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Verena Sailer – Die Konstante im deutschen Frauensprint

Die Leistungsdichte im deutschen Sprint der Frauen ist enorm. Viele junge Talente haben sich in diesem Jahr zu Wort gemeldet und erstmals den Sprung ins WM-Team geschafft. Eine Konstante ist dagegen seit fast einem Jahrzehnt Verena Sailer. Die 29-Jährige steht vor ihrer vierten WM-Teilnahme. Und sie ist schnell wie eh und je.
Silke Morrissey

„2007? Oh Gott, oh Gott – da war ja alles noch total neu, total riesig!“ erinnert sich Verena Sailer an ihre ersten Weltmeisterschaften in Osaka (Japan). Ein Jahr zuvor, bei der EM in Göteborg (Schweden), durfte die damals 20-Jährige zum ersten Mal bei den „Großen“ ran, über 100 Meter und mit der Staffel. 2007 folgten die Einzel-Goldmedaille bei der U23-EM und der erste Auftritt auf der ganz großen Bühne. Nominiert war die Sprinterin sogar schon für die WM 2005 - dann wurde aber doch keine DLV-Staffel nach Helsinki (Finnland) geschickt.

Verena Sailer ist eine von zwölf DLV-Athletinnen und -Athleten im aktuellen WM-Aufgebot für Peking (China), die schon vor acht Jahren bei den Weltmeisterschaften am Start waren. Dem gegenüber stehen 20 WM-Debütanten im 67 Athleten starken DLV-Team. Allein vier WM-Neulinge sind für die Sprintstaffel der Frauen nominiert.

Enorme Leistungsdichte

Neben Verena Sailer und Yasmin Kwadwo (MTG Mannheim) – zuletzt eine weitere feste Größe in der DLV-Sprintstaffel, die in Peking vor ihrer dritten WM steht – haben es Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge), Alexandra Burghardt (MTG Mannheim), Anna-Lena Freese (FTSV Jahn Brinkum) und Gina Lückenkemper (LAZ Soest) in die DLV-Staffel geschafft. Alle gehören noch der U23-Altersklasse an, Lückenkemper ist gar erst 18 Jahre jung. Alle haben 2015 internationale Nachwuchs-Medaillen geholt. Und alle haben 100-Meter-Bestzeiten zwischen 11,21 (Haase) und 11,32 Sekunden (Burghardt).

Die damals 21 Jahre junge Verena Sailer ist 2007 mit einem Hausrekord von 11,31 Sekunden zur WM nach Osaka gereist. Jetzt, acht Jahre später, hat sie bei regulären Bedingungen zehn Rennen von 11,15 Sekunden und schneller in den Beinen. Ihre Bestzeit stammt aus 2013 und steht bei 11,02 Sekunden.

Vertrauen in die Staffel

Ihre konstant guten Leistungen haben Verena Sailer in den vergangenen acht Jahren einen Stammplatz in der deutschen Nationalmannschaft beschert. Allein bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften stand die Sprinterin, die erst das Trikot des LAC Quelle Fürth/München trug und jetzt für die MTG Mannheim startet, zwischen 2006 und 2015 neunmal im DLV-Aufgebot. Nur 2011 bei der WM in Daegu (Südkorea) fehlte sie verletzt. Ihre größten Einzel-Erfolge: EM-Gold 2010 und zweimal Bronze bei Hallen-Europameisterschaften.

In der Staffel hatte Verena Sailer in all den Jahren mehr als 20 verschiedene Mitstreiterinnen – da ist Flexibilität gefragt. Dennoch ist es bemerkenswert, dass die achtmalige Deutsche Meisterin gerade der Staffel von 2015 mit vier WM-Debütantinnen explizit ihr Vertrauen ausspricht. „Es sind ganz viele Junge dabei“, bestätigt sie, „aber es macht total viel Spaß, im Training herrscht eine super Atmosphäre.“ Diese gute Atmosphäre sei wichtig für den Erfolg als Team: „Da kann man sich bei den Wechseln noch mal ganz anders vertrauen.“

Flexibilität in der Aufstellung

Von Vorteil ist sicher auch, dass Sailer, Kwadwo und Burghardt gemeinsam in Mannheim bei Valerij Bauer trainieren. Im Quartett mit Ricarda Lobe haben sie sich bei der DM in Nürnberg in rasanten 43,42 Sekunden den Staffel-Titel geholt – eine Zeit unter WM-Norm. Ohne Verena Sailer und Rebekka Haase, die sich angeschlagen von der Hitze in Mannheim schonten, rannten Kwadwo, Freese, Lückenkemper und Burghardt am vergangenen Samstag nach 43,11 Sekunden ins Ziel.

„Ich mache mir keine Sorgen, dass es nicht klappt, wenn die Staffel noch mal anders aufgestellt wird“, betonte Verena Sailer anschließend und wies auf die ausgeglichenen Bestzeiten aller Nominierten hin. Da braucht sich auch das Küken im deutschen Team Gina Lückenkemper (LAZ Soest) mit Hausrekord von 11,25 Sekunden nicht zu verstecken. „Diese Woche habe ich noch mal mit Gina gewechselt", erzählte Sailer. "Sie ist zwar erst 18. Aber ich weiß, wenn sie ankommt, dann kann ich ihr absolut vertrauen.“

Zuerst Konzentration auf den Einzelstart

Für Peking gilt die Konzentration der schnellsten Deutschen aber erst einmal allein dem Einzelstart. Schon am zweiten Tag der WM, am Sonntag (23. August) um 12:00 Uhr Ortszeit (6:00 h deutscher Zeit), fällt der Startschuss für die Vorläufe, am Montag sind Halbfinals und Finale.

Beim letzten Test-Wettkampf in Mannheim hat sich die 29-Jährige mit starken 11,10 Sekunden in Richtung Peking verabschiedet, eine Zeit, die ihr 2010 EM-Gold beschert hatte. Allerdings folgte wenig später ein Dämpfer, als im zweiten Rennen die Wade dicht machte. „Es kam heute einfach viel zusammen“, erklärte sie, „das Wetter ist heftig, ich habe zwar aufgepasst und viel getrunken, aber man merkt gar nicht, wie man doch austrocknet.“

„Was passieren soll, das passiert“

Auch wenn Verena Sailer betonte, sie mache sich wegen der Wade keine Sorgen: Bei ihren Erwartungen an die WM hielt sie sich gewohnt bedeckt. Große Worte, große Ankündigungen – das war ohnehin noch nie ihre Sache. „Mit Zeiten und Zielen mache ich mich gar nicht verrückt“, sagte sie diesmal. „Eine gute Leistung zeigen, ohne mir Zeiten zu setzen“, hatte sie bei anderen Meisterschaften vorgegeben, oder: „Der Lauf soll sich einfach gut anfühlen.“

Sich ganz auf sich selbst zu konzentrieren – sicher der richtige Weg bei internationaler Konkurrenz, die so schwer berechenbar ist wie selten zuvor. Olympiasiegerin und Titelverteidigerin Shelly-Ann Fraser Pryce (Jamaika) ist die große Favoritin, aber wer kommt dann? Weitere 16 Athletinnen sind in diesem Jahr schon unter elf Sekunden gerannt, darunter acht US-Amerikanerinnen, von denen in Peking nur drei startberechtigt sind. Für das WM-Finale muss unter diesen Voraussetzungen wahrscheinlich mindestens eine Leistung im Rahmen von Verena Sailers Bestzeit her.

Aber darüber zerbricht sie sich wohl ohnehin nicht den Kopf. „Es kommt wie es kommt“, sagt sie, und: „Was passieren soll, das passiert.“ Und wenn dann der Einzelstart rum ist, heißt es: volle Konzentration auf die Staffel. Mit Sprinterinnen, die uns noch in den kommenden Jahren viel Freude bereiten könnten. Und – man mag schon fast sagen: wie immer – mit Verena Sailer. Der Konstanten im deutschen Sprint.

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