Trainer im Fokus - Michael Deyhle
Sie stehen hinter den Erfolgen der deutschen Topathleten, feilen mit ihnen an ihren Leistungen, jubeln und leiden mit ihren Schützlingen - und bleiben doch meist im Hintergrund. leichtathletik.de widmet sich in einer neuen Serie den Trainerinnen und Trainern in der deutschen Leichtathletik. Heute: Hammerwurf-Bundestrainer (Männer/Frauen) und Trainersprecher Michael Deyhle.
Michael Deyhle hat wie kaum ein anderer Trainer die Geschicke seiner Disziplin geprägt: Wenn in den vergangenen Jahren bei internationalen Meisterschaften deutsche Hammerwerfer auf dem Treppchen standen, steckte stets der Frankfurter dahinter.Karsten Kobs und Kirsten Münchow waren die Ersten, die unter seiner Anleitung internationales Edelmetall holten: Sie wurden 1998 EM-Dritte. Es folgten WM-Gold von Karsten Kobs 1999 in Sevilla (Spanien) und Olympia-Bronze von Kirsten Münchow 2000 in Sydney (Australien). Susanne Keil, mit 72,74 Metern zwischenzeitlich deutsche Rekordhalterin, wurde 2003 WM-Fünfte.
Zuletzt schafften die Frankfurterinnen Betty Heidler und Kathrin Klaas den Sprung an die absolute Weltspitze. Weltrekordlerin Betty Heidler zählt zu den fleißigsten deutschen Medaillensammlerinnen der vergangenen vier Jahre. Kathrin Klaas verpasste 2009 als WM-Vierte nur ganz knapp Edelmetall. Ebenfalls WM-Vierter wurde 2011 der Leverkusener Markus Esser, der seit anderthalb Jahren sowohl bei seinem Heimtrainer Helge Zöllkau als auch in der Frankfurter Gruppe trainiert.
Plötzlich im Trainergeschäft
Michael Deyhle betreut in der Main-Metropole schon seit rund 32 Jahren Leichtathleten - erst als Vereinstrainer, dann als Landestrainer, später als Nachwuchs-Bundestrainer, schließlich als Bundestrainer der Frauen und zuletzt auch der Männer.
„Plötzlich war ich mitten im Trainergeschäft“, sagt Michael Deyhle rückblickend. So ganz geplant war das nicht. Als Absolvent eines Studiums der Volkswirtschaft hatte er zunächst eher eine Karriere im Bereich Sportökonomie im Blick. 15 Jahre lang betrieb er sein eigenes Fitnessstudio, war außerdem an der Hochschule als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Irgendwann gab er der Trainertätigkeit den Vorzug und hat es nie bereut: „Ich muss sagen: Das war die beste Entscheidung!“
Vorbilder im Ausland
Der Hesse sucht als Trainer stets seinen eigenen Weg, der nicht immer dort verläuft, wo andere schon gegangen sind. Sein größtes Vorbild: Anatoliy Bondarchuk, 1972 für die damalige Sowjetunion Olympiasieger im Hammerwurf und anschließend Trainer seines Landsmanns Yuriy Sedykh, der mit 86,74 Metern noch immer den Weltrekord hält.
Schon früh habe er erkannt, dass die ihm zugänglichen Informationen nicht seinen Vorstellungen entsprachen, erklärt Michael Deyhle. „Also habe ich versucht, über die damalige Mauer zu sehen und mir die Systeme im Osten anzuschauen. Die haben mir wesentlich mehr zugesagt.“ Als er Schriften von Anatoliy Bondarchuk in die Hände bekam, war sein Weg vorgezeichnet.
Hoher Anspruch
Michael Deyhle ist selbst hartes Training gewohnt: Als ehemaliger Leichtgewichtsruderer trainierte er in seiner aktiven Zeit bis zu 14 Mal pro Woche. Diese Erfahrungen seien auch der Schlüssel zum Erfolg als Trainer gewesen, sagt er: „Wir Ruderer haben damals wesentlich intensiver und geplanter trainiert als die Leichtathleten.“
Wer sich als Athlet in die Hände des Bundestrainers begibt, muss sich seinem hohen Anspruch stellen. Dass das nicht ganz einfach ist, weiß Betty Heidler, die schon seit 2001 bei Michael Deyhle trainiert. „Wir hatten ja gemeinsam beschlossen, dass ich zu ihm nach Frankfurt komme“, erklärt die gebürtige Berlinerin. „Trotzdem war es eine große Umstellung für mich. Und am Anfang hatten wir uns ganz schön oft in der Wolle!“
Diese Probleme sind Geschichte - im Gegenteil: In der Trainingsgruppe der Hammerwerfer geht es sehr entspannt und freundschaftlich zu. „Michael Deyhle ist immer für seine Athleten da“, sagt die heute 28-Jährige, die an ihrem Trainer besonders seine offene und ehrliche Art schätzt sowie seinen Ehrgeiz, sich nie mit dem Erreichten zufrieden zu geben.
Grenzen des Trainerberufs
Dass längst nicht alle Athleten seinen Einsatz so aufnehmen wie Betty Heidler, ist für Michael Deyhle die schmerzhafte Seite am Trainerberuf. „Man investiert ja wirklich sehr viel und hofft, dass ab und zu auch positives Feedback kommt - natürlich kommt das, aber es kommt genauso häufig nicht“, sagt er.
Der Bundestrainer betreut zurzeit sieben Athletinnen und Athleten im Alter von 15 bis 32 Jahren. Er liebt die Herausforderung, für jeden seiner Schützlinge individuell das erfolgreichste Training zu erarbeiten. Doch bei einigen Talenten stößt er an seine Grenzen: „Manche wollen nicht oder können nicht – oder wir können gemeinsam keinen Weg finden. Da muss ich mir dann eingestehen: Es gibt Athleten, die nicht zu mir passen.“
Betty Heidler kann das bestätigen: „Wir sind eine sehr stark leistungsorientierte Gruppe“, erklärt sie. „Das schreckt viele ab.“ Sie selbst bildet nach den anfänglichen Schwierigkeiten mit ihrem Coach ein eingespieltes Team, in dem die Kommunikation eine große Rolle spielt: Michael Deyhle gibt die Richtung vor, aber es wird offen das angesprochen, was gut und was schlecht läuft.
Emotionale Momente Gemeinsam mit seiner erfolgreichsten Athletin erlebte Michael Deyhle zwei der schönsten Momente seiner Trainerkarriere. Besonders gerne erinnert er sich an die Weltmeisterschaften 2007 in Osaka (Japan), als der Rotschopf Gold holte. Auch das WM-Silber zwei Jahre später in Berlin, der Heimatstadt Betty Heidlers, bleibt für ihn unvergessen: „Das war ein gigantisches Ereignis!“
Am emotionalsten war für den Bundestrainer aber der Sieg von Karsten Kobs 1999 bei der WM in Sevilla (Spanien). „Damals hatte ich ein lachendes und ein weinendes Auge“, erklärt er. Denn trotz des Erfolges verließ der Weltmeister wenig später seinen Frankfurter Coach und schloss sich für zwei Jahre dem damaligen Bundestrainer Bernhard Riedel an.
Wird 2012 der Traum wahr?
Der 60-Jährige brennt nach wie vor für seine Disziplin, die in der Öffentlichkeit nicht immer die Aufmerksamkeit und Anerkennung erhält, die er sich wünscht. So unterstützt er die Initiative seiner Athletin Kathrin Klaas zur Aufnahme des Hammerwurfs in die Diamond League. In Kürze soll dazu ein Gespräch mit Prof. Dr. Helmut Digel, Mitglied des Councils des Weltverbands IAAF, stattfinden.
Persönlich hat Michael Deyhle als Trainer noch einen großen Wunsch: „Mit Kirsten Münchow habe ich ja schon eine olympische Medaille gewonnen damals in Sydney. Aber das war 2000, das ist schon relativ lange her“, erklärt er. „Deswegen muss ich sagen: Das wieder zu erleben, das wäre noch mal ein Highlight!“