Von Mystikern, Talismanen und Fetischisten
Eigentlich ist die Leichtathletik ja eine relativ objektive, rationale Sportart. Da wird in Metern und Sekunden gemessen und das machen unparteiische Uhren und Maßbänder und keine beeinflussbaren Wertungsrichter wie beim Turnen und Tanzen oder bestechliche Schiedsrichter wie beim Fussball.
Mbulaeni Mulaudzi läuft gerne mit einer Eins (Foto: Chai)
Darüber hinaus muss sich der Leichtathlet – außer vielleicht in der Staffel – nicht über schlechte Leistungen seiner Teamkollegen ärgern, weil er ganz allein für sein Abschneiden verantwortlich ist. Wirklich ganz allein? Oder hängt der Ausgang eines Rennens noch von anderen – gar irrationalen – Faktoren ab? leichtathletik.de hat sich erkundigt, wie wichtig Glücksbringer und Accessoires für die Psyche der Athleten sind.Da gibt es einerseits die Zahlen-Mystiker: Die Glückszahl von Wilfred Bungei, 800-Meter-Läufer aus Kenia, ist die Drei. Er glaubt, nur gute Leistungen erbringen zu können, wenn seine Startnummer eine Drei enthält oder er auf Bahn drei läuft. Beim 800-Meter-Mann Mbulaeni Mulaudzi aus Südafrika ist es die Eins: Seine Startnummer sollte unbedingt mit einer beginnen. In dieser Hinsicht sind die Afrikaner aber nicht allein.
Die kanadische Siebenkämpferin Jessica Zelinka würde sich zwar nicht als abergläubisch bezeichnen, aber im selben Atemzug zählt sie auf, welche Startnummern sie mag: 13, 9, 2, 7 und 1. Mit ihrer Aussage "Egal welche Nummer ich bekomme, ich rede mir immer ein, dass es die Nummer ist, die mir am meisten Glück bringen wird" relativiert sie dieses jedoch schnell.
Nicht ohne mein Stofftier!
Manche klammern sich an Ziffern, andere an Accessoires und andere Glücksbringer. Diskuswerferin Sabine Rumpf (LSG Goldener Grund) hat immer mindestens ein Kuscheltier als Maskottchen bei einem Wettkampf mit. Bei großen Meisterschaften auch mal Hund Bruno, Esel Emil und Teddybär Jakob. "Viel hilft viel! Aberglaube ist wohl auch dabei. Ich sage mir ´Den Hund hattest du bei jedem Erfolg dabei. Daher ist es vielleicht gut, ihn wieder mitzunehmen.´", gibt die 23-Jährige, die im letzten Jahr U23-Europmeisterin geworden ist, unumwunden zu.
Auch bei den Siebenkämpferinnen spielen Stofftiere mitunter eine große Rolle. Die Leverkusenerin Jennifer Oser präsentierte bei der EM in Göteborg (Schweden) ihr "Schwein vom Rhein". Ihre Neubrandenburger Kollegin Sonja Kesselschläger ist ähnlich gut bestückt und hat seit Jahren nicht weniger treue Wegbegleiter.
Glücksbringer oder Markenzeichen?
Sanya Richards trägt stets einen Anhänger mit einer Patronenhülse um den Hals, den ihre Mutter ihr geschenkt hat. Er soll der US-Amerikanerin wohl dabei helfen, die Stadionrunde so schnell wie ein Geschoss zu laufen.
Auffällig bei Speer-Europameisterin Steffi Nerius ist, dass sie immer eine Kette mit einem Speerwerfer und ein Stirnband trägt. Die Leverkusenerin selbst bezeichnet diese nicht als Glücksbringer, sondern sieht sie als Markenzeichen. "Ich habe auch schon mal die Kette vergessen und trotzdem gut geworfen und mich dementsprechend nicht verrückt gemacht."
Eine ähnliche Einstellung hat ihr Disziplinkollege Peter Esenwein (LAZ Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg), der "so etwas erst gar nicht anfangen will", weil er fürchtet, sich im Wettkampf dann zu sehr darauf zu fixieren.
"Schon an so viel geglaubt…"
Die Ludwigshafener Stabhochspringerin Nastja Ryshich verrät, dass eine bestimmte Frisur für sie früher den absoluten Glücksbringer darstellte. "Jetzt bin ich allerdings schon 15 Jahre im Hochleistungssport dabei und habe schon an so viele Sachen geglaubt. Nachher hat sich herausgestellt, dass es nichts gebracht hat."
Hürdensprinter Thomas Blaschek (LAZ Leipzig) räumt ein, dass er 2005 bei jedem Wettkampf die gleichen Socken anzog, bis dieses Paar dann leider verschlissen war. 2006 mussten es für ihn – eher aus ästhetischen Gründen - noch zumindest weiße Socken sein. Ohne seinen "Ying Yang"-Talismann geht der Hürdenläufer allerdings nicht auf die Bahn.
Die Leichtathletik-Helden der Gegenwart klammern sich also teilweise an Symbole, Ziffern oder eine bestimmte Ausrüstung. Aber so schlimme Auswüchse oder sensationelle Enthüllungen wie in anderen Sportarten können sie nicht bieten. Es gewinnt oft der, der stärker im Kopf ist. Oder wie es die belgische Hochsprung-Europameisterin Tia Hellebaut ausdrückt: "Absolute Konzentration ist das Wichtigste."