| Berlin 2008 – Berlin 2018

Unsere Zeitreise mit… Pamela Dutkiewicz: Die beste Entscheidung meiner Karriere

Steigen Sie ein und schnallen Sie sich an. Wir nehmen Sie mit auf eine Zeitreise. Eine Reise, die im Sommer 2008 bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften im Berliner Olympiastadion beginnt. Eine Reise, die im Sommer 2018 bei den Europameisterschaften im Berliner Olympiastadion ihren Höhepunkt finden soll. Berlin 2008 – Berlin 2018. Gestern und Heute. Now and then. In dieser Woche ist Ihre Reiseleiterin: Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz.
Pamela Dutkiewicz/ Alexandra Dersch

Die beste Entscheidung meiner Karriere – das klingt so groß, so allentscheidend. Aber wenn ich auf die letzten zehn Jahre meiner Karriere zurückblicke, gab es da tatsächlich einen Wendepunkt, der viele Knoten gelöst hat und mich zu dem Menschen gemacht hat, der ich heute bin. Sportlich, aber auch auf mentaler Ebene. Und diese Geschichte möchte ich gerne mit euch teilen.

Das Schicksal schlug im Finale der Deutschen Hallenmeisterschaften 2015 zu. In 8,07 Sekunden war ich Vizemeisterin geworden, hatte die Norm für die Hallen-EM unterboten und: knickte im Ziel um. Die Bänder in beiden Füßen waren gerissen. Ein Schock. Ich habe zwar noch einmal versucht, die Saison noch zu retten, viel zu früh und unter Schmerzen wieder mit dem Training angefangen und war prompt wieder verletzt. Da war klar: Das war es mit dieser Saison.

Es klingt dramatisch, ich weiß, von außen wurde es auch so wahrgenommen. Aber für mich war es die Chance. Die Chance, meinem Körper und auch Kopf endlich etwas Ruhe zu gönnen und mich intensiv mit meinem damaligen größten Problem befassen zu können: meiner Suche nach meinem Wohlfühl-Körper.

Viel Kraft vergeudet

Seitdem ich ungefähr 16 Jahre alt war, habe ich mich nie wohl in der knappen Sprintkleidung gefühlt, habe mich vor dem Startschuss eher damit beschäftigt, was die anderen Leute jetzt wohl von mir denken, anstatt mich auf mich zu konzentrieren. Ich wurde zwar nie gehänselt, aber ich persönlich war unzufrieden mit mir. Ich habe mich immer mit anderen Mädchen verglichen, mich ständig mit Essen beschäftigt, wurde dadurch immer unsicherer und habe mich auch ziemlich allein mit diesem Problem gefühlt. Heute weiß ich, so wir mir, geht es ganz vielen jungen Mädchen. Ich weiß aber auch, dass ich in dieser Phase viel mentale Kraft verloren habe. Viel Kraft und damit Energie, die ich im Training und über den Hürden viel besser hätte gebrauchen können. Ein Verlust, der vielleicht viel entscheidender war als die Kilos mehr auf meinen Hüften.

Ich hatte in den Jahren zuvor schon einiges versucht, habe mein ganzes Geld in teure Ernährungsberatungen gesteckt, die aber nie etwas gebracht haben. Auch, weil innerhalb einer laufenden Saison, oder auch der Vorbereitung auf eine neue, der Mut gefehlt hat, etwas gänzlich Neues auszuprobieren. Aber jetzt war die Chance da, diese Sache wirklich anzugehen. Also habe ich mich einmal komplett ärztlich durchchecken lassen. Ohne Ergebnis, aber die untersuchende Ärztin stellte einen Kontakt zu Mark Warnecke, dem ehemaligen Schwimmweltmeister, her, der zusammen mit Dr. Jörn Heinze eine Praxis in Witten hat.

Vertrauen, in den eigenen Körper wiederfinden

Nachdem ich Dr. Heinze meine ganze Leidensgeschichte erzählt habe, war plötzlich alles ganz einfach. Sein Rat war: Iss alles, was du magst, aber in Maßen und in der Summe nicht mehr als drei Mahlzeiten am Tag. Sein Plan war auf mein Training angepasst und ich habe auch ein paar gute Nahrungsergänzungsmittel dazu bekommen, aber im Prinzip war der Schlüssel zu meinem Problem so simple. Ich hatte einfach schlicht immer zu viel gegessen und in meinem Gedankenkarussell, dass sich permanent um die Ernährung und meinen Körper drehte, schlicht verlernt, intuitiv auf die Signale meines Körpers zu hören, was er denn nun eigentlich wirklich braucht.

Es war das Ende eines langen und harten Wegs für mich. Am Ende brachte ich knapp zehn Kilogramm weniger auf die Waage. Aber das verlorene Körpergewicht ist nur die eine Seite. Viel wichtiger für mich ist der innere Ballast, den ich auf diesem Weg verloren habe. In dieser Zeit hatte ich Gelegenheit, wirklich zur Ruhe zu kommen, mich innerlich zu fokussieren, ja, auch ein Stück weit zu mir zu finden und mir klar zu machen, dass es egal ist, was die anderen über mich denken, dass mich alleine diese Gedanken daran so lange ausgebremst haben. Seit dieser Zeit fühle ich mich wohl und fühle tatsächlich eine gewisse Leichtigkeit – im doppelten Sinne.

Manche Dinge brauchen Zeit

Ich habe gelernt, meiner Intuition zu folgen und mir selber zu vertrauen, dass mein Körper weiß, was ihm gut tut und was er braucht. Aber das war ein Prozess. Ich habe schon so einige Verletzungen oder Rückschläge in meiner Karriere verkraftet und glaube, dass sie alle zu etwas gut waren, denn alles steht für mich in einem sinnvollen Zusammenhang. Heute, knapp drei Jahre später, bin ich Bronzemedaillen-Gewinnerin bei Weltmeisterschaften und  frei von negativen Gedanken, in denen ich mich vergleiche oder mich unwohl fühle.

So war die beste Entscheidung meiner Karriere, angestoßen durch das Schicksal, eigentlich das bewusste Ja-Sagen zu mir, zu meinem Körper, den ich inzwischen genauso annehme wie er ist. Ich weiß heute, manche Dinge brauchen einfach ihre Zeit, auch wenn Geduld in der Regel nicht zu den Stärken eines Leistungssportlers gehört. Aber auf sich zu hören und sich die nötige Zeit zu geben, diese Erkenntnis war der Wendepunkt in meinem bisherigen Leben. Als Sportlerin, aber auch als Frau.

Auszüge aus der Karriere von Pamela Dutkiewicz:

2008 Wechsel aus Baunatal zum TV Wattenscheid 01 und Trainer Slawomir Filipowski. Bronze bei der Jugend-DM über die Hürden und Gold mit der 4x100-Meter-Staffel.
2010 2. Platz Jugend-Hallen-DM. In der Freiluftsaison unterbietet sie die Norm für die U20-Weltmeisterschaften in Moncton, aber beim Nominerungswettkampf in Mannheim sind zwei andere Athletinnen schneller.
2012 Deutsche U23-Meisterin. Unfall an der TU Dortmund, die Schwebebahn rammt einen Müllcontainer. Sie trägt ein Schleudertrauma und eine Platzwunde an der Lippe davon. Sie kämpft lange Zeit mit Gleichgewichtsproblemen aufgrund des Schleudertraumas.
2013 Vierte bei der DM
2014 Bronze bei der Hallen-DM, vierter Platz DM. Sie bleibt mit 12,95 Sekunden erstmals unter der 13-Sekunden-Marke. Für das EM-Ticket reicht es dennoch nicht, da drei andere Athletinnen schneller waren.
2015 Silber bei der Hallen-DM in 8,07 Sekunden – der Norm für die Hallen-EM. Wenige Meter hinter dem Ziel knickt sie um und reißt sich beidseitig die Bänder. Die Verletzungspause nutzt sie u.a. zur Ernähungsumstellung.
2016 Im Finale der Hallen-DM wird sie nach einem Fehlstart disqualifiziert. Im Finale der Freiluft-DM stürzt sie an der dritten Hürde und kommt nicht ins Ziel. Bei der EM stürzt sie im Finale an der ersten Hürde. Bei den Olympischen Spielen kommt sie bis ins Halbfinale.
2017 Dritte der WM 2017, Dritte der Hallen-EM 2017, Deutsche Meisterin 2017, Deutsche Hallenmeisterin 2017
2018 Silber Hallen-DM
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