Die Sicht der Dinge – von Lothar Hirsch
Der Leistungssport als ein schnelllebiges, an Erfolgen orientiertes und gemessenes "Unternehmen" unterliegt folglich auch den Erfolgsgesetzen des normalen Lebens. Permanente Kritikfähigkeit in einer ständigen Überprüfung aller "Produktionsabläufe" sehe ich als Grundlage einer Weiterentwicklung im Sinne einer Verbesserung. Visionen zu diesem Thema für den Bereich Lauf habe ich vor einiger Zeit sowohl innerhalb der Trainerschaft Lauf wie auch innerhalb des DLV`s vorgestellt, wohlgemerkt innerhalb.

Lothar Hirsch äußert sich (Foto: Chai)
Öffentliche Ausführungen oder Aussagen erhalten generell eine ganz andere Brisanz, sollten gut überlegt und vor allem glaubwürdig sein, auch und gerade durch die Personen, die sich dazu berufen fühlen.Die Forderung "Bundestrainer weg" als Strukturfrage wiederholt sich sporadisch solange es Bundestrainer gibt. Nun kommt diese Forderung vom TSV Bayer Leverkusen in der Person Paul-Heinz Wellmanns. Stellt sich die Frage, in welcher Funktion äußert sich Paul-Heinz Wellmann, als Geschäftsführer von TSV Bayer Leverkusen oder als verantwortlicher Lauftrainer (800 m – Marathon ) vom TSV Bayer Leverkusen, denn beide Funktionen übt er aus.
Um beidem vorzubeugen möchte ich meine Antworten beiden Positionen widmen.
Zunächst aus der Sicht des Geschäftsführers, der für Leistungs- und Förderungsstruktur, Leistungsziele und schließlich Ergebnisse Mitverantwortung trägt:
Der Verein und Stützpunkt Leverkusen verfügt über elf hauptamtliche Leichtathletiktrainer, die unter besten Bedingungen und Voraussetzungen arbeiten. Ein solcher Aufwand darf eigentlich nur einer internationalen Beurteilung unterliegen. Nimmt man die internationalen Meisterschaften in diesem Jahr von der EM U 20 über EM U 23 bis zur WM Paris, dann bewegt sich das Ergebnis Leverkusens, um es wohlwollend auszudrücken, auf dem Niveau des DLV`s der WM Paris.
Vier Teilnehmer bei der EM U 20 (Plätze 2, 2, 6, o.g.V.), drei weibliche Teilnehmer bei der EM U 23 (Plätze 1, 3, 9), kein männlicher Teilnehmer, acht Teilnehmer bei der WM, wovon 5 im Vorkampf ausschieden, Plätze 13, 5, 3.
Macht es Sinn...?
Nun stellt sich die Frage: macht es Sinn, diesen Stützpunkt mit noch mehr hauptamtlichen Trainern zu versehen oder erscheint es vielleicht sinnvoller, zunächst einmal Aufwand und Ergebnis des derzeitigen Zustandes auf Effektivität hin zu überprüfen?
Ein für deutsche Verhältnisse optimaler Stützpunkt und Verein mit einem solchen Ergebnis spricht nicht unbedingt für die Stützpunkttheorie, wobei Stützpunkt nicht gleich Stützpunkt sein muss.
Nun aus der Sicht des Laufverantwortlichen sowie Lauftrainers:
Wenn man rein quantitativ die Zahl der Teilnehmer aus dem Laufbereich bei allen 3 Meisterschaften sieht, nämlich eine Teilnehmerin (WM Paris), die noch aus einer Dependance kommt, muss man dem, glaube ich, nichts hinzufügen. Wenn der DLV auf das Laufangebot aus dem Stützpunkt Leverkusen angewiesen wäre, müsste er morgen Offenbarungseid leisten.
"Sollen die Bundestrainer weg" - als Strukturfrage - eine immerwiederkehrende Forderung, wenn's nicht läuft. Forderungen ohne adäquate Alternativen sind ohne Substanz.
Alles sollte im Fluss sein
Ich halte es da eher mit dem vorsokratischen Philosophen Heraklit, bekannt durch seinen Satz des "panta rhei", alles fließt, alles sollte im Fluss sein - so auch die Frage nach der Leistungseffizienz aller Beteiligten am Leistungsprozess.
Die Forderung Leverkusens bzw. Paul-Heinz Wellmanns unter den Gesichtspunkten des eigenen Stützpunktes ist eher ein Plädoyer zur Erhaltung der Bundestrainer.
Lothar Hirsch ist DLV-Teamleiter Lauf.
In unregelmäßigen Abständen äußern sich auf leichtathletik.de Insider, Funktionäre, Journalisten, Athleten oder andere Experten, die eng mit der Leichtathletik verbunden sind, meinungsfrei und unabhängig von der Redaktion und dem DLV zu ihrer "Sicht der Dinge".