Varg Königsmark hat den Rhythmus
Die 400 Meter Hürden-Distanz zählt zu den besonders quälenden Disziplinen in der Leichtathletik. Zehn Hürden gilt es auf der Stadionrunde schnellstmöglich zu überwinden. Längst nicht jeder läuft sie freiwillig. Auch Varg Königsmark sträubte sich lange Zeit dagegen. Jetzt gehört der 18-Jährige zu den größten deutschen Hoffnungen auf dieser Strecke. Der Hobby-Schlagzeuger hat den Rhythmus rasch gefunden.
Mit 17 Jahren spezialisierte sich der hochgewachsene Athlet auf die ungeliebte Distanz. Schon im ersten Jahr feierte er mit dem vierten Platz bei der U20-WM einen großen Erfolg.Bereits seit seinem sechsten Lebensjahr aber ist der in Bergen auf Rügen Geborene sportlich aktiv, spielte jedoch zunächst Hockey. Mit neun Jahren nahm er aus Spaß an einem Leichtathletik-Wettkampf teil – und gewann diesen. Einige Zeit pendelte er fortan zwischen Hockey-Feld und Leichtathletik-Stadion. Nicht selten hatte er an einem Wochenende mehrere Wettkämpfe. Doch irgendwann wurde beides einfach zu viel, eine Entscheidung musste her.
Da passte es ganz gut, dass die Familie wieder einmal umzog. Das Talent wechselte von der SG Kronshagen (bei Kiel) ins Sportinternat Kaiserslautern und schließlich zum SCC Koblenz-Karthause. Dort kam er als 15-Jähriger erstmals mit den Hürden in Berührung. Nachdem er 300 Meter Hürden gelaufen war, wusste sein damaliger Trainer sofort, dass er ein Riesentalent vor sich hat. Doch Knieprobleme und Skepsis seitens des Athleten verhinderten einen Disziplinwechsel zunächst. Über die 400 Meter-Flachstrecke war er bereits sehr erfolgreich und dabei sollte es vorerst bleiben.
Im neuen Verein zur neuen Strecke
2008 wechselte der Nachwuchsathlet zur LG Nike Berlin und probierte sich unter seinem neuen Trainer Bernd Knobloch erstmals wieder an der Hürdenstrecke. Schon im nächsten Jahr wurde er ohne gezieltes Hürdentraining prompt Deutscher B-Jugendmeister. „Da hatte ich noch gar keine Erfahrung auf der Strecke, noch kein Rhythmusgefühl. Wahrscheinlich bin ich wegen meines 400 Meter-Niveaus so gut gewesen“, sagt er heute. Zugleich hatte er sich für die U18-WM in Brixen (Italien) über die 400 Meter qualifiziert und wurde dort Achter.
Im Anschluss an die WM-Teilnahme beschloss er gemeinsam mit seinem Trainer, den Umstieg auf die Hürden zu wagen. Der Erfolg gibt ihm nachträglich Recht: Auch 2010 wurde er Deutscher Jugendmeister und qualifizierte sich zudem für die U20-WM in Moncton (Kanada).
Der Hoffnungsträger hatte ja bereits eine WM erlebt, dachte, dass die nächste wohl so ähnlich ablaufen würde. „Aber es war dann doch alles ganz anders. Alles war viel professioneller. Ich war tierisch aufgeregt.“ Man vermutet, was Bernd Knobloch schließlich bestätigt: „Er ist ein Wettkampftyp, einer der sich dann steigern kann.“ Denn Varg Königsmark hatte auch in Hinsicht auf den Ausgang der WM eine falsche Ahnung – er wurde als bester Europäer Vierter.
Medaillenkandidat für Europa
Das ist ein durchaus guter Ausgangspunkt für die U20-EM in Tallinn (Estland), an der Varg Königsmark teilnehmen will. Sein Trainer gibt dagegen schon größere Ziele preis: „Eine Teilnahme an den Olympischen Spielen 2012 ist nicht einfach, aber auch nicht unrealistisch.“
Das wird Varg Königsmark, dessen momentane Bestzeit bei 50,47 Sekunden steht, sicherlich freuen. Das richtige Vorbild für dieses Ziel hat er sich bereits ausgesucht: Harald Schmid, den deutschen Rekordhalter seit 1982 auf der 400 Meter Hürden-Strecke (47,48 sec). „Mal sehen, ob ich seinen Rekord angreifen kann“, schmunzelt der 1,93 Meter große Athlet.
Sport und Studium vereinbaren
Um seinen Sport professionell ausüben zu können, besucht Varg Königsmark das Schul- und Leistungssportzentrum Berlin und wird dort im Sommer sein Abitur machen. Das gibt ihm nicht nur die Möglichkeit neun Mal in der Woche zu trainieren, sondern auch sein berufliches Ziel in Angriff zu nehmen. Er möchte Medizin studieren und würde, wenn unbedingt nötig, dafür auch umziehen - wieder einmal.
Dieser Zukunftswunsch macht deutlich, dass er nicht ausschließlich seinen Sport im Kopf hat. Da passt es auch, dass er nebenher noch Zeit für die Musik findet. Er spielt Schlagzeug, was ihm nach eigener Aussage für das Rhythmusgefühl bei den Hürden hilft, und auch Gitarre.
Während der Hallensaison findet er dafür vielleicht sogar ein wenig Zeit, denn er wird unterm Dach keine Wettkämpfe bestreiten. „Das ist die Erfahrung aus den letzten zwei Jahren. Mit meiner Größe und der Halle komme ich nicht so zurecht.“
Saisonstart mit dem Kader
Einen Wettkampf hat der Hürdenläufer dennoch bereits fest in seinen Kalender eingetragen. Er möchte am Läufercup in Pliezhausen (Baden-Württemberg) teilnehmen, den der Bundeskader Hürden traditionell als Eröffnungswettkampf für die neue Saison ansieht.
Eine wichtige Person muss er davon allerdings noch überzeugen: „Mein Trainer hat sich noch ein bisschen dagegen gesträubt, weil das so ein weiter Weg ist.“ An weite Wege dürfte sich zumindest Varg Königsmark aber immer mehr gewöhnen: Weltmeisterschaften und Olympische Spiele finden in der Regel nicht in unmittelbarer Nähe statt.