Veronica Pohl - Konzentration gilt dem Sport
16 Monate lang verweilte Veronica Pohl in den USA. Währenddessen lernte die Kölner Mittelstreckenläuferin die Vor- und Nachteile des US-amerikanischen Sportsystems kennen und pulverisierte ihre Bestzeiten auf nahezu allen Distanzen. Seit einer Woche hat die 24-Jährige wieder deutschen Boden unter den Füßen und will 2010 durchstarten.
Im Herbst 2008 begann für Veronica Pohl das Abenteuer USA. Die 24-Jährige machte sich von Köln aus auf über den großen Teich, um dort ihre Leidenschaft zu intensivieren. "Ich bin vor allem aus sportlichen Gründen in die USA gegangen. Ich wusste, dass sich dort Uni und Sport besser vereinen lässt", sagt Veronica Pohl.Ihre Zelte schlug die 24-Jährige an der Northern Arizona Universität in Flagstaff auf. Dort, wo sich vor allem im Frühjahr die nationale und internationale Lauf-Elite auf einer Höhe von 2.100 Metern trifft, um sich einige Wochen auf die Saison vorzubereiten, trainierte Veronica Pohl täglich.
Tägliches Gruppentraining
Finanzieren konnte sich die Kölnerin das Studium nur über ein Stipendium. 56.000 US-Dollar bekam sie pro Semester für Uni, Wohnung, Sport und Lebensunterhalt. "Das ist viel Geld, aber in den USA ist die Uni sehr teuer", sagt Veronica Pohl.
Jeden Tag, pünktlich um 14.30 Uhr, stand Gruppentraining auf dem Plan. Dann trafen sich 28 Läufer und 22 Läuferinnen zu einer gemeinsamen Trainingseinheit. Veronica Pohl war die stärkste der weiblichen Vertreterinnen in ihrem Team. Die zweite Einheit des Tages wurde zumeist individuell absolviert. Auf 110 bis 145 Wochenkilometer verteilt auf zehn bis 13 Einheiten kam die Läuferin auf diese Weise.
Jedes Training ein Wettkampf
Besonders gefallen hat Veronica Pohl der Stellenwert, den der Sport an den US-Universitäten genießt. "Sport hat hier absoluten Vorrang. Er ist im Stundenplan integriert, und man bekommt zu Wettkämpfen immer frei. In Deutschland ist das anders."
Allerdings gab es auch einige Dinge, die der 24-Jährigen missfielen. "Dort wird nur zwischen Dauerlauf und Tempoeinheit unterschieden. So etwas wie lockerer Dauerlauf, mittlerer Dauerlauf oder Fahrtspiel gibt es da nicht. Jedes Training wird so zu einem Wettkampf", sagt Veronica Pohl, die abseits des gemeinsamen Trainings ihre eigenen Wege ging.
Zusammen mit ihrem Heimtrainer Henning von Papen gestaltete sie die individuellen Einheiten etwas anders. Eine Lösung, die für US-Verhältnisse ungewöhnlich ist. Mündige Athleten sind dort die Ausnahme. "Das ist nicht böse gemeint, aber jeder macht das, was der Trainer sagt, ohne es zu hinterfragen. Vor allem bei den jungen Athleten ist das der Fall", sagt Veronica Pohl.
Erfolg stellt sich schnell ein
Das harte Training sollte schon bald erste Früchte tragen. Im Februar lief Veronica Pohl bei einem Hallen-Wettkampf in Seattle (USA) in 9:18,58 Minuten eine deutliche 3.000-Meter-Bestzeit. In Deutschland war sie damit hinter Sabrina Mockenhaupt (Kölner Verein für Marathon; 8:57,44 min) die Nummer zwei.
Bei den Nationalen College-Crossmeisterschaften (NCAA) kämpfte sich die 24-Jährige einen Monat später auf einen starken 16. Platz. Wenige Wochen später folgte die nächste Bestzeit. Beim Meeting in Stanford (USA) lief Veronica Pohl bei ihrem 5.000-Meter-Debüt 16:06,67 Minuten und liegt damit am Ende des Jahres an Nummer drei in Deutschland.
Die Frage, ob Cross- oder Hallensaison stellt sich für US-Athleten nicht. "Man muss alles laufen. Cross, Halle, Bahn und Straße", sagt Veronica Pohl. Die Übergänge sind fließend, was auch auf Kosten der Regeneration geht. "Es gibt eigentlich keine Pausen. Auch so etwas wie ein Aufbautraining gibt es nicht. Man hat ja keine Zeit dazu. Es wird einfach immer weiter geknüppelt und von Wettkampf zu Wettkampf gehetzt."
Strapaziöse Reisen
Wettkampf, das heißt in den USA reisen. In einem Land, das flächenmäßig 27-mal so groß wie Deutschland ist, sind kurze Anreisen Fehlanzeige. Zumeist geht es bereits am Freitag mit dem Flugzeug zu den Wettkämpfen. Der Rückflug erfolgt selten vor Sonntag. "Das ist immer sehr anstrengend und nimmt das ganze Wochenende in Anspruch", sagt Veronica Pohl.
Auch die Wettkämpfe sind deutlich härter als in Deutschland. Aufgrund der großen Teilnehmerfelder gibt es fast immer Vor- und Endläufe. Zwei bis drei Wettkämpfe pro Wochenende sind eher die Regel als die Ausnahme. Im Mai lief Veronica Pohl 1.500 Meter, 3.000 Meter Hindernis und 5.000 Meter an einem Wochenende. Höchstbelastungen für den Körper, was sich auch bei der 24-Jährigen bald bemerkbar machen sollte.
Nur Platz zehn in Ulm
Zu den Deutschen Meisterschaften nach Ulm war Veronica Pohl extra angereist. Als Zweite der Meldeliste durfte sich die 24-Jährige berechtigte Hoffnungen auf einen Podestplatz über 5.000 Meter machen. Doch statt Edelmetall gab es in Ulm nur Frust für die Kölnerin. Platz zehn in 16:59,31 Minuten war nicht das, was Veronica Pohl zeigen wollte.
Doch die Kölnerin, die ihre Laufkarriere im württembergischen Ilsfeld begonnen hat, kennt den Grund. "Ich war einfach platt. Der Akku war leer. Ich bin die komplette Hallensaison, die komplette Crosssaison und die Freiluftsaison in den USA gelaufen und dann nach Deutschland geflogen", sagt Veronica Pohl.
Keine Top 8 nach Sturz
Nach einigen ruhigeren Tagen hatte sich die 24-Jährige erholt und reiste Mitte August wieder zurück in die USA, um dort ihr Sportmedizin- und Sonderpädagogik-Studium zu beenden und noch einmal die Crosssaison zu laufen, die in den USA im Gegensatz zu Europa einen sehr hohen Stellenwert genießt.
Bei den NCAA-Crossmeisterschaften, dem Höhepunkt der Gelände-Saison, wollte die 24-Jährige nach guten Vorleistungen unter die besten Acht. Ein Sturz in Runde eins machte ihr Vorhaben jedoch zunichte. "Da wird so hart gelaufen", sagt Veronica Pohl, die sich nach Kilometer eins an Position 150 wiederfand. Nach einer furiosen Aufholjagd kämpfte sich die Vierte der Deutschen A-Jugendmeisterschaften von 2003 und 2004 auf den folgenden fünf Kilometern immerhin noch auf Rang 38. Ihren Ansprüchen genügte dies jedoch nicht: "Ich wollte viel weiter vorn sein."
In Deutschland startet Veronica Pohl für die LG ASV/DSHS Köln (Foto: Domstadtläufer) Zurück in Deutschland
Seit einer Woche ist Veronica Pohl wieder zurück in Deutschland. Ihre Zeit in den USA hat sie nicht bereut - ganz im Gegenteil. "Ich habe dort mein Leben nach dem Training ausgerichtet und nicht umgekehrt. Laufen hatte Priorität. Wir haben dort viel komplexer trainiert als ich das zuvor gemacht habe", sagt Veronica Pohl, die dies auch in Deutschland fortführen will.
Derzeit schreibt die 24-Jährige an ihrer Diplomarbeit, die sich mit den Effekten von Höhentraining auf Ausdauersportler beschäftigt. Danach will die Kölnerin eine Halbtagsstelle annehmen, um sich weiter auf den Sport konzentrieren zu können. Zwei Angebote hat sie bereits: Eines in Köln und eines in München. Entschieden hat sie sich jedoch noch nicht.
Experiment Hindernis
Während hinter der beruflichen Zukunft noch Fragezeichen stehen, sind die sportlichen Ziele bereits klar definiert. "Ich will in der Halle bei den Deutschen Meisterschaften über 3.000 Meter eine Medaille gewinnen und möglichst unter 9:10 Minuten laufen", sagt Veronica Pohl. Nach der Hallensaison liegt der Fokus auf dem Crosslauf, bevor es Mitte März für zwei Monate wieder nach Flagstaff geht.
"Ich muss da noch einige Dinge klären und kann die Höhe dann gleich für die Sommersaison nutzen", sagt die 24-Jährige, die rechtzeitig zum Beginn der Freiluftsaison im Mai wieder zurück in Deutschland sein und sich dann auch mal an den Hindernissen versuchen will. "Die 5.000 Meter wird meine Hauptstrecke sein, aber ich will auf jeden Fall auch mal über die Hindernisse starten."