Timothy Kitum - Jünger war keiner
Die Olympischen Spiele in London (Großbritannien) hielten einige Überraschungen bereit, mit Erfolgen von Athleten, mit denen vor Beginn der Spiele niemand gerechnet hatte. Timothy Kitum (Kenia) zum Beispiel, der über 800 Meter zu Bronze spurtete und so zum jüngsten Gewinner einer Laufmedaille bei Olympia wurde.
Kann ein 800-Meter-Läufer, der am 10. Februar 2012 bei seinem Hallen-Debüt in Düsseldorf mit 1:48,55 Minuten nur Vierter im B-Lauf geworden war, ein halbes Jahr später in London in 1:42,53 Minuten die olympische Bronzemedaille gewinnen? Und dabei schneller laufen als alle Olympiasieger vor 2012? Die Antworten lauten: ja. Timothy Kitum aus Kenia schaffte das. Im Schatten des Weltrekords von David Rudisha (Kenia; 1:40,91 min), den der Weltverband IAAF zur Top-Leistung des Jahres kürte.Die Sensation gelang Timothy Kitum im jugendlichen Alter von 17 Jahren und 263 Tagen. Damit war der jüngste Medaillengewinner in einem olympischen Laufwettbewerb der Männer bei diesem Coup auf den Tag genauso alt wie der legendäre US-Zehnkämpfer Bob Mathias, der seit den Spielen von London 1948 der jüngste Leichtathletik-Olympiasieger aller Zeiten ist.
Ungewöhnlich wie die Bronzemedaille in so jungem Alter war auch der Weg von Timothy Kitum zur Leichtathletik. Christopher Kimaiyo, einer seiner Lehrer an einer Oberschule im Marakwet District im Rift Valley, schickte den Kapitän seiner Schulmannschaft im Volleyball irgendwann im Jahr 2009 zu den Leichtathleten.
Training mit David Rudisha
„Der Anfang über 400 und 800 Meter war nicht einfach für mich“, erinnerte sich der heutige Weltklassemann. Als er sich erstmals für die Schulmeisterschaften in Mombasa qualifiziert hatte, musste er wegen einer Darmgrippe passen. In der U18-Weltbestenliste 2010 der IAAF findet man ihn mit 1:50,79 Minuten an 18. Stelle - im Gegensatz zu allen Läufern vor ihm noch ohne das exakte Geburtsdatum (20. November 1994).
Schon vor dieser ersten notierten Zeit, die er als Dritter in einem Vorlauf in Nairobi lief, war er Father Colm O‘Connell, dem Trainer vieler Lauf-Asse, aufgefallen. Er lud Timothy Kitum ein, in den Ferien an die Oberschule nach Iten zu kommen, um dort in seinem berühmten Camp zu trainieren. Zum Teil sogar an der Seite von David Rudisha, den sie in Kenia voller Hochachtung „King David“ nennen, seit er 2010 beim Berliner ISTAF in 1:41,09 Minuten den ersten seiner drei Weltrekorde lief. „Das hat mir sehr geholfen“, sagte der Schüler später voller Dankbarkeit.
Durchbruch 2011
Welch ein Talent er war, zeigte er erstmals am 8. Juni 2011 klar und deutlich. Auf 1.600 Metern Höhe steigerte er sich in Nairobi auf handgestoppte 1:45,8 Minuten und besiegte starke Mittelstreckler wie seine Landsleute Abraham Rotich (1:46,4 min) und Leonard Kosencha (1:46,9 min).
Der 1,72 Meter große und 60 Kilogramm schwere Ex-Volleyballspieler war enttäuscht, als er einen Monat später bei der U18-WM in Lille (Frankreich) hinter Leonard Kosencha (1:44,08 min, damals U18-Weltbestleistung) und dem Äthiopier Mohammed Aman (1:44,68 min) in 1:44,98 Minuten nur Dritter wurde.
Dauer-Konkurrent Nijel Amos
Heute beurteilt er das Abschneiden etwas anders. Immerhin lag er klar vor dem acht Monate älteren Nijel Amos aus Botswana (Fünfter in 1:47,28 min), der ihn 2012 bei der U20-WM in Barcelona (Spanien) besiegte und vor allem im Londoner Super-Finale in 1:41,73 Minuten (U20-Weltrekord) als Zweiter glänzte.
Der ehemalige belgische Mittelstreckler Marc Corstjens, dessen Landesrekord über die Meile (3:54,57 min) in diesem Jahr 20 Jahre lang besteht, wurde sein Manager. Der riet dazu, bei internationalen Hallen-Meetings im Winter vor den Olympischen Spielen in London Erfahrung zu sammeln.
Schon vier Tage nach dem Düsseldorfer Debüt bewies sein Schützling seine Klasse, als er in Liévin (Frankreich) in 1:45,96 Minuten (Platz sechs in der Hallen-Weltbestenliste 2012) Zweiter wurde. In der Halle folgten ein Sieg im Stockholmer B-Lauf (1:46,81 min) und eine Enttäuschung bei der Hallen-WM in Istanbul (Türkei), als er im Halbfinale nach einem taktischen Fehler ausschied.
Gigantisches Finale
Da er den Ehrgeiz des Youngsters kannte, sorgte Kenias Cheftrainer Julius Kirwa dafür, dass Timothy Kitum nicht das gleiche Programm bei der unmittelbaren Vorbereitung auf die Spiele absolvierte wie der Olympiafavorit David Rudisha. Der selbst warnte seinen jungen Freund mehrmals: „Ich will in London Jagd auf meinen Weltrekord machen und die ersten 400 Meter knapp unter 49 Sekunden angehen. Daher laufe mein Tempo nicht mit, sondern beginne etwas vorsichtiger!“
Nachdem er seinen Marschplan eingehalten hatte, krönte der Favorit der Favoriten in 1:40,91 Minuten den 24. Olympiasieg für einen Läufer oder eine Läuferin aus Kenia endlich mit einem Weltrekord. 80.000 Zuschauer waren aus dem Häuschen. OK-Chef Lord Sebastian Coe, der einst länger als jeder andere den 800-Meter-Weltrekord gehalten hatte, lobte: „Das war die größte Leistung der Spiele. David Rudisha ist ein großer Botschafter für die afrikanische Leichtathletik!“
Er staunte auch, dass Nijel Amos beim ersten Olympiamedaillen-Gewinn für Botswana in 1:41,73 Minuten so schnell wie er beim besten seiner einstigen Weltrekorde war. Timothy Kitum wurde belohnt dafür, dass er den Rat von David Rudisha genau befolgt hatte und so auf der Zielgeraden auf den dritten Platz spurten konnte. Dafür wurde er in seinem Heimatland zum „Aufsteiger des Jahres“ gewählt.
David Rudisha herausfordern
Für die Saison 2013 hat der Olympia-Dritte viel vor. „Ich will David bei der WM in Moskau herausfordern“, hieß es aus Nyeri. In dieser Stadt, die auf der trainingsfreundlichen Höhe von 1.850 Metern liegt, trainiert er unter Coach Sammy Macharia. Auf den Olympia-Zweiten Nijel Amos wird er schon am 3. Februar beim Saisondebüt in Moskau (Russland) treffen. Allerdings nicht über 800, sondern über 600 Meter.
Wenn er am 8. Februar zum zweiten Mal beim PSD Bank-Meeting in Düsseldorf antreten wird, dann nicht mehr im B-Lauf wie 2012, sondern als einer der großen Stars des Abends im A-Rennen.
Quelle: leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift