| Berlin 2008 – Berlin 2018

Unsere Zeitreise mit… Pamela Dutkiewicz über Stationen ihrer Karriere

Steigen Sie ein und schnallen Sie sich an. Wir nehmen Sie mit auf eine Zeitreise. Eine Reise, die im Sommer 2008 bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften im Berliner Olympiastadion beginnt. Eine Reise, die im Sommer 2018 bei den Europameisterschaften im Berliner Olympiastadion ihren Höhepunkt finden soll. Berlin 2008 – Berlin 2018. Gestern und Heute. Now and then. In dieser Woche ist Ihre Reiseleiterin: Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz.
Alexandra Dersch

Zehn Jahre. Berlin 2008 bis Berlin 2018. Eine lange Zeit, in der im Leben von Pamela Dutkiewicz (TV Wattenscheid) viel passiert ist. Aus der 16-jährigen, oft schüchternen Hürdensprinterin ist eine selbstbewusste, mit WM-Bronze dekorierte Frau geworden. In einem offenen Interview spricht die heute 26-Jährige über ihr jugendliches Ich, welche Träume bis heute geblieben sind und eine Botschaft, die von auch über ihre Karriere hinaus in Erinnerung bleiben soll.

Pamela Dutkiewicz über…

… die jugendliche Pamela im Jahr 2008:
2008 war das Jahr für mich, in dem ich zum ersten Mal für meinen neuen Verein, den TV Wattenscheid, bei großen Meisterschaften teilnehmen konnte. Davor, zuhause in Baunatal, war alles noch so spielerisch, so unbeschwert gewesen. Ich war damals 16 Jahr alt, aber hatte schon einen großen Ehrgeiz. Der kam aus mir. Meine Eltern waren zwar auch erfolgreiche Sportler, die Freude am Sport haben sie mir natürlich mitgegebe, aber sie haben mich nie in die Richtung Leistungssport gedrängt.

In diesem Jahr kam zu dem Spaß auch eine gewisse Portion Ernst mit dazu. Ich wollte meine Sache gut machen. Und deshalb bin ich in dem Jahr ins Sportinternat nach Wattenscheid gezogen. Das war ein großer Umbruch in meinem Leben, der nicht immer einfach war. Ich erinnere mich noch genau an die innere Unruhe, die mich plötzlich packte, als ich mich in Wattenscheid von meinen Eltern verabschiedet habe. Ich wollte in dieses Internat, keine Frage, aber was das wirklich für uns als Familie bedeuten würde, wie viel Zeit wir dadurch miteinander einfach verpassen würden, das war uns allen damals nicht klar. Umso mehr sauge ich heute die Zeit mit meinen Eltern auf, wenn wir uns sehen. So hart es damals oft war, der Wechsel ins Internat hat mich eigenständiger gemacht und war richtig.

… die Jugend-DM 2008 in Berlin:
Ich war unfassbar nervös. Dieses Olympiastadion mit allem Drum und Dran, das hat mich unglaublich beeindruckt. Diese langen Wege, diese Bahn, ich zum ersten Mal mit einer großen Vereinsmannschaft unterwegs. Alles fühlte sich plötzlich so bedeutsam an und hat mich auch ein bisschen eingeschüchtert. Als ich aber meinen Namen auf Platz drei auf der Anzeigentafel aufleuchten sah, da weiß ich noch, wie glücklich ich war. Einen Tag später bin ich mit der Staffel sogar Deutscher Meister geworden. Und doch habe ich im Ziel ein paar Tränen vergossen, weil mein Wechsel nicht so perfekt war, wie ich es mir erhofft hatte. Da sieht man, wieviel Druck ich mir gemacht habe.

… ihre damaligen Träume und Erwartungen:
Wohin die Reise genau gehen sollte, das wusste ich damals noch nicht. Ich hatte keine Olympischen Ringe oder so etwas an der Wand, aber ich wollte gut werden, das war der grobe Plan.

… Entscheidungen, die sie im Nachhinein lieber früher getroffen hätte:
Ich bin froh sagen zu können, dass es nichts gibt, was ich bereuen würde. Ich glaube fest daran, dass alles gut so ist, wie es war, weil es mich zu dem Menschen gemacht hat, der ich heute bin. Ich hatte einige Rückschläge zu verkraften, wie Stürze in wichtigen Rennen, oder den Unfall mit der Schwebebahn an der Dortmunder Uni, oder auch die lange Zeit, in der ich mit mir und meinem Körper gehadert habe. Aber ich weiß, dass mir diese Rückschläge auch einen langen Atem beschert haben. Ich merke, dass die Leute um mich herum schneller dazu neigen, aufzugeben, während ich daran noch gar keinen Gedanken verschwende.

Was sich allerdings im Laufe der Zeit verschoben hat, ist mein Harmoniebedürfnis. Der Leistungssport hatte immer oberste Priorität für mich, aber ich habe früher auch viel auf die anderen Menschen um mich herum geschaut. Ich umgebe mich gerne mit Menschen, die ich mag und die mir guttun. Das ist mir sehr wichtig. Ich bin grundsätzlich ein Mensch, der Harmonie braucht und dadurch das Bestreben hat, es möglichst vielen recht zu machen und sich auch in andere Menschen hineinzudenken. Das ist an sich eine schöne Eigenschaft, die mir sicher in meinem späteren Beruf als Grundschullehrerin hilft, aber als Leistungssportlerin ist das nicht immer förderlich. Hier musste ich erst im Laufe der Zeit lernen, dass ich mich, oder vielmehr meinen Job als Leistungssportlerin mehr in den Fokus setze, auch wenn das zum Beispiel bedeutet, dass ich manchmal kurzfristig Verabredungen absagen muss. Zum Glück habe ich ein tolles Umfeld. Sie alle wissen: Das ist mein Job, und der bringt eben diese Verpflichtungen mit sich.

… ihre treusten Wegbegleiter in den letzten zehn Jahren:
Das sind zu allererst meine Eltern. Für sie und ihre Unterstützung gibt es keine Worte, die ihnen annähernd gerecht werden könnten. Sie haben mir alle wichtigen Werte und Eigenschaften mitgegeben. Wie weit ich komme, das hätten sie auch nicht gedacht. Neben meinen Eltern ist um mich herum in den letzten zehn Jahren ein tolles Team entstanden, von dem jeder Einzelne einen Anteil am Erfolg hat. Mein Trainer Slawomir Filipowski, der mich nun seit zehn Jahren betreut und sportlich so weit gebracht hat. Mein Freund Maik, den ich 2015, als ich verletzt war, beim Rehatraining kennengelernt habe – da sieht man wieder, dass manche Dinge vielleicht so sein sollen. Er ist meine emotionale Unterstützung und ich bin froh und dankbar, dass er sein Leben mit mir lebt, auch wenn ich als Leistungssportlerin manchmal egoistisch sein muss. Meine Freundinnen Maral und Sofia, bei denen ich den Akku aufladen kann und natürlich auch meine Sportpsychologin Gaby Bußmann, bei der ich so ehrlich sein kann und die mir schon so oft geholfen hat. Das ist mein kleines Netzwerk, das ich mir in den letzten zehn Jahren aufgebaut habe und in dem jeder, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen, Anteil an meinem Erfolg hat.

… ihr heutiges Ich:
Die letzten zehn Jahre waren eine entscheidende Phase. Von der Pubertät hin zur Frau, da passiert ja ohnehin schon so viel. Im Kern bin ich weiterhin das gutherzige und harmoniebedürftige Mädchen von damals. Aber heute würde ich mich eher als gutherzig mit der nötigen Professionalität im Hinblick auf den Sport betrachten. Meine emotionalen Fühler versuche ich derzeit eher bei mir zu lassen, später, nach meiner Karriere, wenn ich dann als Grundschullehrerin arbeite, werde ich sie aber wieder ausfahren. Momentan bin ich ganz bei mir, habe mich frei gemacht davon, es anderen Recht machen so wollen. Das habe ich 2015 gelernt. Das war ein großer Schritt in meiner Persönlichkeitsentwicklung.

… ihre Beziehung zur blauen Bahn von Berlin:
Meine erste Erinnerung an die blaue Bahn liegt schon zwölf Jahre zurück. 2006 war ich Einlaufkind beim ISTAF und ein riesiger Stefan-Holm-Fan. Ich weiß noch, dass er mir und meiner Freundin damals zugezwinkert hat, das war natürlich ein riesen Ding für uns als 14-Jährige. Zwei Jahre später bin ich dann selber im Olympiastadion gelaufen, das war dann plötzlich schon eine andere Nummer. Nicht zu vergleichen mit allen Wettkämpfen, die ich zuvor hatte. Es fühlte sich mit einem Schlag so wichtig, so ernst an. Und ich wollte alles richtig machen, ja, ich hatte schon einen gewissen Druck und war sehr beeindruckt.

Wenn ich jetzt in Richtung Berlin zur EM schaue, will ich mich allerdings heute nicht mehr beeindrucken und dadurch einschüchtern lassen. Ich weiß, mein Trainingskonzept ist schon seit dem letzten Jahr auf Berlin ausgerichtet, so eine Heim-EM, das ist natürlich ein Riesen-Ding. Aber ich werden meinen Fokus deshalb nicht verlieren. Es ist ein großer Wettkampf und große Wettkämpfe sind inzwischen das, was ich immer mache. Ich werde meinen Job machen. Nach meinem Wettkampf lasse ich mich dann gerne beeindrucken von der EM, denn die wird, da bin ich mir sicher, insgesamt eine richtig coole Show.

…den Traum, der sich noch erfüllen soll:
Ich bin vorsichtig, was das öffentliche Benennen von Träumen angeht, denn schließlich wird man daran dann ja auch zurecht gemessen. Aber ich habe 2017 gesehen, dass ich international mitreden kann. Bis 2020 will ich da vorne mitrennen und so bedeutsam wie möglich sein in der Hürdenwelt.

…etwas, das die Menschen über ihre Karriere hinaus von ihr im Kopf behalten sollen:
Diese Welt ist so schnelllebig. Du packst die Menschen nur, wenn die Leistung stimmt und der Mensch dahinter etwas zu sagen hat. Ich würde mich freuen, wenn ich auch Menschen abseits des Sports zeigen könnte, dass es sich lohnt, nicht so schnell aufzugeben und sich frei von den Erwartungen anderer zu machen. Ich lebe nach dem Motto: Nur wer bereit ist zu scheitern, der gibt auch alles. Das passt auch zu der Wahl meiner Disziplin. Du kannst die zehn Hürden wunderschön überlaufen, aber schnell wird das nicht. Alles geben, mit dem Risiko leben, dabei zu stürzen und dann wieder aufzustehen, ganz egal, was die anderen sagen, und es erneut zu versuchen – das treibt mich an. Das lebe ich. Wenn ich damit auch andere Menschen inspirieren könnte, dann hätte ich als Sportlerin doch eigentlich alles erreicht.

Auszüge aus der Karriere von Pamela Dutkiewicz:

2008 Wechsel aus Baunatal zum TV Wattenscheid und Trainer Slawomir Filipowski. Bronze bei der Jugend-DM über die Hürden und Gold mit der 4x100-Meter-Staffel.
2010 2. Platz Jugend-Hallen-DM. In der Freiluftsaison unterbietet sie die Norm für die U20-Weltmeisterschaften in Moncton, aber beim Nominerungswettkampf in Mannheim sind zwei andere Athletinnen schneller.
2012 Deutsche U23-Meisterin. Unfall an der TU Dortmund, die Schwebebahn rammt einen Müllcontainer. Sie trägt ein Schleudertrauma und eine Platzwunde an der Lippe davon. Sie kämpft lange Zeit mit Gleichgewichtsproblemen aufgrund des Schleudertraumas.
2013 Vierte bei der DM
2014 Bronze bei der Hallen-DM, vierter Platz DM. Sie bleibt mit 12,95 Sekunden erstmals unter der 13-Sekunden-Marke. Für das EM-Ticket reicht es dennoch nicht, da drei andere Athletinnen schneller waren.
2015 Silber bei der Hallen-DM in 8,07 Sekunden – der Norm für die Hallen-EM. Wenige Meter hinter dem Ziel knickt sie um und reißt sich beidseitig die Bänder. Die Verletzungspause nutzt sie u.a.zur Ernähungsumstellung ( Lesen Sie dazu ihren Blogbeitrag)
2016 Im Finale der Hallen-DM wird sie nach einem Fehlstart disqualifiziert. Im Finale der Freiluft-DM stürzt sie an der dritten Hürde und kommt nicht ins Ziel. Bei der EM stützt sie im Finale an der ersten Hürde. Bei den Olympischen Spielen kommt sie bis ins Halbfinale.
2017 Dritte der WM 2017, Dritte der Hallen-EM 2017, Deutsche Meisterin 2017, Deutsche Hallenmeisterin 2017
2018 Silber Hallen-DM
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