| Kommentar DM Ulm

Typen - In Hülle und Fülle

Typen. Wir brauchen Typen. Eine Forderung, die jahrelang durch die Leichtathletik geisterte und als einer der Knackpunkte der in den Augen Vieler zu geringer Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit an dieser Sportart gesehen wurde. Am vergangenen Meisterschafts-Wochenende wurde deutlich: Die Leichtathletik bietet Typen in Hülle und Fülle.
Alexandra Neuhaus

42 Titel wurden am Wochenende bei den Leichtathletik-Meisterschaften in Ulm vergeben. 42 Titel, die stellvertretend für 17 Disziplinen stehen, deren übergreifende Gemeinsamkeit in vielen Fällen der Deckmantel „Leichtathletik“ ist, treffen in dieser Sammel-Sportart doch komplett unterschiedliche Typen aufeinander und prägen in ihrem individuellen Auftreten das Bild der Leichtathletik in der Gesellschaft.

Da gibt es Typen wie Galionsfigur Robert Harting (SCC Berlin). Ein Mann, der schon alles gewonnen hat. Ein Mann wie ein Baum, der nicht nur aufgrund seiner Statur als Leuchtturm, der Leichtathletik fungiert. Ein Mann, der polarisiert, dessen Stimme Gewicht hat, auch wenn das nicht immer allen gefällt. Aber wie weit kommen Menschen, die immer allen gefallen?

Auch Prothesen-Springer Markus Rehm (TSV Bayer 04 Leverkusen) polarisierte am Wochenende, keine Frage. Ist seine Prothese nun Vorteil, oder nicht? Ist seine Leistung vergleichbar mit der eines nicht-behinderten Springers, oder ist die Prothese mehr Katapult als reiner Sprungbein-Ersatz? Alles Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt. Aber sein Fall zeigt doch auch ohne diese Antworten noch viel mehr: Nämlich, den fairen Sportgeist, den alle beteiligten Weitspringer im Herzen tragen.

Fairplay im Herzen

Auf der einen Seite Rehm, der klar sagt, nur unter fairen Bedingungen sich mit den besten Springern Deutschlands messen zu wollen. Auf der anderen Seite, die nicht-gehandicapten Weitspringer, die den neuen Kontrahenten ohne Protest annahmen, ohne Vorverurteilung, abwartend auf Antworten, die abschließend Klarheit in diesen Fall bringen sollen. Wie etwa der ehemalige Europameister Christian Reif (LC Rehlingen), der sich der Diskussion auch im ZDF Sportstudio fachlich sachlich, fair und kompetent stellte. „Ich habe ihm gratuliert und freue mich für ihn“, sagte Reif.

Beste Werbung für die Leichtathletik, denn dies direkt nach einer Wettkampf-Situation zu sagen, in der das Adrenalin noch mit Hochdruck durch die Adern pumpt, in der er als bester deutscher Weitspringer die zweite Niederlage der Saison einstecken musste, zeugt von einem Sportsgeist, der beispielhaft ist. Denn: Wer selber einmal Sportler war, der weiß, Verlieren macht nie Spaß, egal gegen wen. Aber genau das sind sie, die Typen, die der Gesamt-Leichtathletik ein weltoffenes, faires Gesicht geben. Die den Boden für Gesprächsstoff bieten, sei es auf der Tribüne, in Zeitungskommentaren oder gerne auch am Stammtisch.

Stärke aus dem Team

Nährboden für Gesprächsstoff bieten auch die deutschen Sprinter mit Rekord-Läufer Julian Reus. In der Breite und an der Spitze schnell wie nie präsentieren sich die Männer aber trotz ihrer Individualität als Gesamtkonstrukt, in der zwar jeder an sich selber arbeitet, sich aber doch als Teil einer Mannschaft versteht. „Der Erfolg hat viele Väter“, sagte so etwa Julian Reus, der sich am Samstag in die Geschichtsbücher und erneut in die Schlagzeilen lief. Nicht zum ersten Mal, versteht der Wattenscheider es doch auch abseits der Kunststoffbahn, sich Gehör zu verschaffen.

Sei es nun, dass er harsche Worte Richtung überführte Dopingsünder schießt, oder sich lauthals für Sprintduelle mit vermeintlich schnelleren Fußballern vor Borussia Dortmund ins Gespräch bringt. Der Rekordhalter hat das Spiel mit den Medien gelernt und weiß, es kann nur gut tun, sich und damit auch der Leichtathletik ein Gesicht in der Öffentlichkeit zu geben. Denn solche Typen haben auch in der Masse Wiedererkennungswert.

Frische junge Gesichter

Und dann gibt es Typen, die gerade erst als solche heranwachsen. Die frech sind, die mutig sind, deren Frische auch in Zukunft beleben wird. Typen, mit denen sich auch die Nationalmannschaft der Zukunft sehen lassen kann und die für eine jetzt schon gelungene Neuformierung des Teams stehen.

Das sind Athleten wie Mittelstreckler Timo Benitz (LG Farbtex Nordschwarzwald), 5.000-Meter-Meister Richard Ringer (LV VfL Friedrichshafen), die Dreispringerin Kristin Gierisch (LAC Erdgas Chemnitz), die sich mit 14,31 Metern auf Platz drei der ewigen deutschen Bestenlisten katapultierte, die elegante Sprinterin Tatjana Pinto (LG Brillux Münster), oder die neue Deutsche Diskus-Meisterin Shanice Craft (MTG Mannheim), die trotz ihrer Jugend (21 Jahre) besonnen, eloquent und charmant den Journalisten Rede und Antwort stand.

In der Summe sind sie Beispiele für Typen, die der Leichtathletik gut tun. Typen, die nicht nur in bei der EM in Zürich (Schweiz; 12. bis 17. August) das Gesicht der deutschen Leichtathletik prägen werden. Typen, die die deutsche Leichtathletik sind.

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