Trainer im Fokus - Jan May
Sie stehen hinter den Erfolgen der deutschen Topathleten, feilen mit ihnen an ihren Leistungen, jubeln und leiden mit ihren Schützlingen - und bleiben doch meist im Hintergrund. leichtathletik.de widmet sich in einer neuen Serie den Trainerinnen und Trainern in der deutschen Leichtathletik. Heute: der neue Hürden-Bundestrainer der Männer Jan May.

Als Trainer am Olympiastützpunkt in Leipzig hat Jan May Anteil daran, dass sich das LAZ Leipzig in Deutschland als Hürden-Hochburg etabliert hat. Cindy Roleder, Anne-Kathrin Elbe, Alexander John, Erik Balnuweit – sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern hat Jan May mit seinen Athleten in den vergangenen Jahren zahlreiche DM-Medaillen mit nach Hause gebracht. Cindy Roleder holte zudem 2011 U23-EM-Bronze, Alexander John schrammte 2012 nur knapp an EM-Treppchen vorbei.
Schon seit 2010 ist Jan May auch für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) tätig. Zunächst war er Assistenztrainer im Hürdensprint der Männer. Im Herbst 2012 folgte nun der nächste Schritt: Der Hürden-Fachmann wurde zum Männer-Bundestrainer berufen. „Das ist eine sehr große Aufgabe“, stellt Jan May fest. Er sei fast ein wenig überrascht gewesen, dass die Wahl auf ihn fiel, betont aber: „Ich freue mich sehr, dass das Vertrauen in mich gesetzt wird!“
Gelernter Tischler
Die eigene Familie musste der gebürtige Leipziger erst davon überzeugen, dass man tatsächlich auch als Trainer sein Geld verdienen kann. Gelernt hat Jan May nämlich einen „seriösen“ Beruf: Bau- und Möbeltischler. „Da habe ich mich den Erfahrungen der älteren Generation gebeugt“, erklärt er schmunzelnd. Anschließend setzte er eine Fachhochschulausbildung als „Fachhandwerker für Denkmalpflege“ drauf. Insgesamt arbeitete er 15 Jahre lang in seinem gelernten Beruf.
Sein Herz hing aber immer auch an der Trainertätigkeit. Im Alter von 18 Jahren leitete der ehemalige Mittelstreckler zum ersten Mal das Training von anderen. Während der Lehre, im Studium und später im Beruf war er nach Feierabend stets auch auf dem Sportplatz anzutreffen. Er absolvierte die Prüfungen zum C-, B- und A- Trainer und betreute in Leipzig gemeinsam mit dem jetzigen niedersächsischen Lauftrainer Jörg Voigt die Mittelstreckler.
Seit 2008 am Olympiastützpunkt
Das Hürden-ABC lernte Jan May vom heutigen DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska, als Assistenzcoach. Zehn Jahre ist es her, dass der ehemalige Hürden-Bundestrainer Gonschinska den jetzigen Hürden-Bundestrainer May unter seine Fittiche nahm.
Im Jahr 2008 folgte das Angebot, als Trainer beim Olympiastützpunkt in Leipzig anzufangen. „Ich habe lange überlegt, denn ich hatte einen sicheren Job und habe gutes Geld verdient. Andererseits war nach 15 Jahren auch die Zeit für eine Veränderung gekommen“, erinnert sich Jan May. Schließlich nahm er die neue Herausforderung an und schlug damit endgültig die Trainer-Laufbahn ein. Im Zwei-Jahres-Takt folgten anschließend die Angebote des Deutschen Leichtathletik-Verbands.
Anregungen von vielen Trainern
Idriss Gonschinska steht Jan May nach wie vor als Ansprechpartner zur Verfügung. Auch an seinen Vorgänger Rüdiger Harksen wendet sich der Leipziger, wenn er Fragen hat. Ebenso schätzt er die Ratschläge und Einschätzungen des erfahrenen Nachwuchstrainers Peter Schörling.
Ein Trainer-Vorbild hat Jan May nicht. Doch was das Auftreten und die Souveränität betrifft, imponiert ihm die US-amerikanische Trainerlegende Brooks Johnson. Der 78-Jährige führte zuletzt David Oliver an die Weltspitze. Am ehemaligen Weltklasse-Sprinter und jetzigen Coach Dennis Mitchell gefallen ihm die impulsive und emotionale Art. Idriss Gonschinska sei ein großer Planer. „Man kann sich von vielen ein Scheibchen abschneiden.“
Tüftler und Technik-Freak
Der neue Bundestrainer selbst ist ein ausgesprochener Tüftler, und zeichnet sich durch sein Faible für Technik aus. „Meine Familie besteht aus Ingenieuren und Lehrern“, erklärt Jan May lachend. „Das Tüftler-Gen habe ich von ihr.“
Gut möglich, dass er der Erste war, der den Weltrekord-Lauf des US-Hürdensprinters Aries Merritt in seine Bestandteile zerlegt hat. „Ich habe den Lauf zufällig mitgeschnitten und zwei Stunden später hatte ich die Teilzeitanalyse“, berichtet Jan May. „In der Hinsicht würde ich mich schon als kleinen Freak bezeichnen.“
An neuen Ideen mangelt es Jan May nicht. Fast muss er sich dabei bremsen, neue Elemente ins Training der Topathleten zu integrieren. In der Regel werden neue Übungen im Selbstversuch oder im Training der Nachwuchs-Athleten erprobt, für das Jan May in Leipzig nach wie vor zuständig ist. Ein bis zweimal pro Woche gibt er zudem Profil-Sportunterricht am Leipziger Sportgymnasium.
Abschalten beim Klettern und bei der Musik
Seit anderthalb Jahren finden sich in seinem ohnehin schon vollen Terminkalender auch regelmäßige Ausflüge an die Deutsche Sporthochschule in Köln. An der „Spoho“ absolviert Jan May ein Studium zum Diplom-Trainer, im März 2014 will er den Abschluss in der Tasche haben. „Einmal monatlich von Montag bis Donnerstag Uni, dazu Lernen, Arbeiten schreiben, Hausaufgaben – das nimmt ganz schön viel Zeit in Anspruch“, stellt Jan May fest.
Entspannen kann der Leipziger bei seinen Hobbies. Ein- bis zweimal pro Woche geht er Joggen oder absolviert Krafttraining. Er interessiert sich für Gesang und Musik, und besucht auch regelmäßig Konzerte. Außerdem ist Jan May seit vielen Jahren leidenschaftlicher Kletterer: „Die Sicherheit und das gegenseitige Vertrauen steht hier an erster Stelle – daraus kann ich auch viel für meinen jetzigen Job mitnehmen.“
Nähe zu Athleten
Eine allzu große Umstellung ist das neue Bundestrainer-Amt für Jan May nicht. Schließlich kennt er viele seiner Schützlinge aus dem täglichen Training in Leipzig und aufgrund seiner Tätigkeit als DLV-Assistenztrainer. Dass er mit seinen 35 Jahren nur wenig älter ist als manche der Athleten, bewertet er nicht als Problem. „Ich kann dadurch schneller Nähe zu den Athleten aufbauen, da fällt das Gespräch in vielen Dingen etwas leichter.“
Respekt sei ohnehin keine Frage des Alters, betont der Hürden-Bundestrainer. „Gerade bei den Athleten, die ich schon lange betreue, merke ich, dass Respekt nicht aufgrund des Alters entsteht. Respekt verdient man sich durch Arbeit.“ Und diese gemeinsame Arbeit geht jetzt erst so richtig los.