Twin-Stories - Isabell und Lisa Ollesch
Trennungen können für Zwillinge sinnvoll sein. Denn nur dann können beide gleichzeitig bei einer Meisterschaft ganz oben auf dem Treppchen stehen. So unlängst geschehen bei Lisa und Isabell Ollesch (TV Wattenscheid 01) bei den Deutschen Jugend-Hallenmeisterschaften in Leverkusen: Lisa gewann über 800 Meter, Isabell über 1.500 Meter.
Die einen (siehe Hahner-Twins) bauen sich als Zwillings-Marke auf, die anderen setzen da lieber auf Abstand und Differenzierung. Schon früh entschieden sich Lisa und Isabell Ollesch, eigene Wege zu gehen. Sie wollten nicht von Lehrern verwechselt werden, sie wollten nicht dieselben Noten bekommen, weil sie mal wieder nicht auseinander gehalten werden konnten.Die Eltern waren derselben Meinung – die Zwillinge sollten sich ruhig auf dem Weg zur Schule trennen. „Wir sehen uns auch so doch oft genug. Immer alles zusammen zu machen, kann nicht gut gehen“, sagen die Zwölftklässlerinnen. Und so gehen die 18-Jährigen, die in Essen an der Grenze zu Wattenscheid wohnen, auf unterschiedliche Schulen: Isabell auf das Helmholtz-Gymnasium in Essen, Lisa auf die Hellweg-Schule in Wattenscheid.
Die Unterschiede
Die beiden finden, dass sie sich eigentlich gar nicht ähnlich sind. Isabell sei ehrgeiziger und mental stärker – sagt Lisa über ihre Schwester. „Lisa ist bei Wettkämpfen nervöser und unsicherer“, sagt Isabell. Sie akzeptiere eher, wenn sie schlechter als ihre Schwester ist: „Lisa ist auch mal mit einem zweiten Platz zufrieden“, so Isabell. Und Lisa, die mit 1,66 Meter einen Zentimeter größer als die Schwester ist, ergänzt: „Isabell möchte eher gewinnen als ich.“
Die beiden sehen sich eher als Freundinnen denn als Schwestern. Doch auch Freundinnen streiten sich und das geben die beiden unumwunden zu: „Kommt sogar oft vor“, sagen sie. Und dann absolviert auch jede ihren Dauerlauf für sich: „Ich laufe auch mal gerne alleine, um abzuschalten“, sagt Isabell.
Eine Grundschullehrerin hatte zuvor das Talent der Ollesch-Twins entdeckt – der Beginn der leichtathletischen Karriere. Nach einer längeren Zeit bei den Mehrkämpfern wechselten sie mit 15 Jahren innerhalb des TV Wattenscheid 01 in die Läufergruppe des verantwortlichen Jugendtrainers Markus Kubillus. Die Zwillinge schätzen seine Trainingsphilosophie und seinen verständnisvollen Umgang mit den Athleten: „Jeder bekommt bei ihm einen individuell zugeschnittenen Trainingsplan.“
Trennung im Wettkampf
Während andere Zwillingspärchen das Gefühl haben, sich im Rennen gegenseitig zu ziehen, können die Ollesch-Twins dies nicht bestätigen: „Wenn wir in einem Rennen sind, bremsen wir uns eher gegenseitig.“ Und so läuft die eine dann oft die 800 Meter, die andere die 1.500 Meter. Das war auch bei ihrem bislang größten Erfolg bei den Deutschen Jugendhallenmeisterschaft der Fall: Lisa Ollesch gewann die 800 Meter in 2:10,39 Minuten, nachdem sie als Vorlaufschnellste (2:09,68 min) schon einen gewissen Erfolgsdruck verspürte.
Ihre Schwester Isabell siegte nur wenig später über die 1.500 Meter in starken 4:21,01 Minuten. Beide hatten sie eine ähnliche Taktik gewählt, blieben lange in Lauerstellung und setzten erst in der letzten Kurve zum erfolgreichen Angriff auf die Spitzenposition an.
„Wir wollten beide immer das Beste aus uns herausholen“, sagen die Zwillinge. Nach ihrem Sieg besuchte Lisa ihre Schwester im Call Room und gab ihr mit auf den Weg, dieselbe Taktik zu wählen wie sie. Ihre Schwester hielt sich dran und setzte erst in der letzten Runde zum alles entscheidenden Angriff an.
Erfolg im Gleichschritt
Der Erfolg stellt sich auf den unterschiedlichen Strecken bei den Ollesch-Twins im Gleichschritt ein – nicht nur bei den Deutschen Jugendhallenmeisterschaften. Bei den Deutschen Jugendmeisterschaften im vergangenen Jahr in Ulm gewann Isabell Ollesch Bronze über 800 Meter in 2:08,45 Minuten, ihre Schwester Lisa über 1.500 Meter in 4:34,03 Minuten. Und zuletzt siegten sie auch beide in Hamburg den U20-Länderkampf gegen die Auswahlmannschaften Frankreichs und Italiens: Isabell über 1.500 Meter und Lisa über 800 Meter.
Auf der Cross-Strecke haben sie sich ebenfalls schon ausprobiert, unter anderem Ende des vergangenen Jahres in Lüchtringen: Isabell Ollesch gewann den Westfalentitel bei der weiblichen Jugend B vor ihrer Zwillingsschwester: „Crosslaufen gefällt mir“, sagt Isabell Ollesch. „Ich empfinde dort überhaupt keinen Druck, da man nicht auf Zeit läuft.“ Das sieht ihre Schwester etwas anders: „Cross ist nicht meins. Ich bin da nun wirklich nicht die allerbeste.“
Training und Ziele
Im Training liegen Isabell die längeren Strecken mehr, Lisa dafür die kürzeren: „Eine perfekte Ergänzung, um sich im Training gegenseitig zu pushen“, sagt Lisa. Sechs bis sieben Einheiten absolvieren die beiden mit einem Umfang bis zu 50 Kilometern in der Woche: Drei Einheiten am Olympiastützpunkt in Wattenscheid, die Dauerläufe machen sie selbstständig in Wohnortnähe.
Die beiden sind noch so überrascht von ihrem Erfolg und von ihren Hallenbestleistungen, dass sie erst kurz überlegen müssen, bevor sie ihre Ziele benennen können. Denn in den vergangenen Wochen hatten sich auf einmal langfristige Ziele schon erfüllt.
Während Isabell die U20-Europameisterschaften in Tallinn (Estland) nennt, sagt Lisa: „Mein Ziel ist es, sich stetig zu verbessern und nie zu stagnieren. Denn mein bisheriger Traum hat sich in diesem Winter schon erfüllt.“ Aber gibt es jetzt nicht einen neuen, einen größeren Traum? „Die Teilnahme an Europameisterschaften wären so einer“, sagt Lisa. „Größer kann ich im Moment nicht denken.“
Im Sommer peilen die hübschen Zwillinge eine Teilnahme an der U20-EM an (Foto: Gantenberg)