Foto: Chai)
Davon abgesehen, dass auch die Kasse klingelte. Der neue 100-Meter-Held ist in nicht mal ganz zehn Sekunden um 250.000 Dollar reicher geworden. Frei nach dem Musical von George Gershwin: Ein Amerikaner in Paris. Da geht gar nichts ohne Happy-End. Ob ihm die Liebe Beine macht? Seit einigen Monaten ist der 27-jährige US-Amerikaner – lange wurde ein Geheimnis daraus gemacht - mit Supersprinterin Marion Jones liiert.
Die gewann in Paris bei den Frauen den Gesamt-Grand-Prix und gehört ebenfalls zur "schnellen Truppe". Nach dem Motto "Gleich und gleich gesellt sich gern", trainieren und "bussieren" die beiden miteinander.
Aus dem Schatten in das Rampenlicht
Bisher stand der 1,78 Meter große Sprinter aus South Carolina allerdings immer zurück hinter den großmäuligen Showmännern Donovan Bailey aus Kanada, seinem Landsmann und Vorgänger in Sachen Weltrekord, Maurice Greene, oder Ato Boldon aus Trinidad, obwohl er 2001 in Edmonton den Vize-Weltmeistertitel holte über 100 Meter und bereits eine Bestzeit von 9,84 Sekunden hatte.
Nun trat der "Schattenmann" ins Licht. Dabei ist Tim Montomery einer der zurückhaltenden, bescheidenen Zeitgenossen, Marke "Traum aller Schwiegermütter", mit treuherzigem Blick und sanfter Stimme, der mit den großspurigen Ankündigungen seiner Kollegen nicht viel anfangen kann.
Im Gegenteil. Seine Konkurrenten betrachtet er mit einer gewissen Distanz. "Einige Sprinter spielen Krieg", sagt er, "um sich gegenseitig aus dem Konzept zu bringen." Doch der 27-jähirge US-Amerikaner weiß genau wie der Hase läuft. "Man versucht durch gewisse psychische Tricks das Selbstbewusstsein seiner Gegner zu brechen."
Auf der Suche nach dem perfekten Sprinter
Er selbst lässt lieber Taten sprechen. Im Juni dieses Jahres, vor dem Golden League Meeting in Oslo, träumte Tim Montgomery noch von dem "perfekten Sprinter". "Steckt Maurice Greene und mich zusammen in einen Computer. Wenn Maurice die ersten 40 Meter rennt und ich die restlichen 60, kommt eine Zeit von 9,60 Sekunden heraus", philosophierte er.
Doch der Vater des dreijährigen Jamie kann auch allein für Schlagzeilen sorgen. Dabei hatte er auch ein wenig Glück. Mit 2,0 Metern pro Sekunde wehte der Rückenwind gerade noch im Rahmen und mit einer Reaktionszeit von 0,104 Sekunden blieb er um fünf Tausendstelsekunden über dem erlaubten Limit.
"Das war ein Kindheitstraum von mir, der an einem perfekten Tag in Erfüllung gegangen ist", freute sich der kräftige Sprinter, der leidenschaftlich gerne angelt und dessen großen dunkelbraunen Augen leuchten.
Nicht mit dem Weltrekord gerechnet
Dennoch war er überrascht. "Es ist das Ende der Saison und ich hatte nie damit gerechnet, so schnell zu laufen, auch beim Aufwärmen noch nicht", meinte der neue Sprinterstar, der seine bisherige Bestzeit von 9,84 Sekunden im Jahr 2001 in Oslo in den Spikes von Marion Jones gelaufen war.
Seine eigenen hatte er damals vergessen. In Paris verriet er noch ein Geheimnis: "Ich habe heute die gleiche Starteinstellung verwendet wie Marion Jones." Offensichtlich passte die perfekt.
Schon mit 19 Jahren lief er 9,96 Sekunden. Mit drei Mal Training pro Woche. Damals soll die Bahn allerdings nur 99,96 Meter lang gewesen sein. Deshalb wurde diese Zeit nicht als Junioren-Weltrekord anerkannt. Das fuchste ihn gewaltig. "Da dachte ich, Euch zeig ich es noch. Wenn ich sechs Mal in der Woche trainiere, laufe ich noch schneller." Was er nun nachhaltig bewiesen hat!
Ursula Kaiser