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Verena Sailer will wieder mehr Spaß haben

2014 war kein leichtes Jahr für Top-Sprinterin Verena Sailer. Bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm unterlag die 29-Jährige gegen Tatjana Pinto. Bei den Europameisterschaften in Zürich verpasste sie das Finale und die Staffel verlor im Vorlauf den Stab. 2015 will sie es entspannter angehen lassen und neue Erfolge feiern. „Ich darf die Stellschrauben nicht weiter anziehen, sondern muss sie lösen“, sagte Verena Sailer bei einer Pressekonferenz zu den Deutschen Hallenmeisterschaften in Karlsruhe, für die sie als Covergirl das Plakat ziert.
Reinhard Sogl

Neulich verkniff Verena Sailer bei einer Pressekonferenz anlässlich der nächsten Deutschen Hallenmeisterschaften in Karlsruhe für einen Moment leicht das Gesicht. Die schmeichelnden Worte von Frank Kowalski, dem Eventmanager des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV), wonach die auf dem offiziellen Plakat für die Titelkämpfe am 21. und 22. Februar 2015 abgebildete Sprinterin von der MTG Mannheim „eine unserer attraktivsten Athletinnen“ sei, schienen der 29-Jährigen etwas unangenehm.

Es war nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass Verena Sailer in Verlegenheit geriet – wenn auch auf ganz andere Art als bei dem Kowalski-Kompliment von Karlsruhe. Deutschlands schnellste Frau dieses Jahrhunderts hatte im vergangenen Sommer ein paar bittere Niederlagen einstecken, erklären und verarbeiten müssen.

DM-Frust in Ulm

Vor allem ihre überraschende Entthronung als deutsche Meisterin über 100 Meter bei den Titelkämpfen in Ulm durch Tatjana Pinto aus Münster hatte Verena Sailer zu schaffen gemacht, wie sie vier Monate später einräumt. „Momentan hat mich das schon geärgert, dass ich den Titel nicht verteidigen konnte“, gibt die Europameisterin von 2010 zu, die von 2006 bis 2013 bei der DM stets als Erste im Ziel war – mit Ausnahme von 2011, als sie wegen Achillessehnenproblemen fast die komplette Saison verpasste. Viel mehr noch als mit Rang zwei habe sie aber damit zu kämpfen gehabt, „wie ich den Wettkampf gemacht habe“.

Zwei Wochen später sollte es bei den Europameisterschaften in Zürich nicht besser laufen, wo Zeiten über 11,20 Sekunden nicht für den Einzug ins Finale reichten. Während Verena Sailer den Endlauf knapp verfehlte, wuchs ihre Schweizer Trainingspartnerin Mujinga Kambundji bei deren Heimspiel über sich hinaus und wurde EM-Vierte. „Ich habe mich für sie gefreut und war nicht sauer, dass sie im Finale stand und ich nicht. Es war auf meine Leistung zurückzuführen“, sagt die Mannheimerin.

Trübes EM-Bild

Es passte ins trübe EM-Bild, dass die mit Medaillenhoffnungen angetretene deutsche Staffel im Vorlauf den zweiten Wechsel verpatzte – Schlussläuferin Verena Sailer kam gar nicht mehr zum Einsatz. Die gebürtige Allgäuerin sagt bilanzierend:  „Das war nicht das, was ich mir vorgestellt habe. 2014 lief nicht so optimal. Ich hatte das Gefühl, einiges mehr drauf zu haben, konnte es aber nicht auf die Bahn bringen, was mir noch nie passiert ist. Ich bin froh, dass das Jahr zu Ende geht, und ich freue mich aufs nächste.“

Vielleicht ist es ja ein gutes Omen für Verena Sailer, dass sie schon bei ihrem ersten Wettkampf 2015 wieder den Boden des Erfolgs betreten wird. Ehe die Bachelor-Absolventin in Sportmanagement im Sommer 2013 ihre 100-Meter-Bestzeit auf 11,02 Sekunden drückte, war sie im März bei der Hallen-EM in Göteborg 7,12 Sekunden über 60 Meter gelaufen – so flink wie nie zuvor. Just das schnelle Geläuf aus Schweden findet in Karlsruhe neue Verwendung. Die von der Stadt für eine Summe von 350.000 Euro erworbene Bahn wird in der Messehalle 2 verlegt, wo quasi als DM-Testlauf am 31. Januar das internationale Indoor-Meeting ausgetragen wird. Die Europahalle, jahrelang Schauplatz hochklassiger Leichtathletik-Veranstaltungen, ist aus Brandschutzgründen für Großereignisse gesperrt.

Verena Sailer ist das Gesicht der Titelkämpfe, sie lacht vom DM-Plakat. Die Mannheimerin bedauert einerseits den erzwungenen Abschied aus der Europahalle, „wo immer eine besondere Atmosphäre herrschte“. Andererseits verweist sie auf die neuen Möglichkeiten einer Anlage, an die sie „positive Erinnerungen“ hat. Auf dieser Bahn will sie buchstäblich zu alten Zeiten zurückkehren. „Ich  will wieder im Bereich Bestleis­tung laufen“, sagt Verena Sailer, die bei der Hallen-WM 2014 in Sopot (Polen) im Halbfinale über 60 Meter ihren persönlichen Rekord einstellte und im Endlauf Achte wurde.

2018 nicht mehr dabei?

Für das kommende Jahr will die Sprinterin, die Olympia 2016 in Rio fest im Blick hat, aber beim Thema EM 2018 in Berlin erklärt, sich das Ganze „vielleicht doch lieber von der Tribüne aus“ anzuschauen, noch keine konkreten Ziele formulieren. Wichtig sei, dass sie durch die Trainingsblöcke gut durchkomme, „dann sind viele Grundlagen gelegt“. Auch für die Verwirklichung ihres weiterhin existierenden Traums, eines Tages über 100 Meter die Marke von 11,00 Sekunden noch zu knacken. „Planen kann man das aber nicht.“ Notwendig für eine Zehner-Zeit seien „Glück, ein gute Form, gute Bedingungen, eine schnelle Bahn, starke Gegner und optimal mit den Verhältnissen umzugehen“. In der Halle seien Rennen einfacher: „Du läufst einfach los und schaust, was dabei herauskommt.“

Die Voraussetzungen für eine Rückkehr im kommenden Jahr zu alter Stärke und womöglich darüber hinaus sehen Verena Sailer und ihr Trainer Valerij Bauer, die beide seit 25. November und noch bis 8. Dezember mit der DLV-Nationalmannschaft im Trainingslager im südafrikanischen Stellenbosch weilen, jedenfalls als bislang gegeben an: Die Vorbereitung auf die Saison 2015 mit den Höhepunkten Hallen-Europameisterschaften in Prag und Weltmeisterschaften in Peking (China) laufe seit Anfang Oktober gut, „wenn es so weitergeht, wird schon etwas Gutes dabei herauskommen“, sagt Bauer.

Auch Sailer äußert sich zufrieden über den Stand des Grundlagentrainings, zudem habe sie das verkorkste Jahr 2014 analysiert und erkannt: „Viele kleine Faktoren haben eine negative Rolle gespielt. Einiges hat sich von selbst erledigt, andere Sachen kann ich als positive Erfahrung mitnehmen.“

Mehr Spaß haben

Neben der für Verena Sailer durchaus neuen Erkenntnis, dass die Form beim Saisonhöhepunkt nicht automatisch top sein muss, hat sie  gelernt: „Ich muss mehr Spaß an der Sache haben, alles entspannter angehen, in bestimmten Situationen lockerer bleiben und meine Rennen nicht so verkrampft laufen.“

Verena Sailer gibt sich ungewohnt offen und gelöst. Sie dürfe „die Stellschrauben“ nicht weiter zudrehen, sondern müsse sie eher lockern. „Ich bin an einem Punkt angekommen, wo alles ziemlich stimmt. Wenn man dann noch mehr macht, geht’s in die falsche Richtung.“ Verena Sailer scheint auf dem richtigen Weg.

<link>Quelle: leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift

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