Usain Bolt will kein Superman sein
Der einstige Ausnahmesprinter Michael Johnson (USA) nennt ihn Superman II. Doch Doppel-Olympiasieger Usain Bolt will kein solcher sein: „Nennt mich Lightning Bolt, nichts anderes.“ Allerdings tobt dieser Usain Bolt, der auch nicht mit dem US-Schwimmstar Michael Phelps verglichen werden will, eher wie ein Außerirdischer mit übermenschlichen Kräften über die Kunststoffpiste im Olympischen Vogelnest von Peking (China).
Erst verblüffte die Art und Weise, in der Jamaikas neuer Weltstar des Sports in 9,69 Sekunden am Ende fast joggend den eigenen 100-Meter-Weltrekord vom 31. Mai in der Luft zerriss. Dann überwältigte der Trommelwirbel seiner Beine, mit dem er nach 19,30 Sekunden den einstigen Fabel-Weltrekord von Michael Johnson über 200 Meter im Archiv der Sportgeschichte versenkte.In 81 Tagen ging sein Name um die Welt - und auch hier lässt Science Fiction mit dem fast gleichnamigen Buchtitel von Jules Verne grüßen: Was dieser junge Jamaikaner real werden lässt oder an Entwicklungsmöglichkeiten andeutet, sprengt ähnlich wie damals die Werke des französischen Visionärs manche Vorstellungskraft.
Weitere Fabelzeiten keine Utopie
Der Junge, der mit 16 Jahren angesichts einer Steigerung auf 20,13 Sekunden über 200 Meter als Wunderkind galt, macht deutlich: 100-Meter-Zeiten unter 9,60 Sekunden und ein 200-Meter-Weltrekord mit einer 18 vor dem Komma sind keine Utopie mehr.
An diesem Usain Bolt scheiden sich aber auch die Geister: Seine Zeiten lösen Bewunderung und Schrecken gleichermaßen aus. Einerseits wird bei dem 1,96 Meter langen Mann aus der Karibik so gar nichts von dem sichtbar, was vor 20 Jahren den muskelbepackten Kanadier Ben Johnson auf dem Weg zu dubiosen Weltrekorden charakterisierte.
Andererseits kann es sich die Fachwelt nur schwer vorstellen, dass da einer der Konkurrenz so weit enteilt und zugleich nie Anlass gibt, als müsse er auch den Dopingfahndern davonlaufen.
„Fahr zur Hölle“
Derweil hat sich Jamaikas Chef-Teamarzt Herb Elliot mit deutlichen Worten gegen sämtliche Doping-Verdächtigungen seines Schützlings zur Wehr gesetzt. „Ich habe ihn zwischen November und Dezember 15 Mal getestet. Seit wir in Peking sind, wurde er sechs Mal kontrolliert“, sagte er zum t-online.de: „Jedem, der unser Anti-Doping-Programm anzweifelt, oder uns mit Doping in Verbindung bringt, kann ich nur sagen: Fahr zur Hölle.“
Mit seinem 200-Meter-Sieg steht Usain Bolt nun auf einer Stufe mit legendären Olympioniken. Acht Sprintern war es zuvor gelungen, bei Olympia die 100 sowie die 200 Meter zu gewinnen. Jesse Owens (USA) ist auf der Liste, er gewann 1936 in Berlin auch Weitsprung und Sprintstaffel. Zuletzt rannte Carl Lewis (USA) zum Doppel, 1984 in Los Angeles (USA), auch er sprang und sprintete anschließend noch zum dritten und vierten Gold.
Vor Triple
Das dritte Gold ist auch für Usain Bolt in Reichweite, zu schwach scheinen die US-Amerikaner als ernsthafteste Konkurrenten zu sein. In der jamaikanischen Staffel läuft auch noch Asafa Powell mit, Fünfter im Endlauf über 100 Meter und über diese Distanz Vorgänger von Usain Bolt als Weltrekordler (9,74 sec). Usain Bolt wäre nach Jesse Owens, Carl Lewis und Bobby Morrow (USA; 1956) erst der vierte Sprinter, dem das Olympia-Triple gelänge.
Vier Goldmedaillen wie bei Jesse Owens und Carl Lewis sind für Usain Bolt dagegen ausgeschlossen: Als Weitspringer ist er bislang noch nicht auffällig geworden - und in Peking hat dieser Wettbewerb außerdem schon stattgefunden.
Sportwissenschaftler zerlegen 100-Meter-Lauf
Der Weltrekordlauf von Usain Bolt über 100 Meter hat inzwischen auch die Sportwissenschaftler verblüfft. Bei der Aufschlüsselung seines Laufes am vergangenen Samstag legte er Teile der Strecke mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 43,9 Kilometern pro Stunde (km/h) zurück. Die 9,69 Sekunden, die der Jamaikaner für die gesamten 100 Meter benötigte, entsprechen im Schnitt 37,15 km/h.
Die Sportwissenschaftler von sportsscientists.com zerlegten den Lauf von Usain Bolt in zehn Zeitabschnitte a zehn Meter. Für die drei Intervalle zwischen 50 und 80 Metern benötigte der 21-Jährige nur jeweils 0,82 Sekunden und widerlegte damit die Erkenntnis, dass ein Sprinter seine Höchstgeschwindigkeit zwischen 50 und 60 Metern erreicht, danach aber kontinuierlich abbaut.
9,60 Sekunden
Usain Bolt dagegen war in der Lage, ab 50 Metern drei Intervalle mit einem Tempo von 43,9 km/h zu laufen, danach hielt er zwischen 20 und 10 Metern immer noch ein bemerkenswertes Durchschnittstempo von 43,4 km/h. Die letzten zehn Meter des Rennens, als er längst die Arme zur Seite und das Tempo herausgenommen hatte, lief Usain Bolt noch in 0,90 Sekunden oder umgerechnet mit Tempo 40.
Wäre Usain Bolt die letzten 20 Meter des Rennens durchgelaufen, hätte er nach den Berechnungen von sportsscientists.com im besten Fall eine Zeit von 9,60 erreichen können - vorausgesetzt, er hätte auch die letzten 20 Meter mit 43,9 km/h absolviert. Vom Start bis zur 10-Meter-Marke benötige Bolt übrigens 1,85 Sekunden - obwohl es nach dem Schuss immerhin 0,165 Sekunden dauerte, ehe er loslief.
Superman hätte es nicht viel besser machen können. Und so sucht Usain Bolt, der in Peking mit Vorliebe Nuggets verspeist, bereits nach neuen Zielen: „Nächstes Jahr nach der WM kann ich darüber nachdenken: Vielleicht laufe ich dann die 400 Meter.“ Bereits jetzt reden Experten davon, dass er dort 42,5 Sekunden schaffen könnte.
mit Material von Sport-Informations-Dienst
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