Vom Sprinter zum Footballer – Geht das?
Football und Leichtathletik haben eine große Gemeinsamkeit: Man braucht für beides Schnelligkeit. Es ist also nicht verwunderlich, dass es immer wieder talentierte Sprinter gibt, die den Wechsel wagen. Aktuelles Beispiel ist Dwain Chambers. Er ist nicht der erste Ex-Sprinter, der den Sprung zum American Football vollzog, aber sicherlich einer der bekanntesten.

Dwain Chambers versucht sich jetzt als Footballer (Foto: Kiefner)
Der Brite ist seit Anfang der Saison Wide Receiver (Passempfänger) bei einem NFL-Europa-Team, nämlich den Hamburg Sea Devils. "Die Sportart zu wechseln ist nie einfach, doch Dwain Chambers bringt als Sprinter wichtige physische Voraussetzungen mit", meint Wanja Müller, der Running Backs und Special Team-Coach der Berlin Thunders. Genau wie beim Sprinten sind Explosivität und Schnelligkeit entscheidende Kriterien für jeden Wide Receiver. Doch das allein genügt beim Football nicht."Eine weitere große Hürde ist die Regelkunde", weiß der junge Football-Coach aus eigener Erfahrung. "Auch wenn gute Sprinter generell in der Offense (dem Angriff) eingesetzt werden, weil es der Spielabschnitt mit dem weniger komplizierten Regelwerk ist, bedarf es einiger Zeit, um das Playbook zu lernen." Des Weiteren wird Dwain Chambers ein gutes Ballgefühl entwickeln müssen. "Momentan bekämpft er den Ball noch zu sehr. Aber den richtigen Umgang kann er lernen. Die Koordination von Hand und Auge sind eine reine Gewohnheitssache", erklärt Wanja Müller.
Andere Art zu Sprinten
Der nächste große Unterschied zur Leichtathletik ist die Art zu sprinten. Anders als bei der Leichtathletik verlangt der Football neben kurzen linearen Sprints viele schnelle Richtungswechsel. Anstelle eines ruhigen Oberkörpers braucht man Beweglichkeit. "Daran muss sich die Muskulatur des ehemaligen Sprinters erst einmal gewöhnen", sagt Wanja Müller. Zudem werden von den schnellen Positionen im Football, den Wide Receivern und den Running Backs, innerhalb eines Spiels in relativ kurzen Zeitabständen diverse 10 bis 20 Meter Sprints gefordert. Auch etwas, das Dwain Chambers aus der Leichtathletik nur aus dem Training kennen dürfte.
"Wir Footballer können aber auch einiges von der Leichtathletik lernen", meint Wanja Müller. Zum Beispiel starten Wide Receiver beim Spiel wie Sprinter aus dem Block mit versetzten Füßen und vorgelagertem Oberkörper. Außerdem hat er zu Beginn seiner Trainerkarriere eng mit einem Sportstudenten zusammengearbeitet und dabei viele technische und koordinative Feinheiten vom Sprinten übernommen.
Krafttraining und ausgewogene Ernährung
Auch der Kraft- und Konditions-Coach der Thunders, Mike Berezowski, hat in seiner Vergangenheit mit Leichathletiktrainern kooperiert, um seine Trainingsmethoden zu ergänzen. Besonders während der Saisonpause legt er großen Wert auf ein ausgefeiltes Sprinttraining bei seinen Spielern.
"Der schnelle Antritt und eine hohe Maximalgeschwindigkeit sind für Footballspieler essentiell", meint der US-Amerikaner. Auch er glaubt, dass Dwain Chambers eine Chance haben könnte, weil er beides schon mitbringt. Doch anders als die drahtigen Sprinter müssen seine Spieler Masse haben. Deswegen wird beim Football auch großen Wert auf Krafttraining und ausgewogene Ernährung gelegt. "Um sich durchsetzen zu können, muss er das Spiel verstehen lernen, seine Ernährung umstellen und viel trainieren", sagt Mike Berezowski.
Nicht alleine
Dwain Chambers ist nicht der einzige ehemalige Sprinter in der NFL-Europa. In den Reihen der Thunders gibt es einige Spieler, die in ihrer Jugend Leichtathleten waren. Einer davon ist der 24 Jahre alte Richard Adjei. Der Linebacker (Verteidiger) lief die 100 Meter in guten 10,5 Sekunden und profitiert von seinen Erfahrungen als Sprinter noch heute: "Übungen wie die Zugwiderstandsläufe haben mir enorm geholfen. Beim Football ist ja beides wichtig: Schnelligkeit und der richtige Umgang mit Masse."
Es bleibt also abzuwarten, wie sich Dwain Chambers in seiner ersten Footballsaison bei den Hamburger Sea Devils schlägt und vielleicht werden er und Richard Adjei irgendwann, als zwei der wenigen Europäer, den Sprung über den großen Teich in die USA in die dortige NFL schaffen.