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Tobias Scherbarth – Neue Basis nach Rückschlägen gelegt

Die Deutschen Meisterschaften in Ulm haben eine Reihe von Titelträgern hervorgebracht, die noch nie zuvor in der Aktivenklasse ganz oben auf dem Treppchen nationaler Meisterschaften gestanden haben. Wir stellen neue Gesichter, Aufsteiger und alte Bekannte vor. Heute: Tobias Scherbarth (TSV Bayer 04 Leverkusen).
Jan-Henner Reitze

Tobias Scherbarth
TSV Bayer 04 Leverkusen

*17. August 1985
Größe: 1,96 Meter
Gewicht: 86 kg

Stabhochsprung
Bestleistung: 5.73 m (2014); Halle: 5,76 m (2009)
Deutscher Meister 2014
Vierter Universiade 2007
Fünfter U23-EM 2007

Das Top-Trio im Stabhochsprung der Männer des Deutschen Leichtathletik Verbandes (DLV) der letzten beiden Jahre hatte im Sommer 2014 mit Verletzungssorgen und Technik-Problemen zu kämpfen. Einer, der schwierige Zeiten und Verletzungen nur allzu gut kennt, erlebte ein besseres Jahr und konnte es mit seinem ersten DM-Titel krönen: Tobias Scherbarth hat trotz zwei Fußbrüchen und einem langen Weg zurück nie aufgegeben. Rückschläge haben den Leverkusener gelehrt, auf einen behutsamen Aufbau zu achten und erfolgreiche Tage zu genießen.

So empfand er es als große Ehre, die deutschen Stabhochspringer bei der Team-EM in Braunschweig zu vertreten, für die sich der 29-Jährige mit einem Sprung über 5,73 Meter im Rahmen der Saisonvorbereitung in Phoenix (USA) qualifiziert hatte und damit nach vier Jahren wieder eine Freiluft-Bestleistung aufstellte. In Braunschweig steuerte Scherbarth als Vierter ordentlich Punkte zum Gesamt-Erfolg des DLV bei.

Bei den Deutschen Meisterschaften überflog der Stabhochspringer als einziger Athlet 5,60 Meter und sicherte sich den Titel - nach Silber im Jahr 2009 und Rang drei 2013. Bei der EM in Zürich (Schweiz) folgte eine Enttäuschung: Im ersten Versuch der Qualifikation unterlief Tobias Scherbarth den Stab, rutschte ab und verbrannte sich die Hände. Auch die beiden weiteren Versuche bei der Anfangshöhe von 5,40 Metern misslangen. Aus dem Finale wurde nichts. Ganz ans Ziel seiner Träume hat das Jahr 2014 noch nicht geführt.

Doppelter Studienabschluss

Zum Stabhochsprung ist Tobias Scherbarth auf dem "klassischen Weg" gekommen. Im Alter von 10 Jahren begann er mit der Leichtathletik, erst einmal mit allen Disziplinen. Im Laufe der Jahre stellte sich heraus, dass es im Stabhochsprung am besten klappte. Von Leipzig ging es in die Trainingsgruppe von Leszek Klima nach Leverkusen. "Am Stabhochsprung fasziniert mich die Komplexität der Bewegung, die Energie die man für einen Sprung aufbringen muss und der Nervenkitzel vor und während eines jeden Sprungs", erklärt der Leverkusener, der auch die vielen Freundschaften schätzt, die er in zahlreichen Trainingslagern und Wettkämpfen beim Austausch über seine Leidenschaft geschlossen hat.

Neben dem Sport hat der Deutsche Meister ein Diplom in Sportwissenschaften gemacht, in diesem Sommer setzte er einen Master in Sportmanagement drauf. „Momentan suche ich nach einem meiner Ausbildung entsprechendem Praktikum im gehobenen Sportmanagement, welches sich mit meinem Sport verbinden lässt.“ Die Karriere auf der Tartanbahn soll noch mindestens bis 2018 weitergehen.

Das Leistungsvermögen ist bisher noch nicht ausgereizt. Bis zum Jahr 2009 ging es kontinuierlich bergauf, als zum ersten Mal die Qualifikation für eine Weltmeisterschaft gelang. Doch die Freude auf das Heimspiel in Berlin wurde einen Monat vor der WM schlagartig zu Nichte gemacht: Bei der Universiade in Belgrad (Serbien) brach der rechte Mittelfuß. Tobias Scherbarth steckte den Rückschlag weg, kämpfte sich zurück und war schon ein Jahr später ein EM-Kandidat - bis Ende Juni 2010 wieder der Mittelfuß brach, diesmal der linke. Der Kampf um eine Rückkehr ging von vorne los, keine einfache Sache.

Internationale Starts im Visier

Gemeinsam mit seinem Trainer Leszek Klima entwickelte Tobias Scherbarth wegen dieser bitteren Erfahrungen ein Trainingskonzept, das möglichst schonend für die Füße ist. Dazu gehören auch regelmäßige Aufenthalte in den USA in der Gruppe von Dan Pfaff, der es vor allem in Sachen Athletik und Kondition versteht, schonende Trainingsmethoden zu entwickeln, abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse seiner Schützlinge. Besonders Sprungkrafttraining ist eine große Belastung für die Füße und steht deshalb kaum auf dem Plan.

Dank dieses Rezepts waren in diesem Sommer 17 Wettkämpfe möglich - und das ist neben dem DM-Titel und der EM-Teilnahme ebenso ein Erfolg. Denn die Wettkampfpraxis ist eine Basis für die kommende Jahre, auf der sich aufbauen lässt. Damit möchte Tobias Scherbarth am liebsten schon im kommenden Winter beginnen. Bei 5,76 Metern steht seit dem Jahr 2009 die Hallenbestleistung - da wird es Zeit für eine Steigerung. Der Leverkusener möchte um die Tickets für die Hallen-EM in Prag (Tschechische Republik; 6. bis 8. März 2015) mitkämpfen, genauso wie im Sommer um die Fahrkarten zur WM. Großes Ziel ist natürlich eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (Brasilien).

Das sagt Bundestrainer Jörn Elberding:

Tobias ist bereit, Richtung 5,75 und 5,80 Meter zu springen. Das hat er in diesem Jahr noch nicht getan. Die Krönung hat gefehlt. Seine Leistungen sind aber vor dem Hintergrund seines Werdegangs zu sehen. Nach seinen Fußbrüchen hat er einen Weg gefunden, belastungsverträglich zu trainieren. Diese Saison war ein Schritt in die richtige Richtung. Darauf lässt sich aufbauen. Tobias ist von Natur aus schnell. Was ihn besonders auszeichnet ist sein Antrieb. Mit dieser ganzen Geschichte hätten viele die Flinte ins Korn geworfen. Er ist vergleichbar mit Björn Otto oder Tim Lobinger. Außerdem setzt sich Tobias sehr viel mit der Materie auseinander. Er spricht viel mit anderen Athleten und Trainern. Er konsumiert nicht, sondern arbeitet mit. Es geht für ihn darum, konstant über 5,70 zu springen und Richtung 5,80 zu gehen. Das war dieses Jahr schon das Ziel. Aber so eine Entwicklung ist immer eine Folge. Auf was soll er aufbauen? Jetzt hat er eine Basis. Wenn er gesund bleibt, wird er auch eine 5,80 Meter springen.

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