Viel Basisarbeit und neue Konzepte in Österreich
Der Blick vieler fällt dieser Tage in unser alpines Nachbarland. Mache machen sich wegen des fehlenden Schnees und milder Temperaturen Sorgen um ihren Winterurlaub, andere reiben sich verwundert die Augen wie Österreichs Wintersportler auch ohne echten Schnee ihre Konkurrenzen in Grund und Boden kämpfen.

Momentan fehlt in Österreich eine Weltklasseathletin wie Stephanie Graf (Foto: Chai)
So dominant wie besonders die ÖSV-Skispringer und Ski-Alpinen derzeit auftreten, hat man es wohl noch nie erlebt. Und wo die Medien alljährlich neue Helden geboren sehen, wie in diesem Jahr das Skisprungwunder Gregor Schlierenzauer, verkommen andere Sportarten wie die Leichtathletik zur Randnotiz. Denn dort fehlen die prestigeträchtigen Erfolge, die großen Schlagzeilen.Gerechtfertigt ist dies aber nicht, denn es bewegt sich einiges in der österreichischen Leichtathletik und deshalb wirft leichtathletik.de zum Jahresbeginn einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen der Sportart in unserem Nachbarland.
Nach dem Rücktritt von 800 Meter-Läuferin Stephanie Graf im Jahr 2004 fehlt der österreichischen Leichtathletik ein international erfolgreicher Top-Athlet als Aushängeschild. Gerade dies sei aber von besonderer Bedeutung, wie Hannes Gruber, der Sportdirektor des Österreichischen Leichtathletik-Verbandes (ÖLV), betont: "Schwimmen erlebt bei uns gerade einen richtigen "Hype" wegen der Erfolge von Markus Rogan", einem mehrfachen Medaillengewinner bei EM, WM und Olympia.
Ohne große Stars
Ohne die großen Stars wird beim ÖLV verstärkt Basisarbeit betrieben und werden langfristige Konzepte entwickelt, die eines Tages vielleicht wieder Medaillengewinner hervorbringen können, kurzfristig zumindest den Wiederaufstieg in die erste Liga des Europacups ermöglichen sollen.
Es gilt aber auch Nischen zu finden, in denen die Leichtathletik mehr öffentliche Präsenz als bisher generieren kann. Für all das wurden laut Hannes Gruber gerade im abgelaufenen Jahr "neue zukunftsweisende Akzente gesetzt" und dies auch dank den Verbandsstrukturen, die derzeit besser seien denn je.
Hannes Gruber erklärt: "Präsidium, Geschäftsstelle, Sportkommission, Trainerteam, Marketingteam und die einzelnen Referatsabteilungen ziehen an einem Strang mit klar definierten Aufgabenbereichen." So sollen zum Beispiel durch die Bestellung eines Marketingdirektors Identität und Design des Verbandes verbessert sowie neue Kontakte zu Wirtschaftspartnern geknüpft werden. "Diesen Bereich haben wir bisher vernachlässigt", gesteht der Funktionär ein.
Stephanie Graf trainiert
Das ÖLV-Projekt "Trainer-Duo", eine enge Kooperation von Lehrer und Vereinstrainer, wurde weiter ausgebaut. Zudem ist es ein erklärtes Ziel, Spitzenathleten enger an den Verband zu binden. Stephanie Graf konnte für die Aktion "Train with the Champions" gewonnen werden und trainiert seit Herbst unter anderem mit Österreichs schnellsten Läufern über die 800 Meter-Distanz. Auch noch aktive Spitzenkräfte beteiligen sich an dem Projekt.
Eine weitere erfolgreiche Maßnahme sieht der Sportdirektor in der vom besten nationalen Hürdensprinter Elmar Lichtenegger organisierte Meetingserie Austrian-Top4, die sich schon bei erstmaliger Austragung dank positiver Medienberichterstattung und mit vielen herausragenden Leistungen etabliert habe. Hier ist allerdings kritisch anzumerken, dass diese Leistungen noch keinesfalls internationalen Ansprüchen gerecht wurden.
Generationswechsel
"Die Spitzenleichtathletik in Österreich steht ohnehin vor einem Generationswechsel", erklärt Hannes Gruber. Top-Athleten wie Elmar Lichtenegger, Sprinterin Karin Mayr-Krifka und Langstrecklerin Susanne Pumper befinden sich mit über 30 Jahren in der Tat im Herbst ihrer Karriere. Im Nachwuchsbereich tue sich zwar einiges, aber die großen Teilnehmerfelder im Jugendbereich, die laut Hannes Gruber viele herausragende Ergebnisse produzieren, dünnen sich bei den Junioren (U 20) und in der U 23-Klasse nach Schule oder Ausbildung doch sehr stark aus.
Hannes Gruber führt aus: "Ähnlich wie in Deutschland gibt es bei uns eine Sportförderung, die besonders vom Bundesheer und ihren Leistungszentren getragen wird. Das Problem besteht allerdings darin, dass viele junge Athleten leistungsmäßig keine sportliche Perspektive über die Landesgrenzen hinaus sehen, da sie international nicht mithalten können und dann aufhören."
Unrealistische Ansprüche
Als ein Problem sieht der Sportdirektor des ÖLV auch die oftmals von unrealistischen Ansprüchen geleitete Leistungsbewertung bei österreichischen Athleten: "Österreich hat ungefähr ein Zehntel der deutschen Bevölkerung und wenn der DLV 60 Athleten zu einer großen Meisterschaft schickt, wären wir mit sechs doch vernünftig vertreten. Und neben den routinierten Athleten haben sich vor allem bei der EM im schwedischen Göteborg (elf ÖLV-Teilnehmer, Anm.) auch einige junge Athleten gut in Szene setzen können."
Nicht nur die Größe des Landes sei hierbei zu beachten. Der Funktionär verweist auch auf schwierige Bedingungen für den Sport in seiner Heimat, fehlende finanzielle Ressourcen in den Vereinen zur Anstellung von Trainern und Übungsleitern und dem Fehlen hochqualifizierter Trainer in den technischen Disziplinen. "Die Anzahl der Vereine ist mit über 400 zwar sehr hoch, aber viele Clubs wurden im Zuge der Laufbewegung gegründet und bilden keine Nachwuchsathleten heran. Der ÖLV ist daher bestrebt, die aktiven Zellen vermehrt zu unterstützen. Im Vorjahr haben wir 40 aktive Heimtrainer finanziell unterstützt", erläutert Hannes Gruber.
Volksläufe kontraproduktiv?
In der Öffentlichkeit zählen aber meist nur Medaillen und Rekorde und keine guten Platzierungen, so dass die österreichische Leichathletik gerade, was die Präsenz im Fernsehen angeht, ein Schattendasein fristet. Umso mehr setzt der Verband nach nur geringer Beachtung in der Vergangenheit auf den im Trend liegenden Volkslauf, zum Beispiel mit dem Vienna City Marathon, und erst recht auf den Berglauf, in dem Österreich eine große Tradition hat und zu den führenden Nationen zählt.
Hannes Gruber hält es allerdings für ausgesprochen schwierig, über diese Bereiche Athleten für die klassische Leichtathletik gewinnen zu können. "Die Entwicklung des Volkslaufes sehe ich sogar als kontraproduktiv für die Spitzenleichtathletik an", sagt er. Dennoch machen die vielfältigen Bemühungen Mut, dass vielleicht irgendwann mal ein neuer österreichischer Sportstar daherkommt und zwar ohne Skier und Helm.