Vivian Zimmer - Völlig überwältigt in Grosseto
Irgendwann Donnerstagabend, so gegen halb zehn, nach der Speerwurfentscheidung der Juniorinnen in Grosseto, fühlte sich Vivian Zimmer wie in Trance. Sie saß in der Mixedzone im Olympiastadion, fünf Leute sprachen auf sie ein, redeten mit Händen und Füssen - der eine italienisch, der andere in Englisch, der dritte warf ein paar Brocken Deutsch dazwischen und es herrschte das totale Chaos. "Ich bin nur noch auf meinem Stuhl gesessen und habe überhaupt nichts mehr begriffen", sagte Vivian Zimmer später schmunzelnd.
Vivian Zimmer war in Grosseto völlig geplättet von ihrem Erfolg (Foto: Möldner)
Wenige Minuten zuvor hatte die B-Jugendliche, die am 22. Juli 17 Jahre alt wird, für eine riesige Überraschung gesorgt und im Speerwerfen mit 58,50 Metern die Goldmedaille bei der Junioren-WM gewonnen. Dabei warf die junge Speerwerferin mit den langen dunklen Haaren nicht nur einmal über 58 Meter, sondern gleich vier Mal, was sie nach dem Wettkampf ganz verdutzt feststellte. "Ich habe das irgendwie gar nicht mitbekommen", meinte sie völlig fassungslos. "Und die Würfe waren gar nicht optimal."Dass sie ab dem ersten Durchgang führte, hat die knapp 17-Jährge noch irgendwie realisiert, doch wartete die 1,79 Meter große Athletin bis zum Ende auf den Konter von Annika Suthe, die mit einer Vorleistung von 61,38 Metern zur großen Favoritin avanciert war.
"Ich habe nur noch gezittert", erinnert sich die schlanke Werferin an die Situation. Dass ausgerechnet sie Gold holen würde, daran hätte sie im Traum nicht gedacht. Obwohl sie eine Topform hatte. Die Vorbereitung ist auch sehr gut gelaufen. "Ich war ein paar Mal im Trainingslager, erst in Waltenhofen, dann in Kienbaum", erzählt der Teenager.
Vorbild Steffi Nerius
"In Waltenhofen habe ich sogar mal mit Steffi Nerius trainiert." Und sich schon mal an die 58 Meter herangetastet. Mit kurzem Anlauf, wohlgemerkt. Die WM-Dritte aus Leverkusen von Paris ist ihr großes Vorbild. "Steffi ist immer auf dem Boden geblieben, nett sympathisch und sie wirft weit", schwärmt die gebürtige Magdeburgerin, die in Halle im Sportinternat lebt. Noch. "Aber ich will mir eine eigene Wohnung suchen. So eine Überwachung ist auf die Dauer nichts für mich."
Sie macht eine Ausbildung als Sport-und Fitnesskauffrau beim Landesverband Sachsen-Anhalt und hat optimale Trainingsbedingungen. "Der Sport spielt eine sehr wichtige Rolle für mich. Ich habe große Ziele."
Ihre Pläne für 2004 hat sie schon realisiert. Der nächste Schritt: die 60 Meter. "Aber die hebe ich mir für nächstes Jahr auf!" Vivian Zimmer, die von Erfolgstrainerin Maria Ritschel betreut wird, ist ein ähnlicher Charakter wie ihr Idol, Steffi Nerius. Ruhig, gelassen, locker, ehrgeizig - und ein Wettkampftyp.
Gute Nerven
"Ich habe ganz gute Nerven", sagt die junge Athletin, die im vergangenen Jahr im kanadischen Sherbrooke bei den U18-Weltmeisterschaften schon Bronze holte. Außerdem wirft sie technisch gut und ist sehr schnell. "Lange Arme hab ich auch noch", sagt sie grinsend.
In Grosseto verbesserte sie nebenbei ihren eigenen deutschen B-Jugendrekord. Vor der Siegerehrung war sie fast mehr aufgeregt als vor dem Wettkampf. Schon vor der Zeremonie hatte sie ein wenig Bammel. "Ich bin ein emotionaler Typ, wahrscheinlich muss ich sogar heulen", gestand Vivien Zimmer, die am Wettkampftag morgens sogar noch ein wenig locker trainiert hat. Schließlich waren die Speerwerferinnen erst abends gegen 19:30 Uhr an der Reihe.
"Den ganzen Tag rumhängen, dass hätte mich fertig gemacht". Zumal in Grosseto nicht gerade kühle Temperaturen herrschen.
Grillparty am Strand
Doch nun wird erst mal gefeiert. "Ich bin froh, dass es vorbei ist", sagt Vivian Zimmer. Ihre Mutter hat eine Grillparty am Strand organisiert. Dort, in Urlaubsatmosphäre, wird sie versuchen, die letzten Tage zu rekonstruieren. Ehre, wem Ehre gebührt.
Und für die Olympischen Spiele hat sie auch noch einen Tipp, wer beim Speerwerfen oben mitmischt. Besser gesagt, drei. "Ich glaube, die Medaillen werden zwischen der Griechin Mirela Manjani, der Kubanerin Osleidys Menendez und Steffi Nerius verteilt", sagt die Junioren-Weltmeisterin. Wenn nicht eine Werferin auftaucht, die den anderen einen Strich durch die Rechnung macht und alles durcheinanderwirbelt. So eine vom Typ Vivian Zimmer. Das geht schneller als man denkt.
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