Tono Kirschbaum – Vom Pauker zum Trainer
Am Wochenende spielten seine Athleten noch die Hauptrolle. In Bremen, Schauplatz der Deutschen Cross-Meisterschaften, feierten Alexander Lubina und Christian Güssow einen überlegenen Doppelsieg auf der Langstrecke. Mit Manuel Meyer gewannen die flotten Jungs vom TV Wattenscheid 01 auch die Mannschaftswertung. Tono Kirschbaum stand am Seitenrand und schaute mit keckem Lächeln zu, wie Lubina & Co. für ihre stramme Leistung beglückwünscht wurden. Doch heute ist Kirschbaum selber im Mittelpunkt des Geschehens. Denn der Erfolgstrainer vom TV Wattenscheid 01 feiert einen runden Geburtstag. Er wird 50 Jahre.
Tono Kirschbaum feiert seinen 50. Geburtstag (Foto: Hörnemann)
Tono Kirschbaum ist nicht nur Theoretiker, nein, er war auch Praktiker. "Mit 13 Jahren bin ich angefangen zu laufen." Damals ging er zu Preußen Münster. "Ich liebte die langen Strecken, doch mein Trainer schickte mich zum Weitsprung und Kugelstoßen", denkt Tono Kirschbaum zurück an seine Schülerjahre, "da hatte ich sehr schnell die Faxen dicke und habe nach nur wenigen Monaten aufgehört."In der Sport-AG am Wilhelm-Hittorf-Gymnasium in Münster, wo Tono Kirschbaum aufgewachsen ist, erkannte sein Sportlehrer Hans-Adolf Hüsgen bald darauf sein läuferisches Talent. Hüsgen förderte ihn, weckte erneut das Interesse an der Leichtathletik und betreute ihn bei der LG Ratio Münster, der auch Harald Norpoth und Franz-Josef Kemper angehörten. "Sie waren meine großen Vorbilder", erzählt Kirschbaum, "ich wollte einmal so gut werden wie Norpoth und Kemper." Hüsgen, Mittelstreckler beim MSV Duisburg, wechselte dann aus beruflichen Gründen nach Düsseldorf, wo er Drogenbeauftragter des Landes Nordrhein-Westfalen wurde.
"Handwerkszeug" von Harald Norporth gelernt
Später, in der Sportkompanie in Warendorf, lernte Kirschbaum auch Harald Norpoth, den Olympia-Zweiten über 5.000 Meter, persönlich kennen, der in seiner glanzvollen Karriere 27 Deutsche Meistertitel errungen hat. "Er hat mich betreut, und von ihm habe ich das Handwerkszeug gelernt."
Nach der Bundeswehrzeit stand Tono Kirschbaum wieder ohne Trainer da. Was tun? "Ich habe mich selber trainiert", sagt er und lacht, "aber das war die reinste Katastrophe." Denn Kirschbaum, ganz westfälischer Sturkopf, wollte mit dem Schädel durch die Wand, machte zuviel des Guten und war oft verletzt. "Weil ich überzogen habe", gibt er ehrlich zu, "mit einem Trainer, der das Pensum vernünftig dosiert hätte, wäre ich sicher günstiger gefahren."
"Mit 25 den Kram hingeschmissen und aufgehört"
Die Achillessehnen bereiteten ihm schon sehr früh arge Probleme. Auch das Sprunggelenk, insbesondere das rechte, streikte immer häufiger, bis eine Operation nötig wurde. "Danach lief gar nichts mehr", erinnert er sich, "1980, da war ich gerade 25, habe ich den Kram hingeschmissen und aufgehört." Gleichwohl zählte Kirschbaum in seiner Sturm- und Drangzeit Ende der Siebziger Jahre zu den schnellsten Mittelstrecklern hier zu Lande.
Sein Wattenscheider Klubkollege Willi Wülbeck und Thomas Wessinghage, der Eine Weltmeister 1983 über 800 Meter, der Andere Europameister 1982 über 5.000 Meter, beherrschten die Szene. "An ihnen kam ich nicht vorbei", erklärt Tono Kirschbaum, "sie waren eine Klasse besser." Immerhin wurde er 1978 im Köln-Müngersdorfer-Stadion hinter Wessinghage Deutscher Vizemeister über 1.500 Meter in 3:42,4 Minuten. "Das war das schönste Erlebnis in meiner Karriere" Und nicht zu vergessen der Hallentitel mit der 3 x 1000-Meter-Staffel des TV Wattenscheid 01 in Sindelfingen 1978, als sich Startläufer Tono Kirschbaum, Jürgen Lubrecht und Willi Wülbeck in 7:13,4 Minuten den Sieg schnappten.
Als Trainer noch erfolgreicher
Neben den sportlichen Ambitionen trieb er auch seine berufliche Ausbildung voran. "Erst wollte ich Diplomsportlehrer werden, dann habe ich Sport und Geschichte für die Sekundarstufe I und II an der Uni Bochum studiert." Nach dem Referendariat bekam er keine feste Anstellung und unterrichtete übergangsweise angehende Bergleute. "Darauf hatte ich irgendwann keinen Bock mehr, so dass ich auf eine andere Schiene gewechselt bin." Kirschbaum wollte kein Pauker sein und wurde Filialleiter einer Laufschuhkette in Bochum. "Ja, ja, ich habe Runner's Point groß gemacht", meint er mit breitem Grinsen, "und bin dann schließlich beim TV Wattenscheid eingestiegen."
Schon als Läufer war er sehr erfolgreich im blau-weißen Dress, doch als Trainer ist er heute noch viel erfolgreicher. "Es war die richtige Entscheidung", betont Kirschbaum, der mit seiner Ehefrau Conny, die an der Realschule in Witten tätig ist, und den drei Kindern Anna-Lena, Timo und Antonia im Ruhrgebiet heimisch geworden ist. "Der Job liegt mir und macht obendrein jede Menge Spaß." Nachdem die Kirschbaums zunächst in Bochum gewohnt hatten, kauften sie sich 1996 ein schmuckes Häuschen in Witten-Heven. "Unsere Kinder", erzählt der Familienvater, "haben sich darüber am meisten gefreut."
"Hier kriegt uns keiner mehr weg"
Mitten im Grünen, in unmittelbarer Nähe des Kemnader Stausees, einem beliebten Ausflugsziel für Wochenend-Touristen, haben sie Wurzeln geschlagen. "Hier bleiben wir", sagen Tono und Conny Kirschbaum unisono, "hier kriegt uns keiner mehr weg." Die Wattenscheider hören es gern, denn so werden sie an ihrem nun 50-jährigen Trainer weiterhin viel Freude haben.