Ulrike Leyckes - „100 Prozent Leistungssport“
Hürdenläuferin Ulrike Leyckes (früher Urbansky) hat in der letzten Woche ihre Schwangerschaft bekannt gegeben und zugleich den Rücktritt vom Sport erklärt. Nach den letzten Jahren voller gesundheitlicher Probleme und zwischenzeitlicher Erfolge zog die Erfurterin damit einen Schlussstrich. leichtathletik.de hat sich mit der 32-Jährigen nicht nur über die Höhen und Tiefen ihrer Laufbahn unterhalten.
Ulrike Leyckes, wie geht es Ihnen wenige Tage nach Ihrem Rücktritt?Ulrike Leyckes:
Als ich es dann selbst in der Zeitung lesen konnte, war das schon krass. Es waren 18 Jahre, in denen ich zu hundert Prozent für meinen Sport gelebt habe. Aber es geht mir gut damit. Ich konnte auch sehr lange darüber nachdenken, schon bevor ich schwanger geworden bin. Trotz einer Operation hat mir mein Fuß immer noch arge Probleme bereitet. Die Schwangerschaft hat mir dann schon ein bisschen was abgenommen. Ich denke einfach, dass mein Körper nicht mehr wollte, auch wenn ich noch nicht so alt bin. Vielleicht habe ich auch in der Jugend zuviel trainiert. Jetzt ist es gut, auch gut für mich und mit der Schwangerschaft, die für mich ein schönes i-Tüpfelchen ist, umso besser. Ich habe es auch ein wenig durch das Schicksal entscheiden lassen.
Das bedeutet, Sie waren auch in den letzten Monaten nicht wirklich fit…
Ulrike Leyckes:
Ich hatte starke Beschwerden. Beim Silvesterlauf ging es mir noch gut, aber danach hatte ich solche Schmerzen, dass ich sechs Wochen lang an Laufen gar nicht denken konnte. Das tat weh, weil ich wusste, dass ich nach der OP im letzten Jahr einiges aufzuholen hatte. Es lief dann die Zeit weg.
Ihr letztes Jahr hatten Sie als sportlich enttäuschend und vor dem Hintergrund der Heirat mit Zehnkämpfer Dennis Leyckes als privat perfekt umschrieben. War das jetzt die Fortsetzung mit einem Finale?
Ulrike Leyckes:
Das kann man so sagen. Auch wenn im Sport nicht alles erfüllt wurde, was ich mir vorgenommen hatte, läuft es privat umso besser. So kann man auch mit einer solchen Entscheidung besser leben, nachdem bislang der Sport für mich seit meinem 14. Lebensjahr immer alles war. Es ist schön, dass ich jetzt mit über Dreißig merke, es gibt noch etwas anderes im Leben. Ich habe auch noch mein Studium, das ich hoffentlich im Herbst fertig habe.
Sie hatten schon 2006 an Rücktritt gedacht. War das Thema ständig im Kopf?
Ulrike Leyckes:
Naja, nach 2007 war das nicht mehr so. Auch wenn damals die WM in Osaka nicht perfekt war, fand ich das Jahr für mich toll. Ich hatte mich zurückgekämpft und es hatte wieder richtig Spaß gemacht. Von dem Moment war es kein Thema mehr, vor 2009 aufzuhören. Ich wollte jetzt noch einmal für die WM rennen und dort ins Finale. Der Achillessehnenabriss hatte das dann zwischenzeitlich schon wieder verändert. Gerade dieses Hoch und Runter, das bei mir immer wieder eine Rolle gespielt hat, macht einen schon nervlich ein bisschen kaputt. Ich bin nicht Leistungssportlerin geworden, um alle zwei Jahre mal gut zu rennen. Nach meinem Junioren-Weltmeistertitel (Anm. 1996) hatte ich mir erträumt, dass es bei den Erwachsenen einmal genauso sein würde. Zufrieden bin ich deshalb mit meiner sportlichen Karriere nicht. Ich bin überhaupt ein Mensch, der nie zufrieden ist.
Woher konnten Sie die mentale Stärke nehmen, um in all den Jahren die Höhen und Tiefen zu bewältigen?
Ulrike Leyckes:
Ich habe den Leistungssport zu hundert Prozent gelebt und geliebt. Ich hatte schon früh meinem Trainer geglaubt, als er gesagt hat: Wir gehen jetzt 600 Kilometer weg und ins Saarland, weil es sonst nichts wird. Ich habe das mitgemacht. Das Gefühl, wie es ist, ganz oben zu stehen, hat mich nach der Junioren-WM nicht mehr losgelassen. Auch der Wille, das im Erwachsenenbereich zu schaffen. Im Nachhinein habe ich auch immer gemerkt, wie viel ich aus den ganzen Rückschlägen lernen konnte. Ich denke, das hilft einem für’s ganze Leben.
Sie hatten auch mal gesagt, Sie hätten zuviel investiert für das, was am Ende herausgekommen ist.
Ulrike Leyckes:
So ist es auch. Ich habe mich immer um ein perfektes Umfeld bemüht, bin umgezogen, habe mir einen neuen Trainer oder neue Sponsoren gesucht. Ich bin aber dann oft zu verkrampft gelaufen, weil ich unbedingt zeigen wollte, was ich alles kann. 2006 hatte ich gemerkt, dass ich das alles nicht mehr aus der Lockerheit, aus dem Spaß, aus der Liebe zum Sport heraus mache, sondern einfach nur, weil ich mir und allen anderen unbedingt etwas beweisen wollte.
In welche und wie viele Abschnitte würden Sie Ihre Karriere selbst unterteilen?
Ulrike Leyckes:
Ich würde es in drei unterteilen. Bis zur Junioren-WM unter meinem ersten Trainer (Anm. Heinz Grilz) gibt es einen ersten sehr erfolgreichen Abschnitt, der mich sehr geprägt hat. Außer Sport und Schule gab es überhaupt nichts in meinem Leben. Danach kam der Abschnitt Thomas Springstein mit seinen Höhen und Tiefen, aber auch mit meiner Bestzeit (Anm. 54,57 sec). Schließlich kam ab 2003 der Abschnitt Erfurt, in dem ich zu dem Eigentlichen zurückgefunden habe. Dort habe ich die Leichtigkeit, den Spaß und nach dem ganzen Hin- und Her-Gereise auch ein Zuhause gefunden.
2004 und 2007 hatten sie mit Eberhard König als Trainer noch gute Jahre. Betrachten Sie die Olympia-Qualifikation und auch den Deutschen Meistertitel vor zwei Jahren mit als Höhepunkte Ihrer Karriere?
Ulrike Leyckes:
Auf jeden Fall. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich mich über einen deutschen Meistertitel so sehr freuen kann wie 2007. Gerade auch, weil ich immer ganz andere Ziele hatte, bei denen ich merken musste: das geht so nicht. In Erfurt war ich dann so glücklich, dieser Titel zählt sehr für mich. Umso trauriger waren wir dann bei der WM, als ich die Zeit von 55,21 Sekunden nicht bestätigen konnte. Eine hohe 54er Zeit schien möglich. Aber das habe ich vergeigt, so ist der Sport.
Gibt es in all den Jahren etwas, das Sie bereuen, das Sie gerne anders gemacht hätten?
Ulrike Leyckes:
Es ist alles okay so, wie es ist. Sicher hätte ich aber manche Sachen anders gemacht, aber die gehören zu meinem Leben dazu.
Wie bewerten Sie die Ära unter dem mehr als umstrittenen Thomas Springstein inzwischen mit dem nötigen Abstand?
Ulrike Leyckes:
Oh, die hat mir sehr viel gebracht in meinem Leben, glaube ich. Auf jeden Fall eine Bestzeit. Sehr viel Erfahrung. Mit den Sachen, die danach waren, die Vorwürfe, die danach kamen, hat sie mich auch sehr stark gemacht. Es war eine sehr krasse Zeit. Ich habe daraus sehr viel gelernt. Ich habe dann auch gemerkt, wer wirklich zu einem hält oder wer einen auch schnell vergisst.
Wieviel Abstand dazu haben sie nunmehr gefunden?
Ulrike Leyckes:
Ich bin mit mir inzwischen doch im Gleichgewicht und auch im Reinen.
Was bleibt kurz zusammengefasst für Sie aus Ihrer Karriere?
Ulrike Leyckes:
Ich hatte 18 Jahre lang eine sehr aufregende Zeit, die ich nicht missen möchte. Alle Hochs und Tiefs sind mir für mein weiteres Leben nützlich.
Sie hatten gesagt, Ihre Hepatitiserkrankung 2006 hat Sie zu einem anderen Menschen werden lassen. Würden Sie das immer noch als einschneidende Erfahrung sehen?
Ulrike Leyckes:
Ja, ich habe damals gemerkt, dass der Leistungssport was ganz, ganz Tolles ist, aber man muss den Spaß daran einfach immer in den Vordergrund stellen.
Wie wollen Sie Ihr Leben gestalten, wenn Sie mit dem Studium fertig sind und das Kind auf der Welt ist?
Ulrike Leyckes:
Ich ringe noch ein bisschen mit mir, ob ich nach dem Bachelor im Herbst noch den Master anschließe. Ich merke schon jetzt, dass ich dafür vielleicht noch den Ehrgeiz habe, es sei denn, ich kriege irgendwo einen schönen Job. Ich will auf jeden Fall keine Hausfrau und Mutter werden.
Was wäre denn ein schöner Job?
Ulrike Leyckes:
Es geht in die kreative, gestalterische Richtung. Aus der Mediengestaltung heraus ist vieles offen. Ich könnte zum Fernsehen gehen, aber auch klassische Werbung machen. Momentan mache ich sehr viel im Grafikdesign. Auch Eventmarketing wäre eine Richtung. Wenn wir in Erfurt bleiben, hätte ich auch viele Kontakte, um etwas zu finden. Aber es dauert erst einmal mindestens noch ein Jahr.
Wie werden die nächsten Wochen bei Ihnen aussehen? Wie werden Sie Ihren Ehemann Dennis unterstützen?
Ulrike Leyckes:
Natürlich unterstütze ich ihn so gut es geht, obwohl wir versuchen, den Sport aus unserem Privatleben rauszuhalten. Das klappt natürlich nicht immer. Für den zweiten Zehnkampf-Tag bei der WM habe ich schon eine Karte organisiert, so dass ich dort mit dickem Bauch ganz entspannt sitzen kann. Ich bin auch noch bis zum Herbst bei der Bundeswehr. Ich arbeite außerdem ein bisschen in der Geschäftsstelle von unserem Verein, dem ich auf diese Art und Weise etwas zurückgeben möchte. Natürlich mache ich auch noch mein Studium, so dass ich gut beschäftigt bin.