Von Peking nach Peking in zwei Jahren
Wenn in diesen Tagen das deutsche Olympiateam den Spielen in Peking immer näher rückt, dann werden auch die Arrivierten mal etwas genauer hinhören, denn ein paar der ganz Jungen haben etwas zu sagen. Ein Sextett, das schon vor zwei Jahren bei der U20-WM in der chinesischen Hauptstadt war, kehrt jetzt in den nächsten zwei Wochen dorthin zurück.
Audio-Interviews zum Thema:Denise Hinrichs
Raphael Holzdeppe
Janin Lindenberg
(01.08.08)
Die 400-Meter-Läuferinnen Janin Lindenberg (LG Nike Berlin) und Sorina Nwachukwu (TSV Bayer 04 Leverkusen) sowie die Wattenscheider Kugelstoßerin Denise Hinrichs, der Zweibrücker Stabhochspringer Raphael Holzdeppe, der Hochspringer Raul Spank (Dresdner SC) und der Zehnkämpfer Michael Schrader (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) haben die Peking-Erinnerungen und damit hilfreiche Ratschläge aus erster Hand im Gepäck.
Doch die Erinnerungen waren nicht nur gute und so werden ihre Berichte auch für etwas Stirnrunzeln sorgen. Vor allem die hygienischen Bedingungen, die sich im deutschen Team zum Teil verheerend auswirkten, machten dem deutschen Nachwuchs seinerzeit zu schaffen. Davon berichten sie nach wie vor als Erstes, wenn sie nach dem, was geblieben ist, gefragt werden. Sie erwarten aber, dass die Chinesen ihre Lehren gezogen haben und jetzt bei dem Großereignis Olympia alles besser wird.
Sechs aus 68
Sehen lassen kann sich die sportliche Bilanz. Dass es sechs seiner damals 68 "Küken" innerhalb von zwei Jahren vom U20-National- ins Olympiateam geschafft haben, ist für Dietmar Chounard, den zuständigen Bundestrainer im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), eine gute Quote. Da schmerzt es auch nicht so sehr, dass mit Denise Hinrichs nur eine der fünf Medaillengewinner den Sprung verwirklichen konnte.
Dietmar Chounard ergänzt: „Wir haben noch einige, die auf einem ähnlichen Weg sind.“ Er verweist auf die Sprinter Julian Reus (TV Wattenscheid 01) und Christian Blum (LAC Quelle Fürth/München), den Magdeburger Diskuswerfer Martin Wierig und die Nürnberger Speerwerferin Sandra Schaffarzik, die damals Gold gewonnen hatte, als Beispiele. „Es sind mindestens Zehn aus Peking, die es geschafft haben oder es noch schaffen werden.“
Es kommt noch mehr
Zum Kreis jener Hoffnungsträger zählen anderen voran auch der Leverkusener Robin Schembera und der Erfurter Sebastian Keiner über 800 Meter, der Leipziger Hürdensprinter Erik Balnuweit sowie die Fürther Hindernisläuferin Julia Hiller und die Ludwigshafener Stabhochspringerin Elisaveta Ryzih.
Trotzdem ist unübersehbar, dass sich die Spreu innerhalb von kurzer Zeit vom Weizen trennt, dass sich nach den Jugendjahren sehr bald herausstellt, wer das Zeug zu höheren Aufgaben hat und wer eben nicht. Auch international.
Tatyana Chernova auf dem Weg zur Olympiasiegerin?
Wirft man einen Blick in die Siegerliste von 2006, dann sind einem vor allem Namen wie David Rudisha (Kenia; 800m), Tariku Bekele (Äthiopien; 5.000m), Robert Oosthuizen (Südafrika; Speerwurf), Kaliese Spencer (Jamaika; 400m), Irene Jelagat (Kenia; 1.500m), Svetlana Radzivil (Usbekistan; Hochsprung), Tatyana Chernova (Russland; Siebenkampf) und die immer noch erst 18 Jahre alte Hammerwerferin Bianca Perie (Rumänien) in der letzten Zeit geläufiger geworden.
Sie gingen als damalige U20-Weltmeister ihren Weg weiterhin zielstrebig, sind jetzt bei den Erwachsenen bereits mehr oder weniger fest etabliert und gehören nun zum Teil sogar schon zu den Medaillenkandidaten für Olympia. Tatyana Chernova wird sogar als neue Siebenkampf-Königin gehandelt.
Dass es aber keine Selbstverständlichkeit ist, innerhalb von zwei Jahren die Entwicklung von einem Spitzentalent hin zu einem hoffnungsvollen Olympia-Teilnehmer derart reibungslos zu vollziehen, zeigen andere Beispiele aus der weltweiten Szene. Das trifft sogar auf einige der Top-Stars der Junioren-WM von 2006 zu.
Abgestürzte Überflieger
Interessant ist die Entwicklung im Stabhochsprung. Jetzt mit 5,80 Metern U20-Weltrekordhalter, war Raphael Holzdeppe vor zwei Jahren bei der Junioren-WM mit 5,30 Metern nur Fünfter. Als der uneingeschränkte Star über der Latte galt zu dem Zeitpunkt der zwei Jahre ältere Argentinier Germán Chiaraviglio. Damals deklassierte er mit 5,71 Metern die Konkurrenz. Doch diese Leistung, einen Landesrekord, konnte er seither nicht mehr wiederholen.
Ähnlich erging es dem Chinesen Huang Haiqiang. Der Hochspringer schnappte sich 2006 mit 2,32 Metern den U20-Weltmeistertitel. Damit wäre er jetzt ein Medaillenkandidat. Doch seine Saisonbestleistung steht aktuell bei 2,10 Metern. Der Dresdner Raul Spank wurde damals Fünfter (2,23 m), mit gebrochener Hand wohlgemerkt. Er hat nun 2,30 Meter übersprungen und ist momentan die Nummer 14 der Welt.
Von der Eins zur Nummer 172
Als Doppelsieger im Kugelstoßen und Diskuswerfen, wo er sogar einen U20-Weltrekord markiert hatte, sorgte bei der Nachwuchs-WM der Este Margus Hunt für viel Aufsehen. Weniger aufsehenerregend fällt seine Bilanz im Olympiasommer aus: 17,98 Meter im Kugelstoßen, 58,94 Meter im Diskuswerfen und 64,89 Meter im Hammerwerfen für den jetzt 21-Jährigen.
Bei den Frauen reiht sich Tezdzhan Naimova in die Liste der Gescheiterten ein, die ihre berechtigt erschienenen Träume nicht realisieren konnten. Als ehemalige Doppel-U20-Weltmeisterin über 100 und 200 Meter ist die Bulgarin in dieser Saison auf diesen Strecken weltweit nur die Nummer 143 bzw. 172.
Chinas Team zerbröselt
Handelt es sich bei diesen Beispielen um Einzelfälle, so ist die Bilanz rund um das Gastgeber-Team fast schon erschreckend. China war 2006 mit fünf Gold-, fünf Silber- und sieben Bronzemedaillen die stärkste Nation. Mit 178 Punkten führte man die Nationenwertung vor Russland (140) und Kenia (127) an.
Doch übrig geblieben ist von diesem starken Leichtathletik-Trupp so gut wie nichts. Von den 17 Medaillengewinnern gehören in diesem Jahr nur Hochspringerin Zheng Xingjuan und Geherin Liu Hong zu den besten 50 der Welt.
Es zeigt: Nicht überall wird der Nachwuchs so gezielt gefördert wie in Deutschland, wo ein Teil aus dem U20-Nationalteam von 2006 einen recht vielversprechenden Weg eingeschlagen hat. Allerdings geben, deutschlandweit wie international, Top-Ergebnisse bei der U20-WM nicht immer den richtigen Fingerzeig für die weitere Entwicklung. Darüber entscheiden viele Faktoren und manche der Talente brauchen auch einfach nur mehr Zeit als zwei Jahre, um zu den besten Erwachsenen zu gehören.