Ultra-EM/WM - Enttäuschung folgt Überraschung
Sonntag, 7. November, 6:30 Uhr, es war noch dunkel, als der Startschuss zur 100-Kilometer-EM/WM fiel. Start war auf der Hafenmole von Gibraltar neben dem Kreuzfahrtschiff, das den Athleten als Unterkunft diente. Die knapp 200 Läufer aus 26 Nationen machten sich auf die Eingangsschleife von 3,8 Kilometern mit einem Wendepunkt nach 1 Kilometer und die 5.065 Meter langen 19 Runden.
PerfekteTeamarbeit im deutschen Team (Foto: Sommer)
Gleich zu Beginn passierte dann nach einer fehlenden Zeitnahme der schwerste Fehler, der einem Veranstalter passieren kann. Die Läufer wurden versehentlich ein zweites Mal auf die Wendepunktrunde geschickt. Cirka 1,35 Kilometer zu viel wären sie gelaufen. Die Betreuer waren schockiert.Der Veranstalter reagierte jedoch sofort und vermaß schon nach kurzer Zeit die zu viel gelaufene Strecke aus der großen Runde heraus und verkürzte für alle die 12. Runde. Die Orientierung an Hand der Laufzeit war für die Läufer und Betreuer am Anfang und bis Kilometer 60 schwer möglich. Erst später war die Zeit aussagekräftig und konnte zur Tempobestimmung herangezogen werden.
Der Rennverlauf - André Collet beginnt flott
Entgegen der Erwartungen blieb die recht große Spitzengruppe um den WM-Zweiten des Vorjahres, Jonas Buud (Schweden), und mit allen anderen Favoriten aus Japan, Russland und den USA lange zusammen und schien nicht zu schnell unterwegs zu sein. Bei den Frauen hatten sich Lizzy Hawker (Großbritannien) und Monika Carlin (Italien) sowie eine Japanerin und einige Russinnen einen Vorsprung vor den anderen erlaufen.
Wie erging es den deutschen Läufern/innen? André Collet begann flott und lag locker laufend bei Kilometer 50 im Bereich der dritten Gruppe mit einer Endzeit um 6:42 Stunden. Bei Matthias Dippacher ließ zur Streckenhälfte das „Hochgefühl“ etwas nach und er drosselte sein Tempo. Der Rücken machte sich bemerkbar. Eine Zeit unter der alten Bestmarke von 7:15 Stunden schien jedoch noch möglich.
Jörg Hooß mit Problemen
Jörg Hooß erkannte sehr früh, dass er ein hartes Rennen vor sich hatte, und es bedurfte keiner ermahnenden Worte. Seine angepeilte Zielzeit unter 7:30 Stunden wurde zunichte gemacht. Seine Beine wollten nicht richtig locker laufen. Aber die deutschen Betreuer waren sicher, dass er nicht aufgibt.
Bei den Frauen führte Branka Hajek das deutsche Team an. Zuerst liefen Tanja Hooß, Simone Stöppler und Pamela Veith zusammen. Erstaunlicherweise fiel zunächst Pamela Veith zurück. Erst sehr spät und langsam setzte sich Tanja Hooß dann von Simone Stöppler ab. Auf den ersten Kilometern ganz verhalten gelaufen, schloss Antje Krause dann nach und nach fast zu Tanja Hooß auf. Barbara Mallmann und Pamela Veith liefen ruhig mit kleineren Problemen. Sie folgten nicht all zu weit entfernt.
Die Ergebnisse - Branka Hajek beste Deutsche
Jede hatte mit Problemen zu kämpfen und eine Phase des Leidens. Auch Branka Hajek, die im Mittelteil eine Schwäche hatte und sich erst wieder motivieren musste. Sie lief letztendlich das Rennen in 8:09 Stunden bei der WM noch auf Platz 12 und bei der EM auf Platz 7 vor. Gleich dahinter folgte Tanja Hooß in 8:12 Stunden, die nach einer ersten verkrampften Hälfte immer besser zurecht kam und als 14. bzw. 7. ins Ziel kam.
Antje Krause hatte nach der langen Saison noch die notwendige Kraft und war mit 8:19 Stunden unter den ersten drei Deutschen. Innerhalb der nächsten 15 Minuten folgten die drei weiteren deutschen Frauen. Kaum eine Nation konnte solch ein geschlossenes Mannschaftsergebnis abliefern.
1:02 Minuten fehlen auf Rang drei
Dies sollte eigentlich belohnt werden. Zuerst sah es auch nach Addition der Ergebnisse danach aus - Platz 3 bei der EM in der Mannschaft. Doch die Enttäuschung war groß, als dann festgestellt wurde, dass zwei russische Frauen nicht in der Liste zu finden waren. Am Ende fehlten zum 3. Platz 1:02 Minuten.
Lange brauchte die Organisation, um die Richtigkeit der Laufzeit durch die Chip-Zwischenzeiten zu bestätigen. Alle Frauen bestätigten ihre gute Vorbereitung und ihre Einschätzung von 8:10 Stunden bzw. Zeiten um bzw. unter 8:30 Stunden. Tröstlich auch, dass alle Frauen die Normzeit von 8:35 Stunden von 2010 unterboten.
André Collet schiebt sich nach vorn
Bei den Männern wurde es spannend. Bei Kilometer 70 noch auf eine Endzeit von 6:45 Stunden hin laufend folgten auch bei André Collet einige harte Runden. Er schob sich langsam nach vorne, und bei Kilometer 90 zeichnete sich ab, was ihm dann eingangs der letzten Runde mitgeteilt wurde. Er lief auf den 3. Platz in der EM-Wertung. Und diesen Rang ließ er sich in 6:51:54 Stunden nicht mehr nehmen.
Was bei Matthias Dippacher zwischen Kilometer 79 und 84 passierte, ließ die Betreuer nervös werden. Mit Rückenschmerzen war er nur noch zu einer 33-Minuten-Runde in der Lage. Er kämpfte weiter, indem er sich zwei Runden an die bis dahin führende Frau Lizzy Hawker klemmte, um dann wieder ins Rennen zurückzukommen. Mit 24 Minuten gelang ihm noch eine tolle Schlussrunde, die sich noch auszahlen sollte.
Überraschung bei der Siegerehrung
Auch Jörg Hooß hielt sein Tempo und brach nicht weiter ein. Mit Runden zwischen 24 und 26 Minuten, lief er erschöpft aber glücklich, die Mannschaft in die Wertung gebracht zu haben, als WM-39. bzw. EM-29. ins Ziel. Eine Berechnung des Mannschaftsergebnisses lag bis zur Siegerehrung nicht vor.
Groß war die Verwirrung und Überraschung der Männer, als die Mannschaftsdritten aufgerufen wurden. Zuerst glaubte die deutsche Mannschaft, dass es um das Frauenteam ginge und der russischen Läuferin nun doch eine Disqualifikation ausgesprochen worden sei. Doch als die Männer aus Großbritannien und Frankreich sich erhoben, war es klar. Mit 1:07 Minuten lag das deutsche Team vor Russland. Italien, Polen, Norwegen und Finnland brachten nur ein oder zwei gute Läufer ins Ziel.
Einige Neuerungen
Ganz anders als in den letzten Jahren, als die Nationen eher verstreut untergebracht waren, brachte die Unterkunft aller Nationen auf einem Kreuzfahrtschiff für die Athleten kurze Wege, eine große Gemeinschaft und eine gute Versorgung. Das deutsche Team war begeistert. Die Temperaturen, die dank der markanten Wolke am Felsen von Gibraltar trotz Sonnenschein nie zu hoch wurden, machten dennoch, oder gerade weil keiner die Hitze richtig wahrnahm, allen zu schaffen und jeder war froh, dass der Wind noch nicht so kräftig wie am Abend blies.
Das Betreuerteam hatte auf dieser 5-Kilometer-Runde durch die geringen Abstände zwischen den Frauen ordentlich zu tun. Die neue Regelung, die es dem Betreuer verbot, in der Wechselzone mit dem Läufer mitzulaufen, sondern forderte, dass die Getränke vom Tisch aus zu übergeben sind, erschwerte die Betreuung noch um einiges.
Perfekte Zusammenarbeit im Team
Doch zu keiner Zeit gab es Schwierigkeiten (allen Helfern sei Dank) auf die auch kurzfristigsten Sonderwünsche einzugehen. Sie konnten durch die gute Zusammenarbeit im Team und dank einer umfangreichen Übermittlung durch Karl Collet in seiner Funktion als Vorposten erfüllt werden.
Außerdem neu war das Verbot von GPS-Uhren zur Tempobestimmung. Ebenso umständlich die eingeschränkte Möglichkeit des Kleiderwechsels bzw. der Massage nur noch in einem extra dafür abgesperrten Bereich. Die Einhaltung bzw. die Kontrolle der Einhaltung gab im Vorfeld und während des Rennens in einigen Punkten Anlass zur Diskussion.
Verwarnungen wurden ausgesprochen, führten jedoch noch zu keiner Disqualifikation durch rote Karten. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die WM-Erste aus Großbritannien (im Heimatland) wegen Massage hinter dem Verpflegungstisch disqualifiziert worden wäre. Die Mannschaftswertung hätte dann auch anders ausgesehen.
(Fotos: Sommer)