Vitaliy Petrov: „In Rio in Medaillenform“
Brasilien gegen Deutschland. Auf dieses hochklassige Duell hoffen nicht nur Fußballfans bei der WM 2014. Auch zwei Jahre später könnte es bei den Olympischen Spielen in Rio dazu kommen. Im Stabhochsprung. Vitaliy Petrov (75), der Entdecker von Sergey Bubka, trainiert die Talente Brasiliens und spricht im Interview über die Chancen der Youngsters und die deutschen Asse.
Vitaliy Petrov, Sie haben die Stabhochsprung-Legenden Sergey Bubka und Yelena Isinbayeva trainiert. Wie kam es aber zum Engagement in Brasilien?Vitaliy Petrov:
Ich arbeite schon seit 2001 für Brasilien. Ich helfe dem Land, den Stabhochsprung dort zu entwickeln. Es gibt dort keine Stabhochsprung-Kultur.
Fabiana Murer ist die bekannteste Leichtathletin Brasiliens. Sie war zweimal Weltmeisterin, 2011 im Freien, 2010 in der Halle. Trainieren Sie auch die 32-Jährige?
Vitaliy Petrov:
Wir sind eine Trainergruppe, die schon seit Jahren zusammenarbeitet. Meistens ist Elson Miranda bei Wettkämpfen von Fabiana dabei. Er ist nicht nur ihr Trainer, sondern auch ihr Ehemann.
Bei den Männern gibt es mit Thiago da Silva (19) und Augusto de Oliveira (23) zwei junge Springer mit Bestleistungen jenseits der 5,80 Meter. Welche Ziele haben Sie mit diesem Duo?
Vitaliy Petrov:
Die beiden zählen zur neuen Generation in Brasilien. Natürlich sollen sie bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro gut abschneiden.
Sind die beiden gut genug für eine Olympiamedaille beim „Heimspiel“?
Vitaliy Petrov:
Das kann man erst 2015 sehen, man muss die Entwicklung abwarten. Wenn sie bis dahin an die 6,00 Meter herankommen, kann man sogar über eine Goldmedaille in Rio reden.
Aber die Entwicklung von Thiago da Silva ist doch schon jetzt beachtlich!
Vitaliy Petrov:
Das stimmt. Ich arbeite seit fünf Jahren mit ihm zusammen. 2010 ist er als Zweiter der Olympischen Jugendspiele 5,05 Meter gesprungen, 2012 wurde er mit 5,55 Metern U20-Weltmeister und im Juli ist er mit Südamerikarekord von 5,83 Metern Südamerikameister geworden. Wichtig sind stabile Resultate zwischen 5,80 und 5,90 Metern. Wenn man das schafft und die Technik verbessert, kann es weit nach oben gehen. Zudem geht es darum, psychologisch stark in den Wettkampf zu gehen. Dafür muss man auch sein Leben außerhalb des Sports in den Griff bekommen.
Wie entdecken Sie Talente in Brasilien. Dort wollen doch alle Kinder Fußballer werden?
Vitaliy Petrov:
Natürlich ist Fußball die Nummer eins, so wie in Deutschland. Wir haben aber trotzdem eine Menge Talente. Es geht darum, gute Stabhochsprung-Trainer auszubilden, die in den Schulen und Vereinen, die Top-Athleten von morgen entdecken. So etwas geht nicht von einen Tag auf den anderen.
Schauen Sie sich selbst die vielversprechendsten Talente des Landes an?
Vitaliy Petrov:
Natürlich, ich bin im Herbst wieder für zwei Monate in Brasilien. Insgesamt bin ich vier bis fünf Monate im Jahr dort und einen ähnlich langen Zeitraum im Trainingscenter in Formia. Vor Weihnachten werden wir auch entscheiden, wo wir uns auf die Hallen-WM Anfang März in Sopot vorbereiten. Leverkusen hat mir sehr gut gefallen, die Anlagen und Möglichkeiten sind perfekt. Ich habe auch einen Tag mit Leszek Klima verbracht, um mir alles genau zeigen zu lassen. Eine andere Möglichkeit wäre Spala in Polen. In Formia sind die Bedingungen im Winter nicht gut.
Wenn Sie schon in Deutschland sind. Was denken Sie über die deutschen Stabhochspringer? Ist beispielsweise Weltmeister Raphael Holzdeppe gut genug, um irgendwann 6,00 Meter oder sogar noch höher zu springen?
Vitaliy Petrov:
Er ist mit 23 Jahren immer noch ein junger Springer. Das Leben wird als Weltmeister nicht einfacher. Es gibt mehr Termine, mehr Verlockungen. Das Potenzial für 6,00 Meter hat er sicherlich, wenn zu seiner enormen Anlaufgeschwindigkeit auch eine gute und stabile Technik kommt. Das war in diesem Jahr aber nicht immer so. Da weiß er, woran er arbeiten muss. Außerdem muss auch das Leben neben dem Sport geregelt sein, um solche Höhen zu meistern. Für meine brasilianischen Jungs ist es wichtig, gegen so starke internationale Konkurrenz wie Raphael Holzdeppe oder gegen den sehr gut organisierten Björn Otto zu springen. Er ist ein leuchtendes Vorbild für junge Springer wie meine. Sie lernen aus diesen Wettkämpfen. Der Sieg von Thiago da Silva gegen die beiden zuletzt in Leverkusen spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass sie Erfahrungen sammeln.
Sie haben anderthalb Jahrzehnte lang Sergey Bubka trainiert. Er hat die 16 besten Höhen der Stabhochsprung-Geschichte erzielt. Was macht ihn besser als alle anderen?
Vitaliy Petrov:
Er war schnell, stark, hatte eine brillante Technik. Schon als Kind hat man gesehen, dass er irgendwann einmal ganz nach oben kommen kann. Was ihn aber besonders ausgezeichnet hat, war seine Hingabe zum Sport. Er hat alles dem Sport untergeordnet. Das war wahrscheinlich sein größter Vorteil. Für Partys hat sich Sergey nie interessiert.
Quelle: leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift