Ali Saidi-Sief bekommt "Sonderrechte"
Die IAAF ließ Gnade vor Recht ergehen. Ali Saidi-Sief, Olympia-Zweiter über 5000 Meter in Sydney 2000, bleibt zwar wie vorgesehen bis zum 17. August gesperrt wegen Nandrolon-Missbrauchs. Weil vier Tage zuvor die Frist zur Erfüllung der WM-Normen abläuft, wurde dem 25-jährigen Algerier aber das Sonderrecht eingeräumt, die erforderliche Richtzeit (13:21,50 min) nachzureichen.
Ali Saidi-Sief darf die WM-Norm nachreichen (Foto: Chai)
Am 18. August will er nun versuchen, auf den letzten Drücker noch das WM-Ticket einlösen. In der Hauptstadt Algier, berichtete die algerische Nachrichtenagentur APS, werde extra für ihn ein Sportfest organisiert.Ali Saidi-Sief war im Olympia-Jahr 2000 kometenhaft in die Weltspitze aufgestiegen. Als haushoher Favorit gestartet, musste er sich in Sydney mit der Silbermedaille genügen. Nach einem Bummelrennen hatte ihm der Äthiopier Million Wolde im Finish den Nerv gezogen.
Ungeschlagen in der Saison 2001 wollte er in Edmonton nach dem heiß begehrten WM-Gold greifen. Wieder kam ihm ein Ostafrikaner in die Quere: Richard Limo aus Kenia siegte im zweitschnellsten Rennen der WM-Geschichte vor Ali Saidi-Sief und Million Wolde.
Deutlich zu hoher Wert
Der Frust saß tief, und richtig hoch schlugen die Wellen, als hinterher bekannt gegeben wurde, dass er positiv auf das anabole Steroid Nandrolon getestet worden war. Die A- und B-Probe ergaben einen Wert von 3,7, womit Ali Saidi-Sief den zulässigen Grenzwert von 2,0 deutlich überschritten hatte. Daraufhin musste er seine Medaille wieder herausrücken, die dann Million Wolde erhielt. Dem Kenianer John Kibowen wurde Bronze zuteil.
Der Algerische Leichtathletik-Verband (FAA) hatte sich stets hinter den Athleten gestellt und ihm vorbehaltlos Rückendeckung gewährt. In seiner Heimat hält man ihn weiterhin für unschuldig. Ali Saidi-Sief hat auch immer bestritten, sich wissentlich gedopt zu haben.
Untersuchungen in Köln
Verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel, so die Meinung der Verbandsoberen, seien für den erhöhten Nandrolon-Wert verantwortlich. Auf Bitten des FAA wurden damals im Biochemie-Institut der Deutschen Sporthochschule Köln sogar einige Nahrungsergänzungsmittel von Ali Saidi-Sief untersucht, was der Leiter Prof. Wilhelm Schänzer bestätigte. Doch die IAAF kannte kein Pardon und zog den Läufer für zwei Jahre aus dem Verkehr.
Der Bannstrahl wurde trotz Gnadengesuchs des FAA von der IAAF nicht verkürzt. Dennoch darf Ali Saidi-Sief bei den Weltmeisterschaften in Paris starten, wenn er die Norm bis zum 27. August, also einen Tag vor den Vorläufen, erfüllt haben sollte. Mustapha Berraf, Präsident des Olympischen Komitees von Algerien (COA), gab diese Nachricht bekannt, nachdem das COA gemeinsam mit dem FAA bei der IAAF in Monaco vorstellig geworden war.
Morceli-Nachfolger
Ali Saidi-Sief, der in Constantine, der drittgrößten Stadt Algeriens, geboren wurde, genießt in der Heimat eine ungeheure Popularität. Seine Landsleute halten ihn für den legitimen Nachfolger von Noureddine Morceli, der 1996 in Atlanta Gold über 1500 Meter gewonnen hat und dreimal Weltmeister war. In jungen Jahren hat er bereits Erstaunliches geleistet. 3:29,51 Minuten (Lausanne 2001) über 1500 Meter, 7:25,02 (Monaco 2000) über 3000 Meter, die drittschnellste Zeit weltweit, und 12:50,86 (Brüssel 2000) über 5000 Meter sind in der Tat beeindruckende Zahlen.
Momentan bereitet er sich in der leistungsfördernden Höhenluft von Font-Romeu, einem Ferienort in den französischen Pyrenäen, zielstrebig auf sein Comeback vor. Ali Saidi-Sief, der einst als Fußballer angefangen hat, ehe es ihn zur Leichtathletik zog, ist motiviert bis in die Haarspitzen.
Dornenreicher Weg
Unrecht habe man ihm angetan, hat er immer wieder verlauten lassen, seine Sperre sei nicht zulässig gewesen. Saidi-Sief hält nun den Zeitpunkt für gekommen, um im "Stade de France" vor aller Welt zu zeigen, dass er nach wie vor zu den besten Läufern zählt. Gold am Schlusstag der WM wäre für ihn die schönste Widergutmachung für den dornenreichen Weg, den er in den letzten beiden Jahren gegangen ist.
Ulrich Hörnemann