Über schnelle Flachstrecken zum Hinderniserfolg
Der Hindernislauf der Frauen ist eine der jüngsten Disziplinen in der Leichtathletik - und er boomt. Innerhalb von neun Jahren wurde der Weltrekord um 50 Sekunden verbessert. Aber nicht nur international, sondern auch in Deutschland sind deutliche Fortschritte zu erkennen.
Mit 9:48,88 Minuten ging 1999 die Russin Yelena Motalova als erste Weltrekordlerin über 3.000 Meter Hindernis bei den Frauen in die Geschichte ein. Eine Zeit, mit der man heute selbst in Deutschland nicht mehr an der Spitze der Jahresbestenliste stünde. „International hat sich eine unglaubliche Dynamik entwickelt“, bestätigt Werner Klein, DLV-Disziplintrainer im Hindernisbereich. „Da müssen auch wir uns weiterentwickeln.“Dass sich im deutschen Lager einiges tut, zeigt ein Vergleich mit dem vergangenen Jahr. Während 2007 die besten sechs deutschen Hindernisläuferinnen noch einen Durchschnittswert von 10:06,85 Minuten hatten, konnte dieser 2008 schon um fast zehn Sekunden auf 9:57,47 Minuten gesenkt werden.
Raketenstart von Antje Möldner
Wesentlich dazu beigetragen hat die Potsdamerin Antje Möldner, die in diesem Jahr erstmals die Hindernisstrecke in Angriff genommen hat. Gleich in ihrem ersten Rennen über 3.000 Meter Hindernis lief die 24-Jährige, die zuvor hauptsächlich über 1.500 Meter unterwegs gewesen war, in 9:34,21 Minuten einen neuen deutschen Rekord. In ihrem erst vierten Rennen, dem Vorlauf bei den Olympischen Spielen, steigerte sie die Marke erneut auf 9:29,86 Minuten. Den Endlauf verpasst sie nur knapp.
Aber so einfach, wie es scheint, ist es letztlich doch nicht, Erfolg über die Hindernisse zu haben. Wer sich in dieser Disziplin versucht, weil es dort so einfach sei, schnell ganz oben auf dem Podest zu stehen, wird eines besseren belehrt. Darin sind sich Werner Klein und Antje Möldners Heimtrainerin Beate Conrad einig. Sie sehen vor allem eine Grundvoraussetzung, um in dieser Disziplin vorne zu landen: eine gute Grundausbildung.
Gute läuferische und athletische Ausbildung
„Antje hat in der Sportschule in Potsdam eine umfassende Grundausbildung genossen“, erzählt Beate Conrad. Entscheidend sei „eine gute läuferische und athletische Ausbildung.“ Denn nur wer auf den Flachstercken schnell ist, kann auch über die Hindernisse mitmischen. Hinzu kommen zudem noch die Belastungen der Landung nach der Hindernisüberquerung, die durch eine darauf vorbereitete Muskulatur abgefangen werden müssen.
„Antje konnte auch auf den Flachstrecken gute Zeiten laufen und hat zudem noch eine sehr gute Hürdentechnik mitgebracht“, erklärt Werner Klein, weshalb sich so schnell Erfolg einstellen konnte. „Sie war einfach reif für diese Disziplin“, meint ihre Trainerin schmunzelnd.
Auch die Russin Gulnara Galkina, die bei ihrem Olympiasieg als erste Frau in der Geschichte unter neun Minuten blieb (8:58,81 min), kann gute Zeiten über die Flachstrecken aufweisen. 5.000 Meter lief die 30-Jährige schon in 14:33,13 Minuten, 1.500 Meter absolvierte sie in 4:01,29 Minuten.
Mentale Kraft für 3.000 Meter
„Dazu kommt aber auch noch die mentale Kraft, die man mitbringen muss. Viele Hindernisläuferinnen sind vorher 1.500 Meter gelaufen. Das ist schon ein Unterschied zu den 3.000 Metern, wo dann auch noch Hindernisse im Weg stehen“, gibt Werner Klein zu bedenken. „Nur wer voll dahinter steht, kann einen Wechsel zu den Hindernissen auch erfolgreich machen.“ Im Fall von Antje Möldner haben sie und ihre Trainerin den Jahresumfang um 1.300 Kilometer erhöht.
Dass nicht viel mehr deutsche Läuferinnen ihre Chance über die Hindernisse suchen, ist für Werner Klein nachvollziehbar. Dafür fehle oft auch auf den Flachstrecken das Potential. Aber er betont auch: „Wir können auch international etwas erreichen. Wir müssen nur an uns glauben.“
Eine die sowohl auf den Flachstrecken als auch über die Hindernisse schon ihre Möglichkeiten angedeutet hat, ist die Frankfurterin Diana Sujew, die künftig bei Beate Conrad trainieren wird. Ein Potsdamer „Hinderniszentrum“ soll allerdings erst einmal nicht entstehen, auch bei der 17-Jährigen stehen wieder die Flachstrecken im Vordergrund. Denn: Schnelle Flachstreckenzeiten sind der Schlüssel zum Erfolg.