Uwe Mäde - "Potenzial in der Entwicklung"
Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) kann auf eine mit drei Titeln und fünf weiteren Medaillen erfolgreiche U18-Weltmeisterschaft in Ostrava (Tschechische Republik) zurückblicken. Bundestrainer Uwe Mäde hat im Gespräch mit Christian Fuchs die Titelkämpfe, die am Sonntag zu Ende gingen, analysiert.

Uwe Mäde analysiert die U18-WM (Foto: Gantenberg)
leichtathletik.de:Uwe Mäde, wie bewerten Sie das deutsche Ergebnis bei der U18-Weltmeisterschaft?
Uwe Mäde:
Das Ergebnis passt in die Chronologie der Veranstaltungsserie dieser Jugend-WM. 1999 in Bydgoszcz hatten wir sechs Medaillen, 2001 ebenfalls sechs. 2003 in Sherbrooke waren wir mit auch bereits einmal acht Medaillen etwas erfolgreicher. In Marrakesch hatte es vor zwei Jahren einen Einbruch gegeben, der sich aber nur auf die zwei Medaillen bezog. Wenn wir diese Veranstaltungen nach anderen Kriterien analysieren, zum Beispiel, wie viele Deutsche sind eine Runde weitergekommen, wie viele haben sich in den Finals platziert, dann sehen alle Veranstaltungen durchaus ähnlich aus. Auch das Ergebnis jetzt in Ostrava ist so mit dem von Marrakesch vergleichbar. Dort hatten wir eben nur hintere Endkampfplatzierungen erreicht. Dadurch sind wir in Marrakesch ganz drastisch abgesackt. In Ostrava sind wir mit drei Goldmedaillen jetzt vorne mit dabei. Die weitere Entwicklung der WM-Teilnehmer von Marrakesch wie Robin Schembera oder Julian Reus zeigt aber auch, dass sie jetzt ganz erfolgreich sein können.
leichtathletik.de:
Was aber unterscheidet die U18-WM 2005 in Marrakesch von der nun in Ostrava?
Uwe Mäde:
In Marrakesch hatten wir arg mit der Wärme zu kämpfen, aber ich denke auch, dass wir insgesamt ein schwächeres Team hatten, was den Kampf um die Medaillenränge betrifft. Es war keiner dabei, der sich herausragend in Szene setzen konnte oder von vornherein in den Medaillenrängen gesichtet worden wäre. In Ostrava waren dagegen sechs, sieben Athleten in den Meldelisten bereits ganz weit vorne. Das hat letztendlich auch zu diesem positiven Ergebnis geführt.
leichtathletik.de:
Ist das eine besondere Entwicklung oder eine ganz normale Streuung?
Uwe Mäde:
Wir haben es in der Jugend immer mit Wellenbewegungen zu tun. Im schlimmsten Fall kumulieren Wellentäler in allen Disziplinen. Dann kommen wir zu so einem Punkt wie in Marrakesch. Ich denke aber, wir haben in Ostrava ein normales Ergebnis erzielt, das sehr zufriedenstellend ist. Wir haben aber in der weiteren Entwicklung noch Potenzial. Nur bei einer U18-WM kann man von den Athleten noch nicht erwarten, dass sie dieses Potenzial und ein Bestleistungsniveau stabil abrufen.
leichtathletik.de:
Was wäre notwendig, um dieses Potenzial abzurufen?
Uwe Mäde:
Wir müssten trainingsmethodisch anders arbeiten. Das würde dazu führen, dass die Athleten in der U18 schon top ausgebildet sind. Die weitere Perspektive wäre damit aber fragwürdig.
leichtathletik.de:
Trotzdem, es gab noch nie drei Titel bei einer U18-WM für Deutschland…
Uwe Mäde:
Ich möchte das natürlich auch gar nicht schlecht reden. Viele Athleten haben sich im Bereich ihrer Bestleistungen präsentiert. Die Medaillen sind der Mitnahmeeffekt. Darüber freuen wir uns sehr. Es zeigt auch, dass in den Vereinen solide gearbeitet wird, dass die Athleten sauber vorbereitet waren und viele ihren Wettkampf in einem positiven Sinn machen konnten.
leichtathletik.de:
Nominierungsanspruch war die Endkampfchance. Acht Athleten sind in der ersten Runde hängen geblieben. Was gab hier den Ausschlag?
Uwe Mäde:
Man hat gesehen, dass diese Athleten sehr viel Respekt vor dieser Veranstaltung gehabt haben. Sie waren sehr beeindruckt von dem Feld, von dem ganzen Drumherum. Dass sie sich, um überhaupt weiterzukommen, im Rahmen ihrer Bestleistungen präsentieren mussten, hat sie auch sehr stark unter Druck gesetzt. Damit sind sie schlecht zurechtgekommen. Dennoch halte ich 25 Prozent "Ausfallquote" für recht wenig. 19 Athleten auf Endkampfplätzen ist auf der anderen Seite ein sehr positives Ergebnis. Trotzdem gab es auch dort Athleten wie Gordon Wolf im Diskuswerfen, von denen wir uns eine Kleinigkeit mehr versprochen hatten, dennoch kann man, realistisch betrachtet, auch mit einem vierten Platz zufrieden sein. Gordon weiß jetzt, wo der Hase lang läuft, bei den nächsten internationalen Wettkämpfen kann er von dieser Erfahrung profitieren.
leichtathletik.de:
Auffallend war in Ostrava, dass sich das deutsche Team in den Disziplinen stark präsentierte, in denen es auch bei den Erwachsenen herausragende Leistungen und Leistungsträger gibt, in den Läufen aber bereits bei den U18 etwas "wenig los" ist. Was ist der Grund dafür?
Uwe Mäde:
In den technischen Disziplinen ist ein spezielles Trainer-Knowhow von Nöten, um vorwärts zu kommen. Dieses Knowhow besitzen wir. In anderen Nationen fokussiert man sich oft auf die vermeintlich einfachen Disziplinen wie den Sprint und Laufbereich. Deshalb ist es dort für uns schwerer.
leichtathletik.de:
Welche Bedeutung hat diese U18-WM Ihren Eindrücken zufolge generell bei anderen Nationen?
Uwe Mäde:
Für die meisten Nationen hat diese Meisterschaft eine herausragende Bedeutung, insbesondere bei den kleinen Ländern. Dort ist es eine absolute Ehre, der Höhepunkt, an der U18-WM teilnehmen zu können. Das wird auch politisch ganz hoch aufgehängt, hochrangige Politiker oder Sportfunktionäre sind vor Ort. Das wäre so, als ob unser Bundespräsident sich die Ehre gäbe, diese Mannschaft anzuführen.
leichtathletik.de:
Die U18-WM ist der Einstieg in das internationale Geschäft. Wie haben Sie Ihre Mannschaft in Ostrava vor diesem Hintergrund erlebt?
Uwe Mäde:
Sehr positiv. Wenn man gesehen hat, unter welchen Bedingungen wir in Ostrava gewohnt haben, welche Reibungs- und Kritikpunkte es am Anfang mit der Verpflegung und dem Transport gab, dann hat dieses Team sehr gut zueinander gefunden. Wir hatten eine sehr gute Stimmung in der Mannschaft.
leichtathletik.de:
Wie hat sich das geäußert?
Uwe Mäde:
Man hat sich umeinander gekümmert, bei Erfolg wie auch bei Misserfolg. Man gestaltet gemeinsam den Tagesablauf, was nicht ganz einfach ist, wenn einige Athleten nach den ersten beiden Wettkampftagen schon fertig sind. Auch das Betreuerteam hat eine wesentliche Rolle gespielt. Ich hatte den Eindruck, dass wir uns sehr gut verstanden und die Trainer ihre Aufgaben sehr gut erfüllt haben. Die Athleten konnten sich optimal auf die Wettkämpfe einstellen. Das ist auf eine gute Kooperation untereinander zurückzuführen.
leichtathletik.de:
Was wird Ihnen persönlich von dieser U18-WM in Erinnerung bleiben?
Uwe Mäde:
Am Anfang hatte ich ob der Unterbringung und dem weiteren Ärger befürchtet, dass wie schon vor zwei Jahren in Marrakesch wieder etwas Negatives hängen bleibt. Wir fahren aus Ostrava aber nun wirklich positiv nach Hause, weil wir die Probleme gemeistert und im Team hervorragend zusammengearbeitet haben. Die Wettkampforganisation war hervorragend. Die Tschechen haben Probleme, die man angesprochen hat, kooperativ gelöst. Wir haben uns sehr wohl gefühlt und ich ziehe auch persönlich ein insgesamt positives Fazit. Ich bin jetzt schon wieder gespannt auf die U18-WM 2009 in Brixen.